von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
„Ist das Leben nicht schön?“ Das ist der deutsche Titel eines amerikanischen Films aus dem Jahr 1946, dessen Originaltitel lautet It’s a Wonderful Life.
Der Inhalt des Streifens: Ein Mann und Familienvater namens George hat sein Leben völlig dem selbstlosen und oft kämpferischen Einsatz für andere gewidmet. Aufgrund eines Vorfalles gerät er ausgerechnet am Heiligabend in eine tiefe Krise und verzweifelt am Sinn seines Daseins. Die Lage treibt ihn bis zum Selbstmord.
Bevor er sich aber tatsächlich von der Brücke in den eisigen Fluss stürzt, sieht er einen anderen Mann, der gerade von irgendwoher in das Wasser gefallen ist und um Hilfe schreit. George, der Freund und Helfer aller Notleidenden, vergisst seinen eigenen, finsteren Vorsatz. Er springt dem Mann nach und rettet ihn.
Nachher erfährt er von dem Fremden, dieser sei sein Schutzengel. Eine scheinbar absurde Aussage, die George verständlicherweise nicht glauben kann und will. Bis der Fremde dann mit ihm eine merkwürdig-irreale und doch ganz realistische Tour unternimmt: Er führt George durch seine Stadt und zeigt ihm, wie es um sie und die für ihn wichtigen Menschen – seine Ehefrau eingeschlossen – jetzt bestellt wäre, hätte er dort nie gelebt und gewirkt.
Ich erspare mir Einzelheiten und sage nur so viel: Was George da schaut, erschüttert und entsetzt ihn. Und es schenkt ihm neue Einsicht in den Sinn seines Lebens, seines Kämpfens. Dieser fremde Mann, der so plötzlich verschwindet, wie er gekommen war, ist tatsächlich sein Schutzengel! Alles ändert sich nun zum Guten, und es kommt zum unvermeidlichen Happy End. Man feiert glücklich Weihnachten, glücklicher denn je. It’s a wonderful life!
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„Ist das Leben nicht schön?“ Heute, anläßlich eines 25. Weihejubiläums, können wir auch fragen: „Ist das Priesterleben nicht schön?“ Obwohl unser lieber und hochverehrter Pater Hans-Achim Räder sich offensichtlich nicht in einer ähnlichen Krise wie jener George befindet und keine Neigung verspüren dürfte, seinem menschlichen und priesterlichen Leben ein abruptes Ende zu setzen: Der Gedanke daran, wie es hier ohne das vierteljahrhundertlange Wirken eines treuen Priesters aussehen würde, ist durchaus lohnend.
Unser Blick mag die mehr quantitative Seite überschauen: Die Zahl der Heiligen Messen liegt bei täglicher Zelebration nach 25 Jahren weit über 9000. Was das Bußsakrament betrifft, so ist die Summe gar nicht zu ermitteln. Unser Jubilar verbringt wöchentlich viele, viele Stunden im Beichtstuhl und kommt dadurch auf eine kaum noch zu schätzende Anzahl.
Wir könnten auch versuchen, die Menge anderer priesterlicher Tätigkeiten zu erfassen: Taufen, Eheschließungen, Krankenkommunionen und Versehgänge, Personen- und Sachsegnungen, nicht zu vergessen die Predigten und die seelsorglichen Gespräche, zudem die Unterrichtsstunden für unsere Seminaristen. Wir sehen jedenfalls, was allein in quantitativer Hinsicht fehlen würde, wäre P. Räder nicht seit 25 Jahren als Priester tätig.
Und in qualitativer Hinsicht? Hier müssten wir wirklich begreifen können, was es denn bedeutet, mehr als neuntausendmal die Konsekrationsworte gesprochen und die „reine, heilige, makellose Opfergabe“ dargebracht zu haben „zum Lob und Ruhme des Namens Gottes, zum Segen für uns und die ganze Heilige Kirche“.
Wir müssten wahrhaft verstehen, was es heißt, abertausendemale jenes „Et ego te absolvo“ gesprochen zu haben, das die versklavende Macht der Sünde bricht und dem Menschen die Würde und Freiheit eines Gotteskindes zurückschenkt. Wir müssten es erfassen können – und können es doch nicht ganz.
Eine gewisse Vorstellung von der Höhe, der Tiefe und der Weite eines solchen Wirkens aber haben wir bereits. Ja: „Ist das Priesterleben nicht schön?“
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Ausgerechnet zum heutigen Festtag schenkt uns die kirchliche Liturgie das Evangelium vom wunderbaren Fischfang. Die Verbindung selbst zum Beispiel aus dem amerikanischen Film ist unschwer zu erkennen. Auch Petrus und die anderen Apostel dürfen erfahren, dass kein Grund zur Verzweiflung besteht. Der Herr greift da, wo sich die Vergeblichkeit menschlichen Sich-Abmühens zeigt, mit Phantasie, ja mit göttlichem Humor ein. Dass jetzt plötzlich ein großer Fischfang bevorstehen soll, scheint ebenso unglaubwürdig zu sein wie die Behauptung eines beinahe ertrunkenen Mannes, er sei mein Schutzengel!
Aber in anderer Hinsicht passt das Evangelium gleichfalls zu den vorausgegangenen Gedanken. Ein Priester hat es nun einmal nicht nur mit Fischen, er hat es auch mit Netzen zu tun. Sein Wirken knüpft vielfältige Netze, in denen Menschen miteinander verbunden werden. Der Radius reicht dabei weiter, als wir es uns zunächst denken mögen.
Da nimmt beispielsweise jemand die Gelegenheit des Bußsakramentes wahr. Der Priester kann ihm in persona Christi die Lossprechung spenden. Darüber hinaus lässt der Heilige Geist ihn Worte sprechen, die gute Aufnahme im Herzen des Beichtenden finden und sein Leben tiefgehend verändern.
Dieser wird nun für seine Umgebung zum Segen und trägt – ob er es weiß oder nicht – dazu bei, dass sich auch andere Gott neu zuwenden. Und sie stecken vielleicht wiederum andere an, und so ziehen sich die Fäden vom Beichtstuhl bis in Fernen, die wir nur erahnen, nicht kennen können.
Könnte der Schutzengel eines treuen Priesters, der in schwerer Lage an seinem Beruf zweifelt, ihm nicht genau diese Zusammenhänge zeigen, um ihn wieder mit Freude erkennen zu lassen, wofür er da ist? Die Außenstehenden sehen das manchmal deutlicher als der Priester selbst.
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Ja, was würde Wigratzbad und uns doch fehlen, wenn hier nicht allmorgendlich um 5.40 Uhr die früheste Messe durch Pater Räder zelebriert würde? Wenn das Licht an seinem Beichtstuhl nicht leuchten und uns die wartende Liebe des himmlischen Vaters zeigen würde? Wenn der Jubilar nicht mit Rat und Tat so vielen, die hierher kommen, beistehen und sie mit dem berühmten Satz verabschieden würde: „Ich gebe Ihnen noch den Segen“?
Und wie groß wäre der Verlust für die Stätte der Gottesmutter, wäre nicht dieser Priester unter uns, der keine Gelegenheit umgeht, die Heilige Messe zu Ehren Mariens zu zelebrieren, ihr zum Lob Lieder anstimmen zu lassen und die Gläubigen anzueifern, sie anzurufen!
Das sind nur einige wenige Hinweise. Sie mögen uns mit Dankbarkeit erfüllen. Mit Dankbarkeit gegenüber Gott, der seinen Priester berufen, geweiht, mit reichen Gaben und mit Eifer ausgestattet hat. Und auch mit Dankbarkeit gegenüber dem Diener selbst, der sich zur Verfügung gestellt und der Gnade seiner Weihe, seiner Sendung treu geblieben ist. Gott vergelte es und segne Deinen weiteren Weg überreich, lieber hochwürdiger Jubilar!
Jetzt aber geht das Wirken weiter. Gleich wird wieder durch die heiligsten Worte der Gottmensch selbst unter uns gegenwärtig sein und sich durch die Hände des Priesters dem himmlischen Vater darbringen. Und dann warten auch heute Menschen auf die befreienden, lebenspendenden Worte: Ego te absolvo. P. Räder wird die Netze wieder auswerfen. So soll es lange noch weitergehen bis zum verdienten himmlischen Ruhestand.
Ist das Priesterleben nicht schön? Ja, it’s a wonderful life!
Den Film habe ich vor JAHREN gesehen, ist gut gemacht!
AntwortenLöschenEs war sehr lehrreich, in anzusehen.