Samstag, 17. Januar 2015

Was Er euch sagt, das tut!

Predigt von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad zum 2. Sonntag nach Erscheinung des Herrn (Evangelium: Jo 2,1-11)

Es mag vorkommen, daß jemand mit Recht seinen Geschäftspartner fragt: „Was habe ich denn mit Ihnen zu tun?“ Sagt er es aber ohne Grund, so liegt darin zumindest eine Unfreundlichkeit.

Bekommt man von einem nahestehenden Menschen, gar einem vertrauten Freund zu hören: „Was habe ich mit Dir zu tun?“, dann wiegt das bereits viel schwerer. Die Freundschaft kann durch eine derart lieblose Bemerkung belastet sein und sogar zerbrechen.

Wie schmerzlich aber mögen es erst gute Eltern empfinden, wenn ihnen die eigenen Kinder zu verstehen geben, daß sie mit ihnen nicht viel zu tun haben und haben wollen? Dieselbe Feststellung wird in einem solchen Fall zum Angriff auf die tiefsten und zugleich feinsten Bande, die Menschen miteinander verbinden können.

Und ausgerechnet dieses Wort spricht im heutigen Evangelium Jesus zu Seiner Mutter.

Die gläubigen, ehrfürchtigen Übersetzer mögen sich winden und wenden in dem Versuch, der Stelle einen harmloseren Klang zu geben. Etwa den einer rein informativen Frage: „Frau, was willst Du von mir?“ (Aber auch darin stört ja noch das reichlich befremdliche „Frau“ gegenüber der eigenen Mutter!) In Wirklichkeit steht es nun einmal unverrückbar im griechischen Urtext: tí emoì kaì soí, gýnai; – in der lateinschen Übersetzung: Quid mihi, et tibi est mulier? – und folglich in deutscher Wiedergabe (wörtlich): „Was ist Dir und mir, Frau?“ Das bedeutet: „Was ist zwischen uns, was haben wir miteinander zu tun?“

Überlegen wir doch einmal:
Sie, die Ihm durch die Zustimmung zur Botschaft des Engels den Weg in die Welt geöffnet hat;
sie, die dem größten aller Wunder in sich Raum gab, als Er in ihrem Schoß die menschliche Natur annahm und mit der göttlichen vereinte;
sie, die Ihm während neun Monaten gleichsam ein Tabernakel war und Ihn mit reinem Glauben, inniger Liebe umfing;
sie, die später von anderen selig gepriesen wurde, weil ihr Leib Ihn getragen und ihre Brust Ihn genährt hat;
sie, die Ihn in Armut und Entbehrung zur Welt brachte;
sie, der keine Mühe und Gefahr zu groß war für Ihn;
sie, die von Anfang an alles, was Er sagte und tat, liebevoll in ihrem Herzen bewahrte und erwog;
sie, die Ihm die ersten Worte und Schritte beibrachte;
sie, die Ihn, als Er verloren schien, mit Schmerzen suchte:
Maria, die Jesus mehr Liebe schenkte als sonst ein Mensch, muß nun dieses Wort hören: „Was ist zwischen uns, Frau?“

Lassen wir es in seiner ganzen Wucht und Fremdartigkeit stehen. Und versuchen wir dennoch etwas von dem zu erfassen, was damit gemeint ist. Der Herr kann ein solches Wort ja nicht leicht dahingesagt haben. Solches zu denken, verbietet sich von vornherein. Auch der nachfolgende Satz läßt erahnen, daß es um mehr geht: „Noch ist meine Stunde nicht gekommen.“
Und daß die Gottesmutter sich nicht von ihrem Sohn abgewiesen fühlt, geht allein schon aus der Tatsache hervor, daß sie jetzt, gerade jetzt die Initiative ergreift und sich an die Diener wendet: „Was Er euch sagt, das tut.“

Weshalb aber dieses Wort Jesu zu Seiner Mutter? Hätte Er ihr nicht sagen können: „Mutter, auch ich sehe, daß kein Wein mehr vorhanden ist. Wenn Du mich darum bittest, will ich dem Mangel gerne abhelfen“? Das hätte unseren Vorstellungen vielleicht zunächst mehr entsprochen.

Doch bereits ein oberflächlicher Blick in die Geschichte des Heils zeigt, daß es eine Art „Tradition“ für solchen scheinbar schroffen Umgang gibt. Wir erleben ihn bei den Propheten. Wie hart und scheinbar lieblos fährt beispielsweise Elias seinen Schüler Elisäus bei dessen Berufung an. Dieser möchte sich noch rasch von seinen Verwandten verabschieden. Da bekommt er zu hören: „Geh nur zurück, denn was habe ich mit dir zu tun?“ Später zeigt sich, wie viel die beiden miteinander zu tun haben.

Aber es verfährt ja Gott selbst manches Mal nicht anders mit denen, die Er für Besonderes auserwählt hat. Denken wir im Neuen Testament an das Verhalten Jesu gegenüber manchen Bittstellern, die Er zunächst von sich zu weisen scheint. „Es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hunden zu geben“, muß eine Mutter in großen Nöten hören, deren Glauben der Herr wenig später rühmen wird.

Ähnlich ergeht es dem heidnischen Hauptmann, dem Er zunächst den nicht sehr freundlichen Vorwurf macht: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.“ Als der Mann sich aber hartnäckig zeigt, wird er erhört und erhält sogar das Zeugnis, ein Glaube wie der Seine sei in Israel nicht zu finden.

Und ist es denn anders in den uns bekannten Leben großer Heiliger? Je mehr Einblick wir in ihr Inneres haben, desto häufiger sehen wir sie in der Lage des scheinbar nicht Erhörten, ja des von Gott Abgewiesenen und Verstoßenen.

Sogar der Heiligste aller Heiligen, Jesus Christus selbst, hat, obwohl Er der ewige Sohn ist, zu einer Stunde – Seiner Stunde! – mit den Worten des Psalms gerufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen!“

Hier kann es nicht einfach um eine pädagogische Lektion gehen. Gott treibt auch keine mutwilligen Spielchen mit uns Menschen. Er verfährt gerade dort so, wo Er einen Menschen besonders für Seine Pläne gebrauchen will. Wenn Er ihn sozusagen für einen Moment draußen stehen läßt, dann nur, um ihn sogleich ganz besonders mit Sich selbst und Seinem Wirken zu vereinigen.

Die Gottesmutter verhält sich bei der Hochzeit zu Kana sogleich richtig angesichts des Satzes: „Was habe ich mit Dir zu tun, Frau?“ Sie lehnt sich nicht auf, läßt sich aber auch nicht abweisen. Vielmehr faßt sie das Wort Jesu als Anruf auf, sich nun um so fester, entschlossener, ja kühner zu zeigen. Zwar ist die entscheidende Stunde noch nicht gekommen. Aber gerade im Hinblick auf diese Stunde hin bewährt sie sich schon jetzt. Und wird darin bestätigt. Das Wunder geschieht.

Welches aber ist diese geheimnisvolle Stunde, von der Jesus spricht? An einer anderen Stelle nennt Er Maria nochmals „Frau“, nämlich vom Kreuz herab: „Frau, siehe da, Dein Sohn!“Frau“ klingt hier nicht mehr wie die Anrede irgendeiner Frau auf der Straße. Es ist das Wort des Gatten zur Gattin. Jetzt, unter dem Kreuz, ist Maria die „Frau“ im uranfänglichen Sinne des Paradieses. Dort gab Gott gab dem Adam die Frau als Gehilfin.

Maria steht also nicht mehr nur als irgendein gläubiger und am Leiden Christi mitleidender Mensch unter dem Kreuz. Sie ist vielmehr tätig in das Geschehen einbezogen. Sie wirkt mit, unterstützt sozusagen wie eine Ehegattin ihren Mann bei dem schwersten Werk, das Er zu vollbringen hat. Mit Ihm geht sie in die äußerste Finsternis scheinbaren Verworfenseins ein. Und gerade dort empfängt sie – als die erste Frucht Seines Opfertodes – Johannes zum Sohn. Johannes, den ersten ihrer vielen Söhne und Töchter der Gnade nach!

Und von hier aus fällt nun auch ein helles Licht auf das Ereignis von Kana: Schon da ist Maria die Frau und Gehilfin. Auf ihr Betreiben hin verwandelt der Herr Wasser in Wein. Er schenkt dem Wasser sozusagen eine neue, höhere, „übernatürliche“ Qualität, so wie er uns vom Kreuz herab das neue, höhere, übernatürliche Leben schenkt. In beiden Fällen aber ist Maria innigst in den Vorgang einbezogen als Mittlerin und Mitwirkende.

Was habe ich mit Dir zu tun?“ Dieses Wort des Herrn an Seine Mutter wurde zur Erprobung gesprochen, um die Festigkeit und Unnachgiebigkeit ihres Anhangens an Ihn herauszustellen. Und es ist zugleich die Aufforderung an uns, uns nicht in unserem Bitten beirren zu lassen.

Wir sollen auch wir wissen, daß wir in Momenten, in denen wir uns ohne das Bewußtsein einer bestimmten Sünde von Gott abgewiesen fühlen; in Zeiten, in denen Gebete lange keine Erhörung finden und ein Einsatz für die Sache des Herrn sich nicht mehr zu lohnen scheint, - daß wir uns gerade in solchen Augenblicken Seiner Macht, die in unserer Unfähigkeit zur Vollendung gelangen will, bedienen dürfen.

Maria ist uns auch darin Vorbild und Helferin. Wenn wir uns so verhalten, fordern wir wie sie unseren Herrn und Gott heraus zu immer größeren Wundertaten in unserem Leben und in dem anderer. Rufen wir als scheinbar von Ihm Abgewiesene dennoch mit dem Patriarchen Jakob: „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!“, so wird Gott wie in Kana neu Seine Herrlichkeit an uns offenbaren. 


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