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Dienstag, 20. Januar 2015

In & Out

Es wird komplizierter in der Kirche durch das "Hausrecht des Unglaubens" und das latente Schisma wird immer offensichtlicher:
Gründe, nicht mehr in der Kirche zu sein, gibt es heute viele und gegensätzliche. Der Kirche den Rücken zu kehren, fühlen sich heute nicht mehr bloß Menschen gedrängt, denen der Glaube der Kirche fremd geworden ist, denen die Kirche zu rückständig, zu mittelalterlich, zu welt- und lebensfeindlich erscheint, sondern auch Menschen, die die geschichtliche Gestalt der Kirche, ihren Gotesdienst, ihre Unzeitgemäßheit, den Widerschein des Ewigen in ihr liebten. Ihnen scheint, dass die Kirche dabei ist, ihr Eigentliches zu verraten, dass sie dabei sei, sich an die Mode zu verkaufen und damit ihre Seele zu verlieren: Sie sind enttäuscht wie ein Liebender, der den Verrat einer großen Liebe erleben muss und erwägen ernstlich, ihr den Rücken zu kehren.

Umgekehrt gibt es aber auch recht gegensätzliche Gründe, in der Kirche zu bleiben: In ihr bleiben nicht nur alle die, die unentwegt den Glauben an ihre Sendung festhalten, oder jene, die sich von einer lieben, alten Gewohnheit nicht lösen wollen (selbst wenn sie von dieser Gewohnheit wenig Gebrauch machen). In ihr bleiben heute mit größtem Nachdruck auch diejenigen, die ihr ganzes geschichtliche Wesen ablehnen und den Inhalt, den ihre Amtsträger ihr zu geben oder festzuhalten versuchen, mit Leidenschaft bekämpfen. Obwohl sie das, was die Kirche war und ist, beseitigen wollen, sind sie entschlossen, sich nicht aus ihr hinausweisen zu lassen, um aus ihr das zu machen, was sie ihrer Meinung nach werden soll.


aus: Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI.: Credo für heute; Was Christen glauben; Herder spektrum Bd. 5683; Herder Verlag Freiburg im Br.; AD 2006; S. 190f, aus: Das Credo der Kirche - Warum ich noch in der Kirche bin, in: Hans Urs von Balthasar/ Joseph Ratzinger, Zwei Plädoyers. Kösel-Verlag, München 1971, S. 57-75


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