Jüngstes Interview mit Papst Franziskus
Das neueste Interview des Papstes vom 07. Dezember 2014 in der argentinischen Publikation "La Nacion" (hier; eine Zusammenfassung von Radio Vatikan hier) führt offensichtlich zu zahlreichen Irritationen. Besonders wenn es um die Bischofssynode 2014/2015 geht und über die Umstände der Abberufung von Raymond Leo Kardinal Burke als Präfekt des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur, stellt sich beim informierten Leser ein nicht geringes Unbehagen ein.
Zur Causa Burke hat sich hier der Blogger Theodor Gedanken gemacht. Zur Aussage von Papst Franziskus, es gebe einige Bischöfe, die stur auf ihrer Überzeugung beharren würden und für die man um den Heiligen Geist beten müsse, damit sie sich bekehren (1), haben (hier) clamormeus und Geistbraus (hier) einige grundsätzliche Überlegungen über die Mentalität des Papstes angestellt.
Zum Papst-Interview vom 07.12.2014 s. auch den Kommentar von Regina Einig in der "Tagespost" (Nr. 146 vom 8./9.12.2014; S. 2).
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Interview von Guido Horst mit dem Kirchenhistoriker Walter Kardinal Brandmüller
Sozusagen gleichzeitig, am Samstag, den 06. Dezember 2014, veröffentlichte die katholische Zeitung "Die Tagespost" ein Gespräch des Vatikankorrespondenten Guido Horst mit dem in Rom lebenden
Kirchenhistoriker Walter Kardinal Brandmüller. Brandmüller spricht u. a. über die vergangene Außerordentliche Bischofssynode, über das Niveau der theologischen Ausbildung des letzten halben Jahrhunderts und über eine "schleichende Lagerbildung" innerhalb der Kirche über die Frage, ob und in welchem Maße sich die Kirche der "Welt", d.i. die von Ideologien geprägten Gesellschaft, anpassen solle oder eben Widerstand zu leisten habe indem sie diese moderne Welt mit der Botschaft des Evangeliums herausfordere.
Brandmüller bringt die Situation, in der wir heute stehen, auf den Punkt: Wir erleben das Wiederauflodern der von der Kirche verurteilten Irrlehre des Modernismus. Bisher war es in der Kirche - vor allem durch die beiden Weltkriege und deren Auswirkungen - nicht gelungen, die Geistesströmung des Modernismus umfassend aufzuarbeiten und zu bewältigen: die glaubenszerstörende Glut schwelte, immer wieder züngelnd, weiter.
Liest man die Enzyklika "Pascendi Dominici gregis" des heiligen Papstes Pius X. über die Lehren der Modernisten, so ist nicht zu übersehen, wie brandaktuell diese Themen gerade jetzt wieder sind. Es empfiehlt sich daher, die Dokumente des kirchlichen Lehramtes über den Modernismus zu studieren und zu rezipieren...
(1) OT im spanisch-sprachigen Original: "Usted me puede preguntar: "Pero, ¿hay algunos que son completamente
tercos en sus posturas?". Y, sí, alguno habrá. Pero eso no me preocupa.
Es cuestión de rezar para que los convierta el Espíritu, si es que hubo
algunos de ésos."
und in der englisch-sprachigen Ausgabe von "La Nacion":"You could ask me "are there any that are completely stubborn and won´t move from their positions?". Yes, there surely are. But that is not my concern. It´s a question of praying for the Holy Spirit to convert them, if any."
und in der englisch-sprachigen Ausgabe von "La Nacion":"You could ask me "are there any that are completely stubborn and won´t move from their positions?". Yes, there surely are. But that is not my concern. It´s a question of praying for the Holy Spirit to convert them, if any."
Kardinal Brandmüller im Gespräch mit Guido Horst:
"Die Vorstellung, man könne pastorale Praxis von der Glaubenslehre trennen, ist genauso absurd wie die Idee, man könne die architektonisch- künstlerische Gestaltung einer Brücke ohne Berücksichtigung der statischen Berechnungen umsetzen."
"Dass in Lehre und Praxis der Kirche von heute wahr sein könnte, was gestern Irrtum war, ist undenkbar, wenn wir an das Wirken des Heiligen Geistes glauben, der die Kirche in alle Wahrheit einführt. Auf die Lebenswirklichkeit der heutigen Gesellschaft einzugehen und zu antworten, ist damit keinesfalls ausgeschlossen, sondern selbstverständlich und notwendig. Allerdings kann dieses niemals dazu führen, dass Lehre und Praxis der Kirche dem jeweiligen Mainstream angepasst werden."
Brandmüller erinnerte an den Satz, den Augustiner-General Egidius von Viterbo in der Eröffnungsrede zum 5. Laterankonzil gesagt habe: "Es gelte nicht, das Heilige dem Menschen anzupassen, sondern die Menschen dem Heiligen." Ebenso verwies der Kirchenhistoriker auf die johanneischen Schriften des Neuen Testamentes, in denen ausdrücklich ein "notwendige(r) Kontrast zwischen 'dieser' Welt' und dem Reich Gottes'" konstatiert werde. Diese neutestamentliche Sichtweise sei bei den Auseinandersetzungen um die Richtung der Kirche "dem Blick entschwunden" gewesen.
"Worum es also gehen muss ist dies: Den heute lebenden Menschen einsichtig zu machen, dass die in der leib-geistigen Natur des Menschen begründeten Normen des natürlichen Sittengesetzes den einzigen Weg zu einem geglückten Leben weisen – noch bevor von der Botschaft des Evangeliums die Rede ist."
"[...D]ieses Problem (Anm.: der Lagerbildung) hatte schon das Erste Vatikanum beschäftigt. Dabei bestand der Gegensatz zwischen jenen, die eine nicht risikolose Anpassung, und den anderen, die Konfrontation für geboten hielten. Diese Spannung wurde nicht gelöst, sie setzte sich in der Modernismuskrise um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert fort."
"Inwiefern die bekannten Forderungen bezüglich Homosexualität, Scheidung und Wiederheirat eigentlich modernistische Wurzeln haben, wäre im Einzelnen zu prüfen. Möglicherweise sind sie nur Äußerungen des Zeitgeistes. Jedenfalls aber ist die Auffassung, dass sich die Glaubens- und Sittenlehre der Kirche ändern könne, eindeutig modernistisch. Schon das Erste Vatikanische Konzil hat in seiner Konstitution „Dei Filius“ diese Ansicht eindeutig verurteilt."
"Grundlage für die Lehre der Kirche ist die von den Aposteln empfangene und von ihnen weitergegebene Offenbarung Jesu Christi. „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe“, sagt der Apostel Paulus. An dieses Glaubensgut stellt nun jede Zeit ihre spezifischen Fragen und es waren namentlich die Konzilien, die unter der Leitung des Heiligen Geistes darauf ihre Antwort gaben. Dies gewiss in der Sprache und mit den Begriffen ihrer jeweiligen Zeit, doch in bruchloser Übereinstimmung mit der überlieferten Wahrheit."
Quelle: Die Tagespost, 06.12.2014, Nr. 145, S. 5
s. auch:
Lehramtliche Dokumente:
- Dogmatische Konstitution "Dei Filius" (1870)
- Enzyklika "Pascendi Dominici gregis" (1907) von papst Pius X.
- Dekret "Lamentabili" (1907)
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