Grundlagen der Erneuerung einer angemessenen Kirchenmusik
Inspiriert vom Geistbraus, der die zeitgenössische Kirchenmusik beleben retten und mit sphärischen Harmonien Großes schaffen möchte, versuche ich für mich selbst einmal, die Grundlagen liturgischer Musik freizulegen. Sicher mehr als ein Aspekt findet sich zu diesem Thema in einem Beitrag von Joseph Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., aus dem Jahre 1980. Daraus ein Zitat, das Wesentliches aufzeigt:
Man hat im Judentum immer, auch nach der Zerstörung des Tempels festgehalten, dass die Herrlichkeit Gottes nur im Tempel von Jerusalem weilt. Die Christen sind demgegenüber der Auffassung, dass Gottes Herrlichkeit bei der Kreuzigung Christi, als der Vorhang des Tempels zerriss, von dort auszog und nun da weilt, wo Jesus Christus ist, also im Himmel und in der Kirche, die sich mit Christus versammelt.
Demgemäß werden jetzt Himmel und Erde als Ort des Lobgesangs angegeben (1). Das aber bedeutet, dass die Kirche nun doch etwas ganz anderes ist als die Synagoge, die im Judentum nach der Zerstörung des Tempels übrig blieb und nie den Tempel ersetzen wollte und konnte.
Die Synagoge ist der Ort eines reinen Laiengottesdienstes, der als solcher auch ein reiner Wortgottesdienst ist. Wer die Kirche auf Laiengottesdienst und Wortgottesdienst reduzieren möchte, der betreibt nicht das christlich Neue, sondern der setzt sie mit der Synagoge gleich und lässt gerade den Weg zu Christus aus.
Als Kirche übernimmt sie mit Christus in einer veränderten Weise auch das Erbe des Tempels; liturgisch drückt sich dies darin aus, dass sie nicht nur zu Lesung und Gebet, sondern zum eucharistischen Opfer zusammenkommt. Aber das heißt dann auch, dass sie in der Gestalt ihrer Feier Anspruch auf das Erbe des Tempels erheben darf und muss. Das bedeutet, dass die kirchliche Liturgie, die nun den Kosmos als Tempel betrachtet, selbst kosmischen Charakter haben, den Kosmos zum Klingen bringen muss. (...)
(1) vgl. E. Peterson, Von den Engeln, In: ders. Theologische Traktate. München 1951, S. 323-407, hierzu 356
und Kardinal Ratzinger resümiert:
Liturgie verlangt die aus dem Geist des Glaubens kommende künstlerische Transposition der Musik des Kosmos in die menschliche Musik der Verherrlichung des fleischgewordenen Wortes. Solche Musik folgt einem strengeren Gesetz als die Musik des Alltags, sie ist dem Wort verpflichtet und der Führung zum Geist.
Kirchenmusik muss daher immer wieder in einem Ringen nach zwei Seiten hin ihren Weg suchen: Sie muss dem puritanischen Hochmut gegenüber die notwendige Inkarnation des Geistes im musikalischen Geschehen rechtfertigen; sie muss der Alltäglichkeit gegenüber die Richtung des Geistes und des Kosmos auf das Göttliche suchen.
Wo solches gelingt, ist es allemal ein Geschenk; aber das Geschenk wird nicht gegeben ohne die Bereitung, die wir ihm durch unsere Mühe entgegenbringen. Wo solches geschieht, wird aber vor allem nicht bloß ein unverbindliches Hobby ausgeübt , sondern eine notwendige Dimension des Christusglaubens gelebt und darin zugleich eine notwendige Dimension des Mensch-Seins festgehalten, ohne deren Gegenwart Kultur und Humanität von ihrer Mitte her unaufhaltsam zerfallen.
Joseph Kardinal Ratzinger: "Grundlegung der Kirchenmusik im Wesen der Liturgie" in "Theologische Probleme der Kirchenmusik"; Musicae sacrae ministerium; Anno XXVI-XXVII, No. 1&2: Congressus Generalis Augus. Vindelicorum a die 31 m. Maii usque ad diem 3 m. Iunii A.D. 1990 (Nachdruck aus Communio 9/2 (1980), 148ff)
Ensemble "Sonoritas", Innsbruck:
+ + +
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen