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Montag, 21. Juli 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 42: Das Kirchenvolksbegehren von 1995

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie


Teil 42


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


Fortsetzung von hier

§  14  Das sogenannte Kirchenvolksbegehren

Neben den von den Bischöfen eingeführten demokratischen Strukturen gibt es die Basisdemokratie, die sich von den Bischöfen emanzipiert hat. Sie wird von progressistischen Theologen gesteuert und hat ihren vorläufigen Höhepunkt in dem sogenannten "Kirchenvolksbegehren" (Anm.: von 1995) (1) gefunden.

I.  Inhalt und Beurteilung

1.  Inhalt

Der Inhalt des Volksbegehrens ist "eine bewusst unklar gehaltene demagogische Mischung aus Selbstverständlichkeiten, Zweideutigkeiten und einigen Forderungen, die mit dem katholischen Glauben schlicht unvereinbar sind" (2). Manche Äußerungen, die in dem Kirchenvolksbegehren enthalten sind, lassen sich richtig verstehen; aber im Mund der Initiatoren und Propagandisten des Volksbegehrens sind sie mit Sicherheit falsch gemeint. Die aufgeworfenen Fragen sind längst erschöpfend und schlüssig beantwortet, aber den Initiatoren passt die Antwort nicht. Deswegen treten sie an zum Umsturz des Gefüges Kirche.

a) Glaube

Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Initiatoren den katholischen Glauben in wesentlichen Punkten zerstören wollen. Wer Erbsünde, Gericht und Verdammnis aus dem katholischen Bekenntnis streichen will (3), der hat sich vom katholischen Glauben verabschiedet. Wenn die Kirche alles das abschaffen wollte, was heute angeblich oder wirklich nicht mehr verstanden wird, bliebe vom Christentum nicht mehr viel übrig.

"Die Forderungen des Kirchenvolksbegehrens sind nichts anderes als die Symptome einer Glaubenskrise" (4). Leo Scheffczyk hat zu dem Kirchenvolksbegehren festgestellt, "dass es sich hier um eine totale Verkehrung des katholischen Glaubens handelt und um eine Zuspitzung der jahrzehntelangen Glaubenskrise, die nun zu einer nicht mehr zu leugnenden inneren Spaltung der Kirche dieses Landes geführt hat" (5). Kurt Krenn schrieb richtig: "Es steht die Unversehrtheit des Glaubens und die Identität der römisch-katholischen Kirche auf dem Spiel" (6).

b)  Sittlichkeit

Das Kirchenvolksbegehren steht im Dienst der Entschärfung der Botschaft Jesu Christi, es ist ein Unternehmen zur Herstellung größtmöglicher Bequemlichkeiten auf Erden. Sein Ziel ist der Abbau alles Beschwerlichen im Glaubensbekenntnis, in der Sittenlehre und in der Disziplin der Kirche. Was die Masse der Menschen begehrt, weiß man, bevor sie ihr Begehren äußern.

Die Kirchenvolksbegehrer wollen es den Katholiken abnehmen, sich als Katholiken behaupten zu müssen. Wer Warnungen und Hinweise auf die bevorstehenden Übel als Drohungen auffasst, der mag dies tun. Nur richtet sich dann sein Vorwurf gegen den Begründer der christlichen Religion.

Den Kirchenvolksbegehrern ist der Gott des Christentums verlorengegangen. Sie haben sich einen Gott nach ihrem eigenen Bilde geschaffen. Das Kirchenvolksbegehren ist eine Neuauflage des Abfalls der Israeliten von Jahwe und der Zuwendung zum goldenen Kalb.

Hinter dem Schlagwort von der "positiven Bewertung der Sexualität" steht der sexuelle Libertinismus, verbirgt sich nach Robert Spaemann "weltfremde Häresie" (7). Nicht die kirchliche Verkündigung ist auf die Sexualmoral fixiert, sondern die Phalanx ihrer Gegner. "Wenn die Autoren die eindeutige und exklusive Hinordnung der menschlichen Sexualität auf die Ehe im Christentum als einen zu hohen Anspruch ablehnen, dann sollen sie das sagen" (8).

Die Propagierung naturwidriger Empfängnisverhütung, vor- oder außerehelichen Geschlechtsverkehrs und homosexueller Betätigung ist nicht positive Bewertung der Sexualität, sondern Verkehrung der Schöpfungsordnung.

c)  Kirchenverfassung

Das Kirchenvolksbegehren ist der organisierte Aufstand gegen Glauben und Verfassung der Kirche. Die Forderung, die angeblich bestehende "Kluft" zwischen Klerus und Laien zu beseitigen, kann wohl nur dahin verstanden werden, die Struktur der Kirche zu zerstören. Denn in dieser Kirche liegt nun einmal die Leitung beim Klerus.

Mit der "Überwindung der Kluft zwischen Klerus und Laien" ist nicht weniger angezielt als die Eliminierung des sakramental-hierarchischen Priestertums, das nach dem letzten Konzil "dem Wesen nach" vom allgemeinen Priestertum verschieden ist (Lumen gentium Nr. 10).

Wer nicht mehr weiß, was eine sakramentale Weihe ist, vermag allerdings keinen Unterschied zwischen Geweihten und Nichtgeweihten zu erkennen. Hinter dem Begriff der "geschwisterlichen" Kirche verbirgt sich die Attacke auf das Amt göttlichen Rechtes. Übrigens steht die Macht der Räte zu der geschwisterlichen" Kirche, die sich durch herrschaftsfreie Beziehungen auszeichnen soll, im Widerspruch. Wenn es nur noch Gleiche gibt, dann können nicht die Mitglieder des Pfarrgemeinderates Bestimmungen über andere treffen.


II.  Die Wurzeln des Begehrens

1.  Die progressistischen Theologen

Das Kirchenvolksbegehren ist nicht dem gläubigen Volk entsprossen. Hinter ihm stehen vielmehr Theologen, die Falsches lehren.

Das Kirchenvolksbegehren ist der vorläufige Höhepunkt der seit Jahrzehnten ungestörten Wirksamkeit der progressistischen und modernistischen Theologen; die Aktion ist ihr Werk. Die beiden Initiatoren des Kirchenvolksbegehrens in Österreich und Deutschland, Thomas Plankensteiner und Christian Weisner, wurde nicht umsonst der Preis des abgefallenen Theologen Herbert Haag verliehen (9). Die Initiatoren sind verführte Verführer. Zahlreiche Theologen haben ihnen Beifall gespendet und die Menschen zur Unterstützung aufgerufen.

Die Theologen Fuchs, Mette, Greinacher und Steinkamp begrüßten die Zustimmung zu dem Kirchenvolksbegehren und sahen darin eine Parallele zu dem Aufstand gegen das Regime in der DDR (10). Wer die Namen Küng, Drewermann, Greinacher, Zulehner, Eicher und Mette als Befürworter liest, weiß, wohin die Reise geht. "Die alten Geister des Modernismus" (11) kehren zurück und wollen sich durchsetzen.

Bei diesem Begehren wird aus dem Volke heraus gefragt, was die progressistischen und modernistischen Theologen seit Jahrzehnten pausenlos und ohne die Behinderung durch die Bischöfe in das Volk hineingerufen haben, was sogenannte katholische Verlage seit Jahrzehnten an Publikationen in das Volk geworfen haben, die den Glauben zersetzen, die Sittenordnung zerstören und das Recht der Kirche entnerven, was aus sogenannten Katholischen Akademien und sogenannten katholischen Bildungsanstalten an Verführung in das katholische Volk geträufelt worden ist.

2.  Protestantismus

Alle Feinde und Gegner der Kirche stimmten dem Volksbegehren zu. Der "Spiegel" witterte Morgenluft. Die Altkatholiken boten sich offen an als Heimstätte für unzufriedene Katholiken. Selbstverständlich wurde das Kirchenvolksbegehren von protestantischer Seite begrüßt (12). Das ist begreiflich. Denn das Unternehmen nährt sich zur Gänze aus protestantischen Vorstellungen und führt zu protestantischen Verhältnissen; es besorgt die Geschäfte des Protestantismus.

Alle Punkte des sogenannten Volksbegehrens tendieren zum Protestantismus. Die sogenannten Reformer haben keinen einzigen selbständigen Gedanken hervorgebracht; alle ihre Aufstellungen sind Anleihen beim Protestantismus. Nicht zuletzt der massiv betriebene Ökumenismus hat das katholische Volk anfällig gemacht für die Forderungen des Kirchenvolksbegehrens.


( 1)  Aus der beträchtlichen Literatur erwähne ich "Wir sind Kirche". Das Kirchenvolks-Begehren in der Diskussion; Freiburg i. Br. 1995
( 2)  Rheinischer Merkur Nr. 46 vom 17. November 1995 S. 26
( 3)  Deutsche Tagespost Nr. 4 vom 9. Januar 1996 S. 9
( 4)  Deutsche Tagespost Nr. 153 vom 23. Dezember 1995 S. 9
( 5)  Plettenberg, Die Saat geht auf 223
( 6)  Der Fels 27, 1996, 57
( 7)  Rheinischer Merkur Nr. 46 vom 17. November 1995 S. 26
( 8)  Rheinischer Merkur Nr. 46 vom 17. November 1995 S. 26
( 9)  Der Fels 27, 1996, 56
(10)  Fuchs u. a., Das Neue wächst 163-165
(11)  Deutsche Tagespost Nr. 153/4 vom 23. Dezember 1995 S.4
(12)  Materialdienst 146, 1995, 105f


Fortsetzung folgt


Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen


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Einige Früchte aus dem Geist des Kirchenvolksbegehrens:

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