Die andere Hierarchie
Teil 32
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
Fortsetzung von hier
§ 9 Die Gemeindereferenten
Bis
vor ca. 40 (Anm.: nunmehr ca. 57) Jahren waren Hilfspriester, Vikare
oder Kapläne genannt, die selbstverständlichen Gehilfen des Pfarreres
bei der Ausübung der Seelsorge. An seiner Seite und unter seiner
Anleitung wuchsen sie in die Aufgaben hinein, die sie einmal bei
Übernahme eines Pfarramtes selbständig übernehmen sollten.
In
der nachkonziliaren Kirche finden sich auch noch Kapläne, aber sie sind
selten geworden. An ihre Stelle haben die deutschen Bischöfe andere
Personen gesetzt. Der Priestermangel, an dem die Bischöfe und die
progressistischen und modernistischen Theologen die Hauptschuld tragen,
war der Anlass, sich nach Hilfe für die verbliebenen Priester,
vielleicht auch nach Ersatz für die Priester umzusehen. Es entstanden
die neuen kirchlichen Berufe der Gemeinderferenten und
Pastoralreferenten.
I. Einrichtung und Berufsbild
Die
Einrichtung der Gemeindereferenten konnte auf ältere Vorgänger wie die
Seelsorgehelferinnen zurückgreifen. Die Ausbildung erfolgte vor dem
Konzil in kirchlichen Seminarien. Danach wurde sie vielfach an
kirchliche Fachhochschulen verlegt.
Heute werden die
Gemeindereferenten in theologischen Fachschulen, Seminarien oder
Fachhochschulen ausgebildet. Das Rahmenstatut und die Rahmenordnung für
die Gemeindereferenten in den Bistümern der Bundesrepublik Deutschland
stammt vom 10. März 1987. Danach sind Gemeindereferenten für den Dienst
in den Gemeinden bestimmt. Sie sollen die kirchlichen Amtsträger -
gemeint sind wohl die Priester - unterstützen. (Anm.: Das Rahmenstatut vom 10. März 1987 wurde ersetzt durch die "Rahmenstatuten und -ordnungen für Gemeinde- und Pastoral-Referenten/Referentinnen" vom 01. Oktober 2011, hier als pdf.)
Die
Gemeindereferenten sollen mitwirken bei den Grunddiensten der
Gemeindepastoral und mit wenigstens einer besonderen Aufgabe selbständig
betraut werden; bei der letzteren kommt ihnen "Eigenverantwortlichkeit"
zu. Der Gemeindereferent kann zusätzlich auch zur Übernahme der einen
oder anderen Aufgabe des kirchlichen Amtes herangezogen werden.
Die
Einsatzebene der Gemeindereferenten ist normalerweise die
Pfarrgemeinde. In der Regel soll dies eine mittlere oder größere
Pfarrgemeinde sein. Dort sollen sie in Verkündigung, Gottesdienst und
Diakonie tätig werden.
Die Satzung für die
Gemeindereferenten sieht vor, dass sie einem für die Leitung
verantwortlichen Priester unterstehen. Der verantwortliche Priester ist
der unmittelbare Vorgesetzte des Gemeindereferenten. Dieser ist an
dessen Weisung gebunden. Den Gemeindereferenten steht ein voller freier
Tag in der Woche zu sowie ein freier Samstag und Sonntag im Monat.
II. Beurteilung
Gegen
die Mithilfe geeigneter und williger Leien in der Seelsorge des
Pfarreres ist nichts einzuwenden. Unter den Gemeindereferenten waren und
sind, sofern sie nicht während oder nach ihrer Ausbildung
progressistisch verfremdet wurden, relativ viele gutwillige und
diensteifrige Personen, denen an der Kirche und deren Wohlsein etwas
liegt.
Doch höre ich immer wieder von Pfarrern, dass
sie danach trachten, ihre wirklichen oder angeblichen Befugnisse
möglichst auszuschöpfen oder auszudehnen. Ebenso wird geklagt, dass
viele von der progressistischen Theologie stark beeindruckt und
beeinflußt sind und danach ihre Tätigkeit ausrichten.
Die
Gemeindereferenten stehen den Aufstellungen der kranken Theologie noch
ungeschützter und hilfloser gegenüber als die Priester. Von der
"qualifizierten Ausbildung" von Laien, die Theologie studiert haben, von
der die deutschen Bischöfe in ihrem Papier "Der pastorale Dienst in der
Pfarrgemeinde" sprechen (I1,4), halte ich wenig. In den meisten Fällen
ist diese Ausbildung wenig gründlich, lückenhaft und verwirrend.
Zu
den Tätigkeitsfeldern der Gemeindereferenten sind einige Fragen zu
stellen. Man darf - wie bei jeder Beschreibung von Amtsaufgaben - nicht
vergessen, dass die Kataloge erforderlicher oder erwünschter Tätigkeiten
häufig lediglich auf dem Papier stehen. Die Wirklichkeit weist dagegen
schwere Defizite auf. So wird den Gemeindereferenten u. a. die Aufgabe
übertragen, Einzelgespräche zu führen und Hausbesuche zu machen. In
welchen Pfarreien geschieht dies systematisch, konsequent und
ausdauernd? Die Gemeindereferenten sollen Besuchsdienste, auch
Krankenbesuchsdienst durchführen. Ich frage wiederum: In wievielen
Pfarreien wird diese Aufgabe ernsthaft und über lange Zeit in Angriff
genommen?
Soweit mein Blick reicht, wenden sich die
Gemeindereferenten fast ausschließlich der immer mehr
zusammenschrumpfenden Zahl der praktizierenden Katholiken zu. Zum
Ausgreifen auf die unermessliche Menge der abständigen und abgefallenen
Christen fehlen ihnen Motivation, Anleitung und Kraft in gleicher Weise.
So bleibt die Chance, die theologisch gebildete hauptamtlische Laien
einer missionarischen Seelsorge bieten könnten, ungenutzt.
Fortsetzung folgt
Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen
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