Die andere Hierarchie
Teil 30
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
Fortsetzung von hier
VI. Tätigkeit
Weil
viele Priester nicht mehr um ihre Stellung als Haupt und Hirt ihrer
Gemeinde wissen, legen sie keinen Wert darauf, sich als solche zu
erweisen.
Ohne Notwendigkeit haben sie sich bei vielen
Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit das Heft aus der Hand nehmen lassen.
Aus Gutmütigkeit, Feigheit oder Schwäche haben sie zugesehen oder
mitgemacht, wie das größte Heiligtum unserer Kirche durch Mätzchen und
Spielereien verunstaltet wurde.
Es gibt in unserer
Kirche Ansichten und Unternehmungen, die zu der Frage berechtigen, ob es
sich noch um die Stiftung Jesu Christi oder um ein Tollhaus handelt.
"Die Kirche wird nicht dadurch zur Volkskirche, dass sie den billigen
Jakob macht. Sie zieht sich dadurch nur Verachtung zu" (38).
Man
kommt um das Urteil nicht herum: Die Kirche ist unfähig geworden, in
ihrem eigenen Innern Übereinstimmung über das Wesentliche und
Unerlässliche ihes Glaubens herzustellen. Ein übergroßer Teil des Klerus
trägt Mitverantwortung für diese Entwicklung. Er hat sie geduldet und
gefördert.
Viele Priester sind aszetisch und spirituell
auf einer niedrigen Stufe angelangt. Das pausenlose Reden im
Gottesdienst lässt sie nicht mehr zu Innerlichkeit und Sammlung kommen,
verhindert das persönliche Gespräch mit unserem Gott und Heiland. So
werden sie geistlich ausgelaugt und ausgehöhlt.
Der
Ausfall wesentlicher priesterlicher Tätigkeiten lässt so manchen
Priester an Sinn und Nutzen seines Berufes zweifeln. Wer nicht mehr
regelmäßig einer größeren Zahl von Gläubigen das Sakrament der
Versöhnung spendet, verliert ein Stück seiner priesterlichen Identität.
Er ist, wie man heute sagt, frustriert. Aus dem Unbefriedigtsein mit dem
(verbleibenden) priesterlichen Tun kann es leicht zur Suche nach
Ersatz-befriedigung kommen.
In der Verkündigung vieler
Priester ist der Ernst des christlichen Lebens nicht mehr zu spüren. Sie
machen den Menschen nicht mehr klar, dass es hierbei um Leben und Tod,
um Zeit und Ewigkeit, um Himmel und Hölle geht. Sie wagen es nicht mehr,
ihnen zu sagen, dass das Leben ein Kampf ist zwischen Gut und Böse,
Gott und Satan.
In der Verkündigung dieser Priester ist
fortwährend nur von angehehmen und harmlosen Gegenständen die Rede. Der
Ruf zu Umkehr und Bekehrung ist kaum noch zu vernehmen. Viele Priester
wollen sich nicht durch eine am Evangelium ausgerichtete eindeutige
Vekündigung unbeliebt machen. Es ist die Eigenart schwacher Männer, dass
es ihnen vor allem darauf ankommt, beliebt zu sein. Der Klerus ist
freilich auch eingeschüchtert durch die Pressionen der Progressisten in
fast jeder Gemeinde.
Der allergrößte Teil des Klerus
weiß nicht mehr, was missionarische Seelsorge ist. Das Heer der
Randchristen ruft nach Heimholung in die Gemeinden. Doch dies geschieht
nicht. Wenn ich Priester auf die hohen Zahlen der Kirchenaustritte
hinwies, bekam ich gewöhnlich achselzuckend zur Antwort: "Anderswo ist
es auch so." An die Aufgabe, Abständige und Abgefallene zu Glauben und
Kirche zurückzuholen, wagt sich kaum jemand.
Schluss (von § 7)
Das
Priestertum der Kirche ist in einer lebensbedrohenden Krise. Das
Hochkommen der anderen Hierarchie wäre nicht möglich gewesen ohne den
Niedergang des Priestertums in unserer Kirche. Eine Elite geht niemals
durch Angriffe von außen, sondern allein durch Fäulnis im Inneren
zugrunde. "Die Stellung, welche der berechtigte Inhaber ungenützt lässt,
nimmt sofort ein unberechtigter ein" (39). Die Schwäche des
Priesterstandes war das Einfallstor für alle die Erscheinungen, die auch
im pfarrlichen Bereich zum Aufbau einer neuen Hierarchie geführt haben.
Die
Priester, die nicht mehr das Kreuzesopfer erneuern, sondern bloß das
brüderliche Mahl halten, sie sind es, die der anderen Hierarchie zu
Macht und Einfluß verholfen haben. Die Priester, die sich nicht mehr als
Opferpriester, sondern bloß als Gemeindeleiter verstehen, sie sind es,
die der anderen Hierarchie die Bahn geöffnet haben.
(38) Robert Spaemann, in: Plettenberg, Die Saat geht auf 90
(39) Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, 6. aufl., II, Berlin 1952, 511
Fortsetzung folgt
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