Die andere Hierarchie
Teil 26
IV. Der Priestermangel
1. Die Tatsache
Den
zahlreichen Amtsniederlegungen von Priestern korrespondiert das
Ausbleiben von Neuzugängen zum Priestertum. Der Aufbau der anderen
Hierarchie vollzieht sich auf dem Hintergrund des notorischen
Priestermangels in den deutschen Diözesen, ja er zieht daraus einen Teil
seiner Berechtigung und Notwendigkeit.
Der
Priestermangel ist eine Tatsache. Ihm voraus geht der
Priesterkandidatenmangel. Im Jahre 1995 fand sich in der riesigen
Erzdiözese München kein einziger Abiturient, der Priester werden wollte
(8). Das Papier "Der pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" spricht vom
Mangel an hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeitern und an Priestern sowie
an Ordensleuten (I,2,4). Der erstere Mangel besteht nicht. Es gibt
genügend Laientheologen, die sich um hochdotierte Posten in den
deutschen Diözesen bewerben.
Der
"Berufsverband der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten in der
Erzdiözese Bamberg" kritisierte die Gebetsinitiative des Erzbischofs
Braun für geistliche Berufe. An Nachwuchs für Pastoralreferenten fehle
es nicht; lediglich an Priesternachwuchs fehle es wegen der
Zulassungsbestimmungen und der Strukturkrise des Amtes (9).
Die
Gegner des Priestertums haben begriffen, dass sich ihnen hier die
Chance bietet, in die Positionen einzurücken, die durch den Abfall so
vieler Priester und das Ausbleiben von Berufungen frei geworden sind.
Die am Priestertum bzw. an dessen Voraussetzungen Gescheiterten wittern
Morgenluft und sehen ihre Stunde gekommen. Die Bischöfe begründen ihre
Förderung der anderen Hierarchie mit dem Fehlen von Priestern.
2. Die Gründe
Die
Gründe des Priestermangels sind vielgestaltig. Die Bischöfe sind jedoch
mehrheitlich nicht gewillt, jene Gründe zur Kenntnis zu nehmen, die
sich aus ihrem Versagen ergeben. Der Erzbischof von Freiburg (Anm.:
Oskar Saier) zählte in seinem Brief an die Pfarrgemeinden in der Region
Bodensee äußere Gründe für das Ausbleiben des Priesternachwuchses auf
(10). Von inneren Gründen verlautete er kein Wort. Ich will sie ihm
nennen.
a) Die Zerstörung des Würdebewusstseins
Ein
Hauptgrund für den Priestermangel ist die Zerstörung des Bewusstseins
von der hohen Würde und der unersetzlichen Notwendigkeit des
Priesterstandes. Der heutige Priestermangel ist also zum erheblichen
Teil das Ergebnis des Wirkens der progressistischen Theologen. Ich klage
sie an, dass sie zahlreichen Theologie-studierenden den Glauben, die
Liebe zur Kirche und den Priesterberuf zerstören.
Wenn
es mit dem Priestertum weiter nichts auf sich hat, wenn es sich nicht
auf die Stiftung Christi berufen kann, wenn von der Repräsentation
Christi nicht die Rede sein kann, dann ist nicht einzusehen, warum man
einen Stand erwählen soll, der durch stark erhöhte Ansprüche an seine
Glieder gekennzeichnet ist.
Ein
gebildeter Laie schrieb dem Bischof von Limburg (Anm.: Franz Kamphaus)
am 11. September 1995: "Es gibt noch junge Männer, die sich zum
geweihten Seelsorgedienst bereitfinden, aber sie gehen mehrheitlich zu
den konservativen Gruppen! Je mehr sie von Bischöfen wie Sie und Ihr
Kollege in Augsburg (Anm.: von 1993-2004 Viktor Josef Dammertz OSB) ausgegrenzt werden, um so weniger werden sich für
den Diözesandienst entscheiden."
b) Die Auspowerung des priesterlichen Dienstes
Den
theoretischen Kampf gegen Sein und Sendung des Priestertums entspricht
dessen Schmälerung in der Praxis. Der priesterliche Stand ist in den
letzten 30 (Anm.: nunmehr 47) Jahren regelrecht ausgepowert worden.
Die
Anordnungen der Hierarchie haben ihm eine Funktion nach der anderen
entzogen und ihm eine andere Hierarchie an die Seite oder besser
entgegengestellt. Schon die Einrichtung der Pastoralassistenten war ein
Anschlag gegen das katholische Priestertum. Hier wird dem geweihten
Seelsorger eine ungeweihte Person an die Seite gestellt, kaum als
Mitarbeiter, eher als Aufpasser, Konkurrent und Kritiker.
Viele
Priesterkandidaten schauen mit großer Sorge ihrer Tätigkeit entgegen,
bei der sie auf Zusammenarbeit mit einem Pastoralassistenten angewiesen
sind, und diese Sorge ist berechtigt. Denn die Einstellung so manches
Pastoralassistenten ist eine Gefahr für das gedeihliche priesterliche
Wirken. In ihnen wuchern Kritiksucht und Ressentiment, Widerstand gegen
geistliche Führung und Unwilligkeit zur Unterordnung.
Man
mag es hören wollen oder nicht: Die Einführung der Pastoralassistenten
und -referenten war ein Schlag gegen das Priestertum. Die
Priesterkandidaten beobachten die wachsende Anhebung von deren Stellung
mit großer Sorge. Viele von ihnen haben Angst vor der zukünftigen
Entwicklung der Kirche (11).
Unter
den Laienfunktionären hat ein regelrechter Kompetenzhunger eingesetzt.
Die Zahl der Übergriffe in das dem Priester vorbehaltene Gebiet nimmt
zu. Die Laienpredigt hat die Herabstufung der Lehrvollmacht der
priesterlichen Amtsträger eingeleitet. Die Predigt von hauptamtlichen
Laien in Messfeiern ist entgegen der kirchlichen Ordnung an vielen Orten
zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Die Entwicklung ging nach der
bekannten Salamitaktik vor sich. Das Direktorium für Kindermessen vom 1.
November 1973 sah die Übernahme der Ansprache durch Laien in Messen
mit Kindern vor (12). Die Sendung der Pastoralreferenten schließt heute
bereits die Beauftragung zum Predigen ein. (13).
In
den siebziger Jahren hat man mit der Einführung der Bußandacht das
Bußsakrament weithin abgeschafft (14). Heute ist man dabei, mit dem
Wortgottesdienst an Sonntagen die Eucharistiefeier zu ersetzten. Der
Priester wird in seinen erhabensten Funktionen überflüssig gemacht.
Die
bischöflichen Verordnungen haben den Priestern die Kommunionausteiler
an die Seite gestellt bzw. sie duch diese ersetzt. Die Mitwirkung der
Kommunionhelfer ist wohl überall nur vorgesehen, wenn die Zahl der
Mitfeiernden groß ist und wenn dem Zelebranten die Austeilung der
Kommunion schwerfällt (15). Doch die enggefassten Bestimmungen (cc 230
§3, 910 §2) bleiben fast überall unbeachtet.
Die
bischöflichen Verordnungen haben den Priestern Erstbeicht- und
Erstkommunionunterricht weitgehend entwunden. Um die Firmvorbereitung
steht es nicht anders. Diese Auspowerung des priesterlichen Dienstes
vollzieht sich unter dem Schlagwort "Gemeindekatechese" (16).
Durch
die Gottesdienstgestaltung der Liturgiekreise wird dem Priester die
Ordnung der Messfeier zum erheblichen Teil aus der Hand genommen. Die
Gottesdienste werden weithin von Personen vorbereitet und "gestaltet",
die höchstens rudimentär das Wesen der heiligen Messe kennen. Sie gehen
dabei vielfach von Vorgaben aus, die für außergottesdienstliche Feiern
in Kindergärten oder Altentagesstätten geeignet sein mögen, aber nicht
für die Repräsentation des Kreuzesopfers.
Mancherorts
wird die feierliche Spendung der Taufe durch Laienfunktionäre
vorgenommen. Auch das kirchliche Begräbnis kann unter gewissen
Voraussetzungen von diesen gehalten werden, wie überhaupt zahlreiche
Segnungen - wie beispielsweise die Segnung der Häuser und Wohnungen -
ihnen übertragen wurden.
Durch
all diese Entziehungen und Beteiligungen werden neben die in der
Hierarchie göttlichen Rechtes stehenden Priester die Funktionäre der
anderen Hierarchie gestellt. "Wer Aufgaben abgibt, bekommt sie so
schnell nicht wieder. Er schwächt sich damit selbst und verliert an
Einfluß" (17).
Zu
den von den Bischöfen betriebenen Übertragung von Diensten, die früher
dem Priester vorbehalten waren, kommt die widerrechtliche Inbesitznahme
priesterlicher Dienste durch Laienfunktionäre.
In
den letzten Jahren gingen einzelne Laien dazu über, eigenmächtig den
Ritus der Krankensalbung zu vollziehen oder sakramentsähnliche Riten der
Salbung mit geweihtem Öl vorzunehmen (18). Nach einer Umfrage im Bistum
Basel greifen 57 Prozent der Laientheologen zumindest gelegentlich
unbefugt und unermächtiigt in den sakramentalen Bereich über, der dem
Priester vorbehalten ist.
In
der Aussendungsfeier der Pastoralassistenten wurde eine
Parallelliturgie zur Spendung der Priesterweihe eingeführt. In der
Schweiz heißen diese Mitglieder der anderen Hierarchie Pfarreileiter
bzw. Pfarreileiterinnen. Die Protestantisierung ist in diesem
unglücklichen Land noch weiter fortgeschritten als bei uns (19). Dort
ist man schon so weit, dass man sich eine "Eucharistiefeier" ohne
Priester vorstellen kann.
(8) Theologisches 26, 1996, 97
(9) Klerusblatt 77, 1997, 102f
(10) Pfarramtsblatt 70, 1997, 173-175
(11) Deutsche Tagespost Nr. 135 vom 9. November 1996 S. 5
(12) Acta Apostolicae Sedis 66, 1974, 30-46, hier 37f (Nr. 24)
(13)
Gottesdienstleitung und gottesdienstliche Verkündigung durch Laien im
Bistum Essen vom 2. Juli 1996 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 349-351) 3.1
(14) May, Das verlorene Sakrament 21-23
(15)
Z. B.: Ordnung der Diözese Regensburg für den Dienst des
Kommunionhelfers vom 19. November 1991 (Archiv für katholisches
Kirchenrecht 160, 1991, 543.548) Nr. 3a
(16) Gemeinsame Synode 227-275
(17) Deutsche Tagespost Nr. 45 vom 12. April 1997 S. 9
(18) Pfarramtsblatt 69, 1996, 317-320 (Rottenburg 9.Juli 1996); 70, 1997, 175-178; Una Voce-Korrespondenz 27, 1997, 249f
(19) Spagat: Herder-Korrespondenz 51, 1997, 222f
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Andreas Wollbold:
Wegweisung für Wegweiser - Eine Hilfe zur Reinigung und Erneuerung des priesterlichen Lebens
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