Mittwoch, 11. Juni 2014

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 25: Das Priestertum der Kirche - Feldzug gegen das Priestertum - Der Zusammenbruch im Priesterstand

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie


Teil 25


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


§7 Das Priestertum der Kirche


I.  Die amtliche Lehre

In der Kirche gibt es ein äußeres, sichtbares, von Christus eingesetztes Priestertum, das durch das Sakrament der Weihe übertragen wird.

Der Priester ist der amtliche Verkündiger des Evangeliums; doch ist der Wesenskern des Priestertums nicht die Predigt (D. 961). Dem Amtspriestertum sind die entscheidenden Sakramente des Altares, der Buße und der Letzten Ölung zum Vollzug bzw. zur Spendung vorbehalten. Der Priester handelt in der Person Christi" (Lumen gentium Nr. 10), "in der Person Christi, des Hauptes" (Presbyterorum ordinis Nr. 2). Vor allem spricht er die Wandlungsworte der heiligen Messe im Namen Christi.

Der Priester ist Hirt und Haupt seiner Gemeinde, er hat die Gläubigen zu leiten. Das Priestertum ist gewiss ein Dienst am gläubigen Volk, aber ein Dienst in Vollmacht und Verbindlichkeit.

Die katholische Kirche ist, richtig verstanden, eine Priesterkirche; denn sie kann ohne Priestertum nicht sein, und ihr Wohlsein hängt in hohem Maße von der Zahl und der Qualität der Priester ab.

Der Priester muss zuerst des allgemeinen Priestertums teilhaftig werden, bevor er das Amtspriestertum empfangen kann. Er ist zum Erreichen des Heils auf andere Priester angewiesen. Das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen und das hierarchische Priestertum unterscheiden sich dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach (Lumen gentium Nr. 10).


II.  Der Feldzug gegen das Priestertum

In unserer Kirche hat nun seit geraumer Zeit ein gigantischer Feldzug gegen das Priestertum eingesetzt. Christus sei kein Priester gewesen. Er habe kein Priestertum eingesetzt. In der Urkirche habe es keine Priestertum gegeben. Der Vorsitz der Gemeinde sei bloß menschlichen Rechtes.

So schreibt der Pastoraltheologe Leo Karrer: "Den Amtsträgern kommt somit theologisch kein Mehr zu, das den sogenannten Laien fehlte" (1). Das ist genau der Standpunkt des Protestantismus. Seelsorge ist jetzt nach ihm "ein kommunikativer Prozess zwischen Glaubenden, bei dem ... alle gleichwertige Söhne und Töchter Gottes sind" (2). Gleichwertig gewiss, aber nicht gleichberechtigt. 

Nach den vier Pastoraltheologen Fuchs, Mette, Greinacher und Steinkamp ist für das Neue Testament kennzeichnend, "dass es keine heilsvermittelnden Institutionen und Personen zwischen Gott und den Menschen gibt" (3). Damit entfällt die göttliche Legitimation von Kirche und Priestertum.

Fuchs meint, in Notsituationen könnten auch Ungeweihte "Gemeindeleiter" den Vorsitz bei der "Eucharistiefeier" übernehmen (4). Für Harald Schützeichel bedarf es keiner Priester mehr, "die eine Mittlerfunktion zwischen Gott und dem Volk übernehmen" (5). Die Gemeinde wird zum Träger der Liturgie gemacht, so dass dem Priester nur die Vorsteherschaft oder die Moderation bleibt (6). All das und vieles andere (7) wird von wohldotierten Theologieprofessoren, die teilweise Priester ausbilden, ohne nennenswerte Gegenwehr der Bischöfe unter das Volk gestreut.


III. Der Zusammenbruch im Priesterstand

Begleiterscheinungen oder Wirkung der erwähnten falschen Lehren war der Zusammenbruch der Priesterschaft seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die Bischöfe haben auf höherer, die Priester auf niederer Ebene versagt. Die Krise der Priester ist der Hauptgrund für den Aufbau der anderen Hierarchie auf der Ebene der Pfarrei und des Dekanates.

1. Die Flucht aus dem Abendmahlssaal

In den letzten 35 Jahren (Anm.: seit ca. 1962; nunmehr sind es seitdem etwa 50 Jahre) haben sich dramatische Vorgänge in der Priesterschaft abgespielt. Ich erinnere an erster Stelle an die Massenflucht aus unserem Abendmahlssaal. Tausende und Abertausende von Priestern haben ihren heiligen Beruf aufgegeben.

Dieser Exodus ist das Zeichen einer schweren Krise des Priesterstandes. Eine Elite ist abgesunken, ja zerbrochen. Die zahllosen Skandale auf dem Absprung befindlicher und entsprungener Priester haben Achtung und Ansehen des Priesterstandes in der Gesellschaft und beim Kirchenvolk gründlich und nachhaltig zerstört. Bis zur Stunde lassen sich diese Versager vor die Fernsehschirme zerren und versprühen dort ihre albernen Tiraden. Die meisten Menschen bringen den Priestern weder Vertrauen noch Liebe, sondern Befremden, Abneigung und Verachtung entgegen.

2. Die Glaubenskrise

Der Zusammenbruch der Priesterschaft hat seinen Hauptgrund im Verlust eines festen, unerschütterlichen Glaubens. Die allgemeine Glaubenskrise in der Kirche hat zuerst die Theologiestudierenden und die Priester erfasst.

Die Mehrzahl der Priester hat die glaubenswidrigen Aufstellungen der progressistischen Theologen nicht nur ohne Widerstand über sich und das gläubige Volk ergehen lassen, sondern hat sie sich zu eigen gemacht, nicht zuletzt unter dem Einfluß der von den Bischöfen forcierten sogenannten Weiterbildung.

Das Verhalten, besonders das öffentliche und private Reden so manches Geistlichen, zwingt zu dem Schluss, dass ihnen der katholische Glaube zumindest teilweise abhanden gekommen ist. Nicht wenige Kleriker stehen nicht mehr hinter der verbindlichen Glaubenslehre der Kirche. Die irrigen Aufstellungen der modernistischen Theologen haben ihnen den Glauben zerstört.

Vielen Priestern ist die Überzeugung von der Absolutheit und Einzigartigkeit der katholischen Religion abhanden gekommen. Ebenso ist der Glaube an die gottgesetzte Stellung des Priesters als Hirt und Repräsentant Christi ins Wanken geraten.

Es ist immer  das Konzept aller Revolutionäre gewesen, eine Elite an sich selbst unsicher zu machen, um so ihren Sturz herbeizuführen. Es gibt Epochen, in denen der Klerus das Bewusstsein seiner Berufung verliert. In einer solchen leben wir. Dem größten Teil des Klerus sind die Überzeugung und das Erfülltsein von seiner gottgegebenen Würde verlorengegangen. Der ungehemmte ökumenische Betrieb hat ihm den Rest gegeben.

Mit dem Einstimmen in die unheilvolle Verwischung der Grenzen zwischen Wahrheit und Irrtum hat der Klerus seine eigene Position untergraben und der anderen Hierarchie den Weg gebahnt. Es macht ihm deswegen gar nichts aus, mit den ungeweihten Funktionären fremder Religionsgemeinschaften bei geistlichem Tun gemeinsam aufzutreten.

Um die Verwirrung des katholischen Volkes voll zu machen, lassen sich protestantische Geistliche in steigendem Maße mit der Stola sehen. Die Stola ist das Zeichen priesterlicher Vollmacht und Würde. Der protestantische Geistliche hat keine priesterliche Vollmacht und Würde. Darum ist das Anlegen der Stola eine Anmaßung und eine Täuschung. Es ist nicht zuviel gesagt: Der Ökumenismus hat dem katholischen Priester das geistliche Rückrat gebrochen.

Viele Priester sind zudem von Defaitismus erfüllt. Es fehlt ihnen jeder missionarische Schwung. Ihre Verkündigung ist matt und ohne Feuer, bewegt sich in Allgemeinplätzen und dunklen Phrasen. An zahlreichen Stellen sind glaubenswidrige oder ärgerniserregende Äußerungen vom Ambo zu hören.

Die kirchliche Ordnung steht für viele Geistliche lediglich auf dem Papier. Wann immer es ihnen passend erscheint, setzten sie sich darüber hinweg. Bequemlichkeit,  Feigheit und Verlust des Würdebewusstseins lassen die große Mehrzahl der Priester die vorgeschriebene geistliche Kleidung vermeiden. Weil viele Priester ihre Würde vergessen haben, geben sie sich kumpelhaft. Ein geweihter Diener Gottes ist eben nicht ein Mensch wie du und ich. Er hat eine Würde, die ihn trägt und die er zu leben hat.


(1)  Karrer, Schubkraft für die Kirche 139
(2)  Karrer, Schubkraft für die Kirche 136
(3)  Das Neue wächst 164
(4)  Fuchs, Ämter für eine Zukunft der Kirche 1181
(5)  Die Feier des Gottesdienstes. Eine Einführung, Düsseldorf 1996,21
(6)  May, Das Priestertum in der nachkonziliaren Kirche 26f
(7)  May, Das Priestertum in der nachkonziliaren Kirche 20-45





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1 Kommentar:

  1. Danke für die Bereitstellung. Die "Ernte" der Anderen hat ja erst begonnen - leider. Es wird sehr schmerzlich, aber es wird nicht lang anhalten, dessen bin ich gewiß. Gruß Windlicht.

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