Aufgenommen ist Maria in den Himmel,
es freuen sich die Engel,
lobpreisend singen sie dem Herrn.
Maria, die Jungfrau, ist aufgenommen
ins himmlische Brautgemach,
allwo trohnet sternenumstrahlt der König der Könige.
(Brevier am Fest Mariä Himmelfahrt)
Über das Leben der lieben Gottesmutter senkt sich der Abend hernieder. Nach langem Lebensleid darf Maria heimgehen ins himmlische Vaterhaus. Sie, die so oft den Ruf Gottes vernommen zu Arbeit und Leid, hört jetzt die Einladung ihres Kindes: "Veni sponsa!" Komm, du meine Braut, und empfange die Krone, die dir bereitet ist von Anbeginn!
Die heilige Schrift erwähnt nicht mehr den Tod der Mutter des Herrn. Aber das ist gewiss: Maria ist gestorben. Sie ist zwar ohne Sünde; darum stand sie nicht unter dem Gesetz des Todes. Sie wäre würdig gewesen, zu Gott zu gehen, ohne den Tod zu kosten. Aber wie hätte des Herrn Mutter und demütige Magd über ihrem Sohn und Meister stehen wollen, der am Kreuz sein Leben hingegeben hatte.
Und ein zweites ist lebendiges Glaubensgut der Christenheit: Mariens Leib ist nach dem Tode in den Himmel aufgenommen worden. Nicht nur die Seele geht heim, sondern auch der Leib, aus dem Christus, der Sohn Gottes, Fleisch angenommen hat. So geziemte es sich für Christi irdische Wohnstatt.
"Ihr keuscher Leib, der Gott gebar,
kein Raub für die Verwesung war.
Ihr Sohn, der Tod und Grab besiegt,
er lässt im Grab' die Mutter nicht."
Wenn uns ein Liebes stirbt und wir können am Sterbebett weilen, dann achten wir auf alles, was in der letzten Stunde geschieht; alle Worte des Sterbenden bewahren wir in treuer Hut. Wir erzählen es gern den Angehörigen, wie der Vater, die Mutter oder sonst ein lieber Mensch von hinnen gegangen ist. Wir hätten gern auch Kunde, wie Maria, die reinste Gottesmutter gestorben ist. Es ist uns nichts berichtet. Und doch wissen wir genug von ihrem Tod.
Es heißt ja: Wie man lebt, so stirbt man. Der Tod ist die Krönung des Lebens, das man auf Erden geführt hat. Mariens Leben ist ein Leben der Liebe und der Sehnsucht gewesen. Ihr Tod ist darum die Krönung aller Liebe und Sehnsucht ihres Herzens. Die Liebe drängt nach Vereinigung mit Gott, nach einer Vereinigung, die nicht nur in der Gnade besteht, sondern Gott schauen lässt von Angesicht zu Angesicht.
Wenn schon der Apostel Paulus ausruft: "Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christus zu sein" (Phil 1,23), wieviel mehr wird Maria gewünscht und gebetet haben, bei Christus zu sein, bei Christus ihrem Sohne. Für Maria hat darum der Tod alle Schrecken verloren. Ihr Tod ist ein Sterben in Freude und Seligkeit. Jetzt geht ihr Glaube über in Schauen; was sie ersehnt, wird zum ewigen Besitz. Aus dem Schatten des irdischen Lebens geht sie heim zum Licht, aus der Fremde zur Heimat. Aus der Bewährung im Leben führt sie Gott heim zur Verklärung und Herrlichkeit. Mit Recht mögen wir ausrufen: "Tod, wo ist dein Stachel? Tod, wo ist dein Sieg?"
Siehe, meine Seele, auch für dich kommt einst der Tag, da Gott dich ruft aus dieser Zeitlichkeit. "Es ist dem Menschen einmal gesetzt zu sterben, und danach kommt das Gericht." (Hebr 9,27) Sterben ist ein ernstes Wort. Sterben ist schwer. Die Seele trennt sich vom Leibe. Die Einheit, die zwischen beiden bestanden hat das ganze Leben hindurch, hört auf. Das geht nicht ohne Schmerz, auch nicht ohne Angst: es ist ja die letzte Entscheidung nahe, die letzte Bewährung im Gerichte.
Meine Seele, kannst du ohne Schrecken an deinen Tod denken? Wenn Gott dich heute, diese Nacht, vor seinen Richterstuhl riefe, wie würde dann die Entscheidung ausfallen? Es hängt ganz von dir ab. Nur die Sünde bringt Angst und Schrecken. Wenn du aber die Sünde meidest und dich bemühst, heilig zu leben, dann wird auch für dich der Tod etwas Beseligendes, Freudiges mit sich tragen. Im Tode öffnet sich dir das Tor, dass du hindurchschreitest zu Gott.
Dein Todestag ist der eigentliche Geburtstag; er bringt dir die Erfüllung der Erlösung; er ist Heimkehr ins Vaterhaus. Ein neues Leben beginnt, ein Leben der Wonne und Seligkeit, die kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gedrungen ist. Wie man lebt, so stirbt man. Auf ein heiliges Leben folgt ein heiliges Sterben. Wer wie Maria in seinem Leben Gott liebt und ihm ganz dient, der wird auch wie Maria sterben.
Wir beten gemeinsam ein Ave Maria, dass wir mit Maria leben und wie sie einst sterben mögen:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Selig bist du, Jungfrau und Gottesmutter Maria,
weil du dem Herrn geglaubt hast!
Erfüllt hat sich in dir, was dir ist gesagt worden.
Sieh, über die Chöre der Engel bist du erhoben!
Bitte du für uns beim Herrn, unserm Gott!
(Responsorium zum Fest Mariä Himmelfahrt)
Gebet:
Jesus, du Sohn Gottes und Sohn der Jungfrau Maria, durch den Heimgang deiner heiligsten Mutter wollest du uns verleihen, dass wir bei unserm Sterben selig ins Haus der Herrlichkeit deines Vaters heimkehren. Der du lebst und herrschest von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes;
A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.; AD 1935; S. 75-78 (mit kleinen Änderungen); (s. Quellen)
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