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Dienstag, 20. Mai 2014

Maiandacht 19. Tag - Dienende Liebe

 
Sehet, welch eine Liebe uns der Vater erwiesen hat:
Kinder Gottes heißen wir und sind es in Wahrheit. (1. Joh 3,1)
Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns,
und seine Liebe ist in uns vollkommen. (1. Joh 4,12)


Die höchste Liebe besteht darin, dass der Mensch in seinem Willen eins wird mit Gott, dem höchsten Gute. Das ist die Liebe der Gottesmutter unter dem Kreuze. Sie ist ganz eins geworden in ihrem Willen mit dem des Vaters, eins in der Gesinnung mit ihrem göttlichen Kind, so sehr, dass sein Leben auch ihr Leben, sein Leiden auch ihr Leiden war.

Dabei bleibt Maria aber Mutter des Heilandes, menschliche Mutter mit einem Herzen voll echter Mutterliebe. Auch diese Liebe wird den Tod überdauern: "Die Liebe hört niemals auf", sagt der Apostel. Christus selbst will, dass in der Seele seiner Mutter diese Mutterliebe bleibt. Wie Maria mit einem Blick tiefer, heiliger Mutterliebe ihren Sohn am Kreuz umfängt, so will Christus von seiner Mutter geliebt werden immer, zu jeder Zeit und auch da, wo er lebt.

Unter dem Kreuze muss Maria inne werden, dass sich ihre Mutterliebe nicht erschöpfen darf in der Liebe zu dem in leiblicher Gestalt auf Erden weilenden Kinde. Christus wird bald von der Welt gehen. Sein Werk ist vollendet. Maria wird ihre Mutterliebe nicht mehr so auswirken können wie bisher. Und doch soll diese Liebe nicht verkümmern, nicht aufhören.  Christus will seiner Mutter begegnen in anderer Weise: in Millionen und Abermillionen Söhnen und Töchtern will er sich ihr zeigen; er will leben in allen Erdenkindern, für die sein Blut auf die Erde tropft.

Eines dieser Erdenkinder steht mit unter dem Kreuze als Vertreter aller: Sankt Johannes, der jugendliche Apostel, "der Liebesjünger" genannt.

Maria muss nun ihren Blick abwenden von ihrem geliebten Kinde hin zu Johannes. "Siehe da deinen Sohn." Es ist, als ob der Heiland sagen wollte: "Siehe, Mutter, ich gehe nun von dir, deine leiblichen Augen werden mich fürderhin nicht mehr schauen können in leiblicher Gestalt; und doch sollst du mich immer sehen, immer lieben können. Siehe da deinen Sohn Johannes, der mich in Liebe aufnahm in seine Seele, in dem ich weiter leben und wirken will. Siehe da alle die Menschenkinder, die mich aufnehmen werden; ich will in ihnen leben, und du sollst ihnen Mutter sein, sollst sie lieben wie meine Brüder und Schwestern, ja wie mich selbst."

Die erste Wahrheit ist eine tröstliche und freudige: Der sterbende Heiland schenkt uns Menschen seine Mutter. Er macht uns zu seinen Kindern, auf dass wir alle von ihr wie von einer Mutter geliebt würden und dass wir sie lieben könnten als unsere Mutter. Wie sind wir doch so reich geworden! Heiland, wir danken dir von Herzen, dass du uns deine Mutter schenktest mit all ihrer Mutterliebe!

Die zweite Wahrheit ist ernst und fordernd: Jeder Mensch soll seinen Mitmenschen lieben als Christi Bruder und Schwester. In jedem begnadeten Menschen lebt Christus fort. O Mensch, du kannst kein wahrer Christ sein, du kannst Christus nicht wahrhaft lieben, wenn du auch nur einen Menschen auzsschließt von deiner Liebe, ob er dir nun Freund sei oder Feind. Ja, du darfst nicht einmal dem sündigen bösen Menschen deine Liebe ganz entziehen, denn Christus hat auch für ihn sein Blut vergossen; Christus sucht in Liebe auch seine Seele, um darin zu wohnen.

Wie könntest du den Menschen hassen, den Christus noch in Liebe sucht! Der heilige Johannes schreibt: "Wenn jemand sagt, ich liebe Gott und hasst doch seinen Bruder, der ist ein Lügner." (1. Joh 4,20) Willst du ein wahrer Jünger Jesu Christi und ein wahres Kind seiner heiligsten Mutter sein, dann liebe Christus und diene ihm in deinem Nächsten.

Wir beten ein Ave Maria und bitten die Gottesmutter, dass sie uns wahre Nächstenliebe erflehen wolle:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.

Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebet einander!
Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.
Daran werdenalle erkennen, dass ihr meine Jünger seid,
wenn ihr einander liebt. (Joh 13,34.35)


Gebet:
Gekreuzigter Herr und Heiland! Am Kreuze hast du uns alle deiner Mutter als ihre Kinder anvertraut. Bei ihrer Mutterliebe bitten wir dich, gib uns wahre Liebe zu unsern Mitmenschen. Lass uns immer mehr begreifen, dass wir dich nur vollkommen lieben können, wenn wir dich auch lieben in unsern Mitbrüdern und Mitschwestern. Verbinde uns alle untereinander durch das band der Liebe uns lass uns zur ewigen Einheit mit dir gelangen. Amen.



Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes; A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.;  AD 1935; S. 59-61 (mit kleinen Änderungen); (s. Quellen)



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