Siehe, ich bin die Magd des Herrn,
mir geschehe nach deinem Wort.
Huldvoll hat er herabgesehen auf seine niedrige Magd,
von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter!
(Luk 1,38.48)
Ein gar hohes Lob ist Maria zuteil geworden durch Elisabeth. Dieses Lob ist berechtigt. Unter allen Frauen ist sie die Auserwählte, die Mutter des Herrn. Alle Frauen Israels haben sich nach diesem Glück gesehnt, ihr fiel es zu. Die ganze Welt wartet auf dieses Glück, - sie darf es bringen.
Maria weiß um diese Gnade, weiß um ihre hohe Würde. Wird sie darob stolz? Ach nein, in derselben demütigen Art, mit der sie dem Engel gesagt hatte: "Ich bin die Magd des Herrn", antwortet sie jetzt auf den Lobpreis der Elisabeth. Ihr Herz ist erfüllt von dem Wunder Gottes, und sie selbst weiß am besten, dass ihre Auserwählung reine unverdiente Gnade ist. Sie ist nicht die Erlöserin, sondern selbst eine Erlöste, die Erste, dessen Erlösungssehnsucht durch Gottes Gnade erfüllt ward. Diese Erkenntnis erfüllt sie mit tiefer Demut.
Gott allein ist es, der alles wirkt. Ihm allein gebührt der Dank, ihm allein die Ehre, ihm dem Allmächtigen singt sie darum ihr Lied aus der Überfülle ihres Herzens: "Hochpreiset meine Seele den Herrn, und mein Geist frohlocket in Gott, meinem Heiland. Denn huldvoll hat er herabgesehen auf seine niedrige Magd."
Dieser Lobpreis ist zugleich Antwort an Elisabeth. Sie sagt gleichsam zu ihr: "Du lobst mich, ich aber lobe Gott, dem allein Lob gebührt." Freilich werden in Zukunft alle Menschen sie loben und preisen: "Fortan werden mich seligpreisen alle Geschlechter." Aber nicht um ihrer selbst willen! Immer ist es Gott, auf den alles Lob zurückgeht:
"Denn Großes hat an mir getan der Mächtige, dessen Name heilig ist, dessen Erbarmen währt von Geschlecht zu Geschlecht für jene, die ihn fürchten. Machtvoll wirkt er mit seinem Arm, zerstreut, die stolzen Herzens sind. Gewaltige stürzt er vom Throne, Niedrige erhöht er. Hungrige sättigt er mit Gütern, Reiche lässt er leer ausgehen. Er nimmt sich Israels an, seines Knechtes, eingedenk seiner Barmherzigkeit - wie er verheißen hat unseren Vätern - gegen Abraham und seinen Nachkommen auf ewig."
Mariens demütiger Sinn, der in den Worten ihres Liedes sich kundtut, wird von Elisabeth anerkannt. Jetzt weiß sie es gewiss: Maria ist gekommen, um zu helfen und zu dienen. Demut ist Dienmut. Die Mutter des Herrn dient der Mutter seines Knechtes und Wegbereiters.
Diese demütig dienende Magd des Herrn steht nun vor dir, meine Seele, und lädt dich ein, mit ihr den Weg der Demut zu gehen.. Sieh, alles, was du bist und was du hast, alle Kräfte und Fähigkeiten Leibes und der Seele, alles ist dir von Gott geschenkt. Das musst auch du anerkennen. Gewiss darfst du dich darüber freuen, wenn du von Gott viele Gaben der Natur und Gnaden empfangen hast. Jedoch prunken und prahlen mit deinen Vorzügen, das darfst du nicht.
Was wärest du ohne Gott! Erwäge oft bei dir, wie klein und armselig du bist aus dir selber. So unheilig, so sündhaft, so erlösungsbedürftig bist du! Was wäre die Menschheit, was wärest du selber ohne die Erlösung durch Christus. Für alles Gute gebührt Gott allein die Ehre. So gib auch du in allem Gott die Ehre und trachte nicht nach Lob und Anerkennung der Menschen. Gib acht auf dich und hüte dich schon vor den Gedanken der Selbstgefälligkeit. Dadurch will der Hochmut sich einschleichen und dich zu Falle bringen. Wolle nur demütig dienen, wie Maria es getan.
"Christus befiehlt uns nicht", sagt der heilige Augustinus, "von ihm zu lernen, eine Welt zu bauen, Sichtbares und Unsichtbares zu erschaffen, Wunder zu wirken, Tote wieder lebendig zu machen, sondern von Herzen demütig zu sein."
Wir beten ein Ave Maria, damit Maria uns wahre Demut erflehe:
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade,
der Herr ist mit dir!
Du bist gebenedeit unter den Frauen
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes: Jesus!
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder,
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Der Herr spricht: "Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir,
denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen." (Mt 11,29)
Dienet einander mit der Gnadengabe, wie ein jeder sie empfangen hat
und zeigt euch als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes. (1. Petr 4,10)
Gebet:
In der Demut ihres Herzens hat Maria dir, dem allmächtigen und allgütigen Gott, die Ehre gegeben für alle Großtaten deiner Liebe, die du an ihr getan hast. Lass auch uns erkennen, dass wir nichts sind ohne dich, und dass all unser Wirken unnütz ist ohne deine Gnade. Wir bitten dich: auf die Fürbitte der demütigen Magd deines Sohnes verleihe uns wahre Demut des herzens, dass wir dich für alles und in allem loben und preisen. Durch denselben Christus unsern Herrn. Amen.
Maiandachtsbüchlein für Kirche und Haus von Pfarrer Joseph Willmes;
A. Laumannsche Verlagsbuchhandlung Dülmen /Westf.; AD 1935; S. 45-48 (mit kleinen Änderungen); (s. Quellen)
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