SEITEN

Sonntag, 4. Mai 2014

Das Bild vom Guten Hirten

Epistel und Evangelium zeigen uns Christus unter dem Bild des Guten Hirten. Schon der Psalmist (22,1.4) hat einst gesungen: "Der Herr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln...; müsste ich auch wandern im finstern Tal, ich fürchte kein Unglück, denn du bist bei mir. Dein Hirtenstab und dein Stecken sind mein Trost!"

Gott, der Hirte, ist nun sichtbar geworden im Hirten Jesus Christus. Christus nennt sich einfachhin den Hirten. Und wirklich, er ist das sichtbare Urbild des Hirten. Sein Beispiel ist bestimmend geworden für alle Seel-Sorge im Volk und in der Familie, vorab beim Bischof (Hirtenstab) und Pfarrer (Pastor heißt Hirte), aber auch für die Eltern und Erzieher.

Petrus, der erste Oberhirt der Kirche, verlangt (1 Petr 5,2-4): "Weidet die euch anvertraute Herde Gottes, nicht notgedrungen, sondern froh bereit nach Gottes Willen, nicht in schnöder Gewinnsucht, sondern mit Hingabe, nicht als Gewaltherrscher über die euch Anvertrauten, sondern als Vorbilder für die Herde, dann werdet ihr auch, wenn der Erzhirte (Christus) erscheint, den unverwelklichen Kranz der Herrlichkeit empfangen."

Der Hirte Christus ist unerreicht. Ist er einst Richter, so ist er doch nicht bloß gerecht. Er ist barmherzig: Gott ist auf der Suche nach dem Menschen! Bei Mt 9,36 heißt es von Christus, dass ihn "beim Anblick der Volksscharen tiefes Mitleid erfasste; denn sie waren abgehetzt wie Schafe, die keinen Hirten haben". Er sieht den Zustand der Gesamtheit, aber auch den des Einzelnen; er geht dem verlorenen Schaf nach und ruht nicht, bis er es heimgebracht.

Ich erinnere mich an ein altes Gemälde vom Guten Hirten: Er steht vor einem eingerosteten eisernen Tor. Dornen wachsen so dicht daran empor, dass man gleich sieht, wie lange schon niemand hier eingetreten ist. Es ist Nacht. Die Lampe des Hirten beleuchtet seine rechte Hand, die durch das Gestrüpp hindurch am Tor anpocht; die Hand blutet von den Dornen. Hinter dem Tor aber sieht man ein Festgelage. Hell leuchten die Kronleuchter auf den wilden Tanz und die üppige Völlerei. Es geht laut zu da drinnen. Wird einer das Klopfen des Hirten hören, der vor der Türe steht?

Das ist das Bild des Guten Hirten auf der Suche nach dem Menschenherzen! Wie geräuschvoll machen sich nichtige Dinge darin breit! Wie kann es also das Anklopfen des Hirten hören? Darum muss öfter Stille in uns sein... Und diese Stille wird Heimkehr bringen. So sagt denn Petrus (1.2.25 in der Epistel; s.u.): "Ihr gingt einst wie Schafe in die Irre; jetzt aber seid ihr heimgekehrt zu dem Hirten und Hüter eurer Seelen."

Christus als Hirten sehen und selber Hirte sein wollen, dies beides wird von uns verlangt. Darum gilt uns der Wunsch des heiligen Paulus: "Der Gott des Friedens, der den erhabenen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten wiedergebracht..., der möge euch mit allem Guten zur Ausrichtung seines Willens ausrüsten und in euch wirken, was ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus, dem die Ehre gebührt in alle Ewigkeit. Amen."


Heinrich Jansen Cron SJ in: "Weisheit für den Alltag - Aus den Messen eines Jahres"; Verlag Ludwig Auer/Cassianeum Donauwörth; Imprimatur 1954; S. 31/32 (s. Quellen)

 
Lesung vom 2. Sonntag nach Ostern:
Geliebte! Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt. Er hat keine Sünde begangen und in seinem Mund war kein trügerisches Wort. Er wurde geschmäht, schmähte aber nicht; er litt, drohte aber nicht, sondern überließ seine Sache dem gerechten Richter. Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt. Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber seid ihr heimgekehrt zum Hirten und Hüter eurer Seelen. (1 Petri 2,21-25)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen