Ein Gastbeitrag von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad über die göttliche Vorsehung (lat. Divina providentia)
1. Verlorene Vorsehung
„Ich gehe mit traumwandlerischer
Sicherheit den Weg, den mich die Vorsehung gehen heißt.“ Die
Aussage könnte von einem Heiligen stammen; einem Menschen, der im
Vertrauen auf die weise und gütige Führung Gottes seinen Frieden
gefunden hat, da er sich machtvoll und mild durch das Erdenleben
geführt weiß, dem ewigen Ziel entgegen.
In Wahrheit aber stammen die Worte
weder von einem Heiligen noch von sonst einem vorbildlichen Christen,
sondern - von Adolf Hitler. Und seitdem ausgerechnet er immer wieder
die „Vorsehung“ für sein Auftreten und Wirken verantwortlich
gemacht, ja beschworen hat, ist dieser Begriff - zumindest im
deutschen Sprachraum - verdächtig geworden.
Man tut sich schwer mit der Vorsehung.
Sang man früher unbeschwert das beliebte Kirchenlied aus der Feder
Joachim Neanders (+ 1680): „Lobe den Herren, der alles so herrlich
regieret, der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet...“, so
wurden nach den Erfahrungen der NS-Zeit andere Stimmen laut. Z.B. die
der 2003 verstorbenen Dorothee Sölle, einer angeblich „atheistisch
an Gott glaubenden“ Vertreterin der „Gott-ist-tot-Theologie“,
die behauptete, nach Auschwitz könne man nicht mehr einen Herrn
loben, „der alles so herrlich regieret“.
Darauf ist verschiedentlich geantwortet
worden, und das schon längst, bevor irgendjemand ein Drittes Reich
und eine „Gott-ist-tot-Theologie“ für möglich hielt. Und
dennoch hat ein unheilvolles Zusammenspiel verschiedener Kräfte es
fertiggebracht, das lichte Mysterium der göttlichen Vorsehung für
viele unserer Zeitgenossen zweifelstrübe, ja finster werden zu
lassen. Man spricht nur noch selten von der Vorsehung. Mit dem Wort
aber verschwindet bald auch der Inhalt. So erstaunt es nicht, dass
einem Großteil der Menschen der christliche Vorsehungsglaube wenig
bis nichts mehr sagt.
Eine wichtige Stelle innerhalb unserer
Weltanschauung bleibt, einmal leergeräumt, nicht lange unbesetzt.
Schnell drängen sich andere Ideen ein. Daher neigt, wer nicht mehr
mit einer höheren Macht rechnen will, die uns weise lenkt und
leitet, ohne uns dabei die persönliche Freiheit zu nehmen, ganz
anderen Auffassungen zu. Diese sind – typisch für jeden Abfall von
der Wahrheit! – durch ihre Einseitigkeit und Widersprüchlichkeit
gekennzeichnet: Man hält sich für völlig frei, seine Existenz nach
eigenem Gutdünken zu entwerfen und dann zu verwirklichen (vgl. die
perversen Ausgeburten der sog. Gender-Ideologie); zugleich aber meint
man, der Mensch sei in allen Dimensionen des Daseins, bis in das
geistige Leben hinein, biologisch programmiert und determiniert.
Die Auswirkungen des verlorengegangenen
Vorsehungsglaubens sind überaus verhängnisvoll. Als praktische
Folgerungen einer Weltanschauung, die sich vom angeblichen
„Gotteswahn“ emanzipiert hat, haben sie an deren Widersprüchen
teil. Daher erleben wir in der Gegenwart direkt nebeneinander, ja
häufig ineinander verwoben, einen enthusiastischen Machbarkeitswahn
und eine geradezu fatalistische Resignation.
Machbarkeitswahn: Man meint,
alles selbst gestalten zu können. Dies nicht erst, seit man begonnen
hat, in das menschliche Erbmaterial einzugreifen, um die Zukunft
unseres Geschlechtes ganz in die eignen Hände zu nehmen. Auch
andere, viel ältere Einrichtungen zeugen von vermessener
Selbstsicherheit. Romano Guardini hat das 1950 in seiner berühmten
Schrift „Das Ende der Neuzeit“ am Beispiel des modernen
Versicherungswesens zu zeigen versucht: „Betrachtet man es in jener
letzten Ausbildung, die es bereits in manchen Ländern erfahren hat,
so erscheint es geradezu als Beseitigung jeglichen religiösen
Hintergrundes. Alle Eventualitäten des Lebens werden ‚vorgesehen’,
nach Häufigkeit und Wichtigkeit berechnet und unschädlich gemacht.“
Die Versicherung als neue Vorsehung!
Ein offensichtlicher Widerspruch zu der Anweisung des Apostels
Jakobus, dass wir nicht leichthin davon sprechen dürfen, was wir
demnächst tun werden, da doch die Zukunft ungewiß ist, sondern
stattdessen sagen sollen: „Wenn der Herr will, werden wir am Leben
bleiben und das oder jenes tun.“ Diese Stelle aus dem Jakobusbrief
(4,13-15) begründet übrigens die Gepflogenheit gläubiger Menschen,
ihren Plänen stets ein demütiges „So Gott will“ voranzustellen.
Fatalistische Resignation: Sie
ist nur die andere Seite des Machbarkeitsdünkels. Allzu häufig
bemächtigt sie sich schon junger Menschen, die doch eigentlich von
Hoffnung und hoher Erwartung erfüllt sein sollten. Weil sie sich
aber einem riesenhaften Apparat gegenübersehen, der ohne
Berücksichtigung ihrer Person und Wünsche abläuft, unaufhaltsam
alles in sein Getriebe hineinzerrend und vieles gnadenlos zermalmend,
deshalb verfallen sie in jene No-future-Haltung, die ebenso
die Form rebellischer Verweigerung wie lustlosen Sich-Anpassens
annehmen kann. Solche Menschen erstreben und ersehnen kaum noch
etwas, es sei denn die hastig vorüberhuschenden Vergnügungen, mit
denen die Welt der Werbung und des Entertainments lockt: „Was
wollen sie? Sie wollen: to live and to have a fun, gut leben
und ihr Späßchen haben. Man wird euch damit bedienen; mit Nahrung
und Freizeitgestaltung, mit Kalorien und Kinos“, notierte der
Staatsdenker Carl Schmitt schon 1949...
Die Verheerungen und Zerstörungen, die
durch den Verlust der Vorsehung in immer neuem und schlimmerem Maße
hervorgerufen werden, können keinem wachen Beobachter der Zeit
verborgen bleiben. Daher tut es not, die Wahrheit über die weise,
gütige und machtvolle Sorge Gottes für Welt und Menschen neu zu
erkennen, sie gegen falsche Auffassungen abzugrenzen und ihre Folgen
für das Leben zu bedenken.
2. Angemaßte „Vorsehung“
Hitler hat sich, wie eingangs bemerkt,
der „Vorsehung“ bedient. Sie war ihm ein geeignetes Mittel, viele
Christen und sogar hohe Kirchenvertreter für einige Zeit über seine
Ideologie und Absichten zu täuschen. Selbst ein Kardinal Faulhaber,
später so überaus mutig im Widerstand gegen den antichristlichen
Nationalsozialismus, äußerte nach einer Obersalzberger
Begegnung im November 1936: „Der Reichskanzler lebt ohne Zweifel im
Glauben an Gott.“
Neben der Funktion als Maske stellte
die „Vorsehung“ auch eine „zentrale geschichtstheologische
Begründungskategorie“ dar, wie Rainer Bucher, Verfasser des Werkes
„Hitlers Theologie“ (Würzburg 2008) bemerkt: „Die Vorsehung
ist es, welche Hitlers Weg als gerechtfertigt erweist, denn von ihr
werden die Erfolge geschenkt, von ihr die Prüfungen auferlegt.“
Manche Aussagen, die Hermann Rauschning
in seinen historisch nicht unumstrittenen „Gesprächen mit Hitler“
(1940) anführt, könnten tatsächlich mit Aussprüchen großer
Christen verwechselt werden: „Ich habe auch die Überzeugung und
das sichere Gefühl, dass mir nichts zustoßen kann, weil ich weiß,
dass ich von der Vorsehung zur Erfüllung meiner Aufgabe bestimmt
bin. (...) Was wir sind, sind wir nicht gegen, sondern mit dem Willen
der Vorsehung geworden, und solange wir treu, ehrlich und kampfmutig
sind, an unser großes Werk glauben und nicht kapitulieren, werden
wir auch weiterhin den Segen der Vorsehung haben. (...) So gehen wir
auch mit der tiefsten Gottgläubigkeit in die Zukunft. Wäre das, was
wir erreichten, möglich gewesen, wenn die Vorsehung uns nicht
geholfen hätte? Ich weiß es, alles Menschenwerk ist schwer und
vergänglich, wenn es nicht gesegnet wird von dieser Allmacht.“
Das klingt nicht schlecht. Doch bald
schon offenbaren sich die Abgründe, die zwischen der christlich
verstandenen und der völkisch verfälschten „Vorsehung“ liegen:
„Ich möchte der Vorsehung und dem Allmächtigen danken dafür,
dass er gerade mich ausersehen hat, diesen Kampf für Deutschland
führen zu dürfen. (...) Die Vorsehung hat mich zu dem größten
Befreier der Menschheit vorbestimmt. Ich befreie den Menschen von dem
Zwange eines Selbstzweck gewordenen Geistes; von den schmutzigen und
erniedrigenden Selbstpeinigungen einer ‚Gewissen‘ und ‚Moral‘
genannten Chimäre und von den Ansprüchen einer Freiheit und
persönlichen Selbständigkeit, denen immer nur ganz wenige gewachsen
sein können. (. . .) An die Stelle des Dogmas von dem
stellvertretenden Leiden und Sterben eines göttlichen Erlösers
tritt das stellvertretende Leben und Handeln des neuen
Führergesetzgebers, der die Masse der Gläubigen von der Last der
freien Entscheidung entbindet.“
Der „Vorsehungsglaube“, der sich in
Hitlers Worten ausspricht, hat nichts Erlöstes und Frohes an sich.
Er wirkt im Gegenteil hart, rücksichtslos und anmaßend. Mit der
Vorsehung eines Gottes, der sich vom Himmel aus den Geringen und
Armen zuwendet, um sie aus dem Staub zu erheben und der Verachtung zu
entreißen (vgl. Ps 113, 7), hat er nichts zu tun. Daher konnte seine
Folge nur Tod statt Leben sein, Untergang statt Heil, Fluch statt
Segen.
3. Dunkles Schicksal und lichte Vorsehung
Der Mißbrauch, den Hitler mit der
„Vorsehung“ trieb, stellt für uns keine nennenswerte Versuchung
mehr dar. Doch speisen sich gewisse Mißverständnisse, die das
Verhältnis gläubiger Menschen zur Vorsehung auch heute noch
belasten, zum Teil aus den gleichen Quellen. Allzu oft nämlich hat
sich in das christliche Denken eine Auffassung von Vorsehung
eingeschlichen, die mehr mit der Philosophie der Stoiker als mit der
biblischen Offenbarung gemein hat. Der frohe und kraftvolle
Vorsehungsglaube wich dann komplizierten Spekulationen über
Vorherwissen und Vorherbestimmung, und nicht selten nistete sich ein
verdüstertes Gottesbild in den Herzen ein: Statt der festen
Überzeugung, dass Gott Licht ist ohne Finsternis (vgl. 1 Joh 1,5)
und dass Er Rettung und Wahrheitserkenntnis aller Menschen will (vgl.
1 Tim 2,4), spekulierte man über Gottes willkürliche Auswahl der
Verdammten, ja grübelte im Anschluß an den bizarren
protestantischen Mystiker Jakob Böhme (+ 1624) sogar darüber, ob
sich im lichten Urgrund aller Dinge nicht auch ein dunkler,
schrecklicher „Ungrund“ befinde, der sich gleichsam in das Böse
der menschlichen Geschichte hinein entfalte.
Für die Stoa – jene
Philosophenschule des Altertums, die auf Zenon von Kition (+ 264 v.
Chr.) zurückgeht und deren Einfluß bis in die Neuzeit reicht –
bildet die Vorsehungslehre eine Art Grunddogma. Das Geschick des
Kosmos wie der einzelnen Wesen, so die Stoiker, folgt den Gesetzen
eines unverrückbaren Plans. Dieser ist in der alles beseelenden
Weltvernunft, die zugleich Vorsehung und Schicksal genannt wird,
hinterlegt. Die Aufgabe des Menschen kann demnach nur darin bestehen,
sich in den vorherbestimmten Lauf der Dinge einzufügen:
„Bedenke, du bist Darsteller eines Stückes, dessen Charakter der Autor bestimmt, und zwar eines kurzen, wenn er es kurz, und eines langen, wenn er es lang wünscht“, schreibt der Stoiker Epiktet (+ 138 n. Chr) und fährt fort: „Will er, dass du einen Bettler darstellst, so spiele diesen einfühlend; und ein Gleiches gilt für einen Krüppel, einen Herrscher oder einen gewöhnlichen Menschen. Deine Aufgabe ist es nur, die dir zugeteilte Rolle gut zu spielen; sie auszuwählen, steht einem anderen zu.“ (Handbüchlein, 17) In gleichem Sinne fordert der römische Philosophenkaiser Mark Aurel (+ 180 n. Chr.) zur Übereignung an die Vorsehung auf, die er in das Bild der Schicksalsgöttin faßt: „Freiwillig gib dich der Parze hin, damit sie dich verflechte, in welche Verhältnisse sie will.“ (Selbstbetrachtungen IV,34)
Die stoische Lehre mit ihrem stark
lebenskünstlerischen Akzent hat durchaus manche Ähnlichkeiten mit
dem christlichen Glauben. Sind nicht auch wir überzeugt davon, dass
Gott es ist, der unsere Wege bestimmt? Dass wir in heiliger
Indifferenz die uns übertragene Aufgabe zu erfüllen haben, sei sie
nun hoch oder gering? Und dass die Pläne des Herrn unserem Geist
unerforschlich sind?
Tatsächlich finden sich in der
Heiligen Schrift Aussagen, welche die Unergründlichkeit der
göttlichen Ratschlüsse und Seines Waltens hervorheben. „Ich sah
ein“, heißt es im Buch des Predigers (8,17), „dass der Mensch
das gesamte Walten Gottes, das sich unter der Sonne vollzieht, nicht
ergründen kann. Wie sehr er sich auch bemüht, es zu erforschen, er
kann es doch nicht durchschauen. Mag auch der Weise meinen, er habe
es erkannt – er kann es trotzdem nicht finden.“ Und Paulus stimmt
im Römerbrief die hymnischen Verse an: „O Tiefe des Reichtums und
der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind Seine
Entscheidungen und wie unaufspürbar Seine Wege! Denn wer hat den
Sinn des Herrn erkannt? Oder wer ist Sein Ratgeber gewesen? Oder wer
hat Ihm zuerst gegeben, dass Er es ihm vergelten müßte? Denn aus
Ihm und durch Ihn und für Ihn ist alles. Ihm die Ehre in Ewigkeit!
Amen.“ (Röm 11,33-36)
Solche Schriftstellen reden aber, so
sehr sie die Geheimnishaftigkeit der göttlichen Vorsehung betonen,
nicht der Vorstellung eines abstrakten Weltengesetzes oder eines
blinden Schicksals das Wort. Im Unterschied zur Stoa liegt der Plan
nämlich im persönlichen Gott gegründet. „Die Vorsehung ist“,
schreibt der heilige Thomas von Aquin, „nichts anderes als das Bild
der Ordnung der Dinge, wie es in der göttlichen Vernunft lebt.“
(Quaest. quodl. XII,4) Dieses Innere Gottes bleibt uns Menschen zwar
unerforschlich, doch seitdem Er sich als vertrauenswürdiger, überaus
liebevoller Vater geoffenbart hat, besitzt es für uns nichts
Finsteres und Bedrohliches mehr, denn wir wissen, wem wir uns
glaubend anvertraut haben (vgl. 2 Tim 1,13). Und so sehen wir uns
nicht, wie die Stoiker, einem verborgenen, dunklen Ratschluß
gegenüber, sondern sehen diesen geborgen in Gott, in Seinem Herzen,
das „von Geschlecht zu Geschlecht bedacht ist, unsere Seelen dem
Tode zu entreißen und sie im Hunger zu nähren“ (Introitus vom
Herz-Jesu-Fest, nach Ps. 32, Vulg.).
Deshalb auch ist der Tonfall, mit dem
stoische Philosophen über die Vorsehung sprechen, so verschieden von
dem der Psalmen und Weisheitsbücher des Alten Testamentes, der
Bergpredigt Jesu und der Briefe des heiligen Paulus. Aussagen über
einen Gott, der unseren Fuß nicht wanken läßt, sondern unser Gehen
und Kommen am Tag und in der Nacht behütet (Ps 121) und ohne den
kein Sperling vom Dach fällt, ja der alle Haare unseres Hauptes
gezählt hat (Mt 10,29f.) – Aussagen also über die ganz
persönliche Sorge des Allmächtigen in den kleinen, scheinbar
unbedeutenden Belangen sucht man in den Schriften der Stoiker
vergeblich.
Die Vorsehung wird uns in der Bibel
also niemals wie eine unpersönliche Schicksalsmacht oder eine
hochkomplexe, dabei kalte Vernunft vorgestellt, nach deren Plänen
alles gleich einem Uhrwerk abläuft. Wohl betont die Offenbarung die
überweltliche Macht des Schöpfers, dem ausnahmslos alles
unterworfen ist. Doch zugleich unterstreicht sie immer Seine
persönliche, gütige Sorge für Seine Schöpfung, für Sein Volk und
für jeden einzelnen Menschen.
Und während die menschliche Freiheit
gemäß stoischer Lehre von der Vorsehung nahezu erdrückt und
beseitigt wird, kann sie nach christlichem Glauben trotz, ja durch
die unendliche Macht und Wirksamkeit Gottes weiterbestehen. Der
heilige Thomas von Aquin erklärt dazu, Gott sorge für jedes
Geschöpf seiner Weise entsprechend, und da dem Menschen nun einmal
der Gebrauch des Willens eigentümlich sei, nötige ihn die Vorsehung
niemals dazu, das Rechte zu tun (vgl. Contra Gentiles, III,148).
Gerade darin also erweist sich die Überlegenheit und Übermacht der
Vorsehung Gottes, dass Er das freie Eigenwirken der Geschöpfe zuläßt
und es sogar dann, wenn es sich gegen Seine Ordnung richtet, in Seine
ewigen Pläne einzubeziehen weiß!
4. Hingabe an Gottes Vorsehung
Die Betrachtung dieser Zusammenhänge
bewegt uns Menschen zu der einzig angemessenen, dabei sehr schlichten
Konsequenz, die der geistliche Schriftsteller Jean Pierre de Caussade
S.J. (+ 1751) in seinem gleichnamigen Buch auf die klassische Formel
gebracht hat: „Hingabe an Gottes Vorsehung“.
Nicht das Sinnieren über verborgene
Geheimnisse ist von uns verlangt. Vielmehr sollen wir uns von unserem
Herrn immer neu belehren lassen (nach Mt 6,25ff.): Wer sich ganz auf
die Vorsehung stützt, der braucht sich nicht gleich den Heiden und
Kleingläubigen mit Gedanken über die ungewisse Zukunft
herumzuplagen; der himmlische Vater weiß ja, wessen wir bedürfen,
Er selbst übernimmt die Sorge für uns; und so bleibt letztlich nur
die eine Sorge: „Suchet zuerst das Reich und seine
Gerechtigkeit, und das andere wird euch hinzugegeben werden.“ (Mt
6,33)
Gestützt auf die Verheißung, dass
denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht (vgl. Röm 8,28),
ergibt sich so eine vollkommene Ruhe und Sicherheit. Weder Trübsal
noch Bedrängnis, Verfolgung, Hunger, Blöße, Gefahr oder Schwert
können uns ja von der Liebe Christi scheiden (Röm 8,35)! Hier sei
an die 1935 verstorbene Dichterin Hedwig von Redern und ihre Verse
erinnert, die schon vielen Menschen in schwerer Lage Trost und
Zuversicht geschenkt haben:
Weiß ich
den Weg auch nicht, Du weißt ihn wohl;
das macht die Seele
still und friedevoll.
Ist´s doch umsonst, dass ich mich sorgend
müh,
dass ängstlich schlägt das Herz, sei´s spät, sei´s früh.
Du weißt den
Weg ja doch, Du weißt die Zeit,
Dein Plan
ist fertig schon und liegt bereit.
Ich preise Dich für Deiner Liebe
Macht,
ich rühm’ die Gnade, die mir Heil gebracht.
Du weißt,
woher der Wind
so stürmisch weht,
und Du gebietest ihm, kommst nie zu spät;
drum
wart ich still, Dein Wort ist ohne Trug,
Du weißt den Weg für
mich, - das ist genug.
Solche Hingabe an Gottes Vorsehung ist
eine innere Haltung mit reichen praktischen Auswirkungen. Das zeigen
uns große Gestalten des Glaubens wie der heilige Joseph, der sich in
höchster Gefahr für die Heilige Familie gänzlich der Führung des
Himmels überließ, und der heilige Cajetan von Thiene (+ 1547),
Mitbegründer des Theatinerordens, der seinen Brüdern jegliche Sorge
für zeitliche Güter, ja sogar das Betteln untersagte und dafür
andauernd das Eingreifen der Vorsehung erfahren durfte; Leuchten
unserer Religion wie die heilige Theresia von Lisieux (+ 1897), die
allein das Heute aus Gottes Hand annehmen und sich keine Gedanken
über das Morgen machen wollte, und der heilige Papst Pius X. (+
1914), der in der Not der Kirche beständig die Kraft seines
Leitspruchs „Deus providebit – Gott wird sorgen“ erlebte.
„Fröhlich sein, Gutes tun und die
Spatzen pfeifen lassen!“ Dieses Wort des heiligen Don Bosco (+
1888) beschreibt prägnant, wozu die Hingabe an Gottes Vorsehung
schlußendlich führt. Fern von der Anmaßung eines Vorsehungswahns à
la Hitler und fatalistischen Vorsehungsvorstellungen der Stoiker,
befreit sie den Menschen nicht nur von drückenden Sorgen und
Ängsten, sondern auch vom Schwergewicht seines Ich. Wer Gott
vertraut, der kann sich leicht nehmen! Und so wird ihn die Vorsehung
sicher durch das Leben führen und ihn hoffnungsfroh der ewigen
Heimat entgegenschweben lassen.
+ + +
Herr, wie Du willst, soll mir gescheh'n,
und wie Du willst, so will ich geh'n,
hilf Deinen Willen nur versteh'n.
Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit,
und wann Du willst, bin ich bereit,
heut und in alle Ewigkeit.
Herr was Du willst, das nehm ich hin,
und was Du willst, ist mir Gewinn,
genug, dass ich Dein Eigen bin.
Herr, weil Du's willst, drum ist es gut
und weil Du's willst, drum hab' ich Mut,
mein Herz in Deinen Händen ruht.
Pater-Rupert-Mayer-Gebet