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Samstag, 5. April 2014

Neue Sünden?

Ja, man könnte Stunden damit zubringen, die Kirchenberichter-stattung in den Zeitungen zu durchstöbern, um darauf mit Richtigstellungen oder auch satirischen Artikeln zu antworten. Welcher Ansammlung von Unkenntnis, Missverständnissen und religiöser Sprachunfähigkeit begegnet man da! Tatsächlich ist sich der katholische Leser oft nicht sicher, ob er den Journalisten zürnen soll oder nicht doch eher Mitleid mit ihnen haben muss, da sie offensichtlich über Dinge zu schreiben versuchen, von denen sie wenig bis nichts verstehen. 

So war am 11. März 2008 in der als renommiert geltenden deutschen Zeitung „Die Welt“ zu lesen: „Zu den von der kathaolischen (!) Kirche definierten sieben Todsünden gehören ansonsten Hochmut, Geiz, Neid, Zorn, Wolllust, Völlerei und Faulheit. Wer diesen Lastern frönt, kommt nach der traditionellen Lehre ins Fegefeuer. Nur wer seine Sünden bei der Beichte bereucht (!), kann der Hölle entgehen.“ (Rechtschreibfehler aus dem Original übernommen.) Soll man über einen solchen Unsinn lachen oder weinen? 

Der zitierte Artikel behandelt nicht die sieben Hauptsünden (oft fälschlich „sieben Todsünden“ genannt), sondern die angeblichen „neuen Sünden“, die „der Vatikan“ jüngst „definiert“ haben soll. Auch in anderen Zeitungen war darüber ähnlich Unerleuchtetes zu lesen. Eigentlich kaum der Rede wert, wäre da nicht die Unsicherheit mancher Katholiken, die sich mit der Frage herumquälen: „Ja, kann das der Vatikan denn einfach so: neue Sünden festlegen?“ 

Die Antwort darauf lautet kurz und bündig: Nein, er kann es nicht einfach so. Er hat es auch gar nicht getan und wird es nicht tun. Das ist die schlichte Wahrheit. Demnach wäre also die Pressemeldung einfach erlogen? Irgendeinen wahren Kern muss die Angelegenheit doch haben, sollte man meinen. Welcher Vorgang also hat zu den Schlagzeilen über die „neuen Sünden“ geführt? 

Das ist rasch erzählt. Zunächst geht es in der Sache nicht um Aussagen „des Vatikans“, etwa des Papstes selbst oder des offiziellen Vatikansprechers. Vielmehr war es ein Bischof von der Apostolischen Pönitentiarie namens Gianfranco Girotti, der sich gegenüber dem Osservatore Romano äußerte und von einigen Sünden sprach, die „gleichsam als Begleiterscheinungen der unaufhaltsamen Globalisierung am Horizont der Menschheit auftauchen“. Er rief die altbekannte und doch nicht immer hinreichend bedachte Tatsache in Erinnerung, dass sündhaftes Verhalten nicht nur das Individuum betrifft, sondern auch eine soziale Dimension aufweist. Bestimmte Verfehlungen gewinnen gerade in einer mehr und mehr zusammenwachsenden Welt einen besonders verhängnisvollen Einfluss auf die menschliche Gemeinschaft. 

Bischof Girotti wollte keineswegs – wie in Zeitungen zu lesen war – einen Katalog von „sieben neuen Todsünden“ aufstellen, als er folgende Dinge beim Namen nannte: Drogenhandel und -konsum; Missbrauch von Kindern und Jugendlichen; Umweltverschmutzung; Prostitution; Genmanipulation bei Menschen; Profitgier auf Kosten anderer; Geldverschwendung für Luxusartikel. Dennoch wird jeder, der es recht bedenkt, zugeben müssen, dass es sich hierbei um Schandtaten von verheerender Wirkung handelt. 

Girotti hat tatsächlich hochaktuelle Probleme angesprochen. Um so mehr erstaunt es, dass ausgerechnet diejenigen, die der Kirche ansonsten vorhalten, sie hänge an ihren alten Dogmen und Geboten und werde den heutigen Themen nicht gerecht, für diese Wortmeldung eines Bischofs wieder nur Kritik und Hohn übrig haben. „Moderne Menschen könnten jubeln, dass die Kirche sich mit heutigen Fragen befasst. Doch die Medien verdrehen die Sache total“, bemerkte dazu richtig der damalige Radio-Vatikan-Pater Eberhard von Gemmingen. Man kann es ihnen eben nicht recht machen – und sollte es daher auch gar nicht versuchen! 

Im übrigen sind die angeblich „neuen Sünden“ so neu nicht. Jede von ihnen lässt sich mühelos auf die 10 Gebote des Alten Bundes und das Doppelgebot Jesu zurückführen, so auf den Schutz des Lebens, des Eigentums und der geschlechtlichen Ordnung, auf die liebende Ehrfurcht vor dem Schöpfer und Herrn sowie vor Seinem Ebenbild, dem Menschen. Auch die Beziehung zu den klassischen sieben Hauptsünden, namentlich zum Hochmut, zur Habgier und zur Unzucht, liegt auf der Hand. Die Verfehlungen, die Bischof Girotti erwähnt, sind nichts anderes als Auswüchse der alten Sünden in der neuen Welt. Darüber kann die Kirche nicht schweigen, ohne ihre Sendung für das Heil der Seelen wie für das Gemeinwohl zu verraten.

 
P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad




Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- der Artikel wurde anlässlich dieses WELT-Artikels vom 11.03.2008 verfasst


2 Kommentare:

  1. "Die Welt" - wahrlich: Qualitätsjournalismus... :-))

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  2. Naja,. wenn Geldverschwendung eine Quellsünde wäre, dann hätten wir alle keine Chance!
    Weil das meiste, was für uns selbstverständlich, ist, wäre für unsere Vorfahren purer Luxus, so Sachen wie eine Kaffeemaschine, fließendes warmes Wasser, Geschirrspüler u.ä.
    Ich finde davon mal abgesehen, wie komplex das Thema ist, weil ich mir ab und an mal ausmale, was wäre, wenn man bei uns von jetzt auf nachher, aufhören würde das Geld für "Luxus" auszugeben, und zu dem Schluss komme, dass unsere Wirtschaft komplett
    zusammenbrechen würde; also davon abgesehen wünsche ich mir, die DBk würde mal anfangen all diese Dinge die da tagtäglich verbraten werden, einfach richtigzustellen, z.B via Leserbrief.
    Es wäre bestimmt hiflreich, auch wegen der Verunsicherung der Katholiken

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