Von Pater Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Es ist gar nicht so einfach, dem
durchschnittlichen Menschen unserer Tage die himmlischen Freuden
schmackhaft zu machen. Womit können wir ihn denn noch locken? Mit
der ewigen Ruhe vielleicht, die unsere Liturgie für die Toten
erbittet? Wohl kaum, denn damit verbindet sich für die meisten eher
der Gedanke an unerträgliche Langeweile als die Ahnung höchsten
Glückes. Welche Qual, sich irgendwo aufhalten zu müssen, wo „nichts
los ist“! Action ohne Ende wäre da schon attraktiver.
Auch mit der verheißenen Gemeinschaft
der Heiligen werden sich die meisten nicht recht anfreunden
können. Hatte nicht schon Oscar Wilde angedeutet, dass die
Gesellschaft in der Hölle interessanter sein müsse als die
himmlische? Das Wort „Heilige“ lässt vor dem inneren Auge des
modernen Menschen vermutlich eine Ansammlung entrückter Gestalten
mit gefalteten Händen und in die Höhe gerichtetem Blick erstehen.
Man fühlt sich recht unwohl bei der Vorstellung, die Ewigkeit mit
solchen Wesen in einer Art jenseitigem Kloster verbringen zu müssen.
Und die visio beatifica, die von
der Tradition der Kirche als die eigentliche Erfüllung und
Beseligung der Erlösten bezeichnet wird; die beseligende Schau also,
in der wir Gott sehen werden, wie Er ist (1 Joh 3,2), von Angesicht
zu Angesicht (1 Kor 13,12)? Auch der Hinweis auf sie lässt
wahrscheinlich nur wenige Herzen höher schlagen. Der Grossteil
unserer Zeitgenossen, gewohnt an ein rasches und abwechslungsreiches
Leben und Erleben, bringt nicht einmal Verständnis und geistige
Kraft für das intensive und verweilende Betrachten einer Landschaft
oder eines Kunstwerkes auf, geschweige denn für religiöse
Beschaulichkeit. Information und Unterhaltung sind gefragt, nicht
Kontemplation. Sinnbild für diese Mentalität ist das Verhalten
vieler Menschen vor dem Fernseher: Die Bilderflut eines einzigen
Filmbeitrags reicht ihnen nicht aus, deshalb „zappen“ sie
beständig von einem Programm ins andere. Wie soll man unter solchen
Voraussetzungen ein Verlangen nach der ewigen Anschauung Gottes
erwarten?
Da sind die Paradiesesvorstellungen des
Islam für viele weitaus ansprechender: leckere Speisen, schöne
Frauen, Erfüllung aller sinnlichen Sehnsüchte... Ja, ein
Schlaraffenland müsste uns im Jenseits erwarten; eine Welt mit
Flüssen von Milch, Honig und Wein, mit Häusern aus Kuchen und mit
gebratenen Hähnchen, die herumfliegen und auf Wunsch sogleich im
geöffneten Mund des beglückten Menschen landen. Und für den
Menschen des 21. Jahrhundert könnte das alles noch phantastisch
erweitert werden. – Jedenfalls wirkt das ewige Ziel, das uns der
christliche Glaube erhoffen heißt, gemessen an solchen Träumen
ziemlich blass und wenig reizvoll.
Es stellt sich allerdings die Frage,
wer die Schuld daran trägt. Wenn sich z.B. eine große Mehrzahl
unserer Zeitgenossen stärker von den aktuellen Eintagsfliegen der
Medienwelt als von den Gipfeln unserer Kultur angezogen fühlt: Ist
das nicht eher dem geistigen Klima der Zeit und der Einstellung der
Menschen als den Werken der herausragenden Dichter und Musiker
anzulasten? Niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass Bachs
Matthäuspassion größere Herrlichkeiten und Kostbarkeiten
bereithält als irgendein Hip-Hop-Song. Aber das musikalische
Wunderwerk ist eben auch ungleich anspruchsvoller. Es setzt beim
Hörer ein höheres Maß an Sensibilität und Hingabe voraus, es will
erobert werden. Sollten im Bereich der Religion nicht vergleichbare
Gesetze walten? Man muss davon ausgehen.
Somit liegt die Korrekturbedürftigkeit
nicht bei der christlichen Lehre von der himmlischen Glückseligkeit,
der beseligenden Gottesschau. Korrekturbedürftig ist vielmehr der
heutige Mensch, der jeden Sinn für die Kontemplation, diese edle
Begabung seiner Seele, verloren hat. Korrekturbedürftig ist eine
Welt, die uns mit ihrem polierten Oberflächenglanz und hohlen
Dauer-Entertainment zum Kult der Nichtigkeit und zum Haschen nach
Wind (Pred 1,14) erzieht; die uns einredet, unser Gott sei der Bauch
(Phil 3,19), und uns anleitet, ihm so zu huldigen, dass wir das
Verlangen nach der künftigen Sättigung verlieren.
Welche Herausforderung stellt es gerade
heute für die Kirche und ihre Verkünder dar, die Sehnsucht der
Menschen nach dem Himmel neu zu wecken und sie für die Gottesschau
zu bereiten! Die Aufgabe ist gewaltig, aber sie will angegangen sein.
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
+ + +
Aus der Geheimen Offenbarung des Johannes (Apokalypse) 4:
Danach sah ich: Eine Tür war geöffnet am Himmel; und die Stimme, die vorher zu mir gesprochen hatte und die wie eine Posaune klang, sagte: Komm herauf und ich werde dir zeigen, was dann geschehen muss. Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen.
Und ich sah: Ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer, der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah. Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt.Von dem Thron gingen Blitze, Stimmen und Donner aus. Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes. Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte, rings um den Thron, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten. Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler. Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen.Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war und er ist und er kommt. Und wenn die Lebewesen dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank erweisen, dann werfen sich die vierundzwanzig Ältesten vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt. Und sie legen ihre goldenen Kränze vor seinem Thron nieder und sprechen: Würdig bist du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen.
Brücke zum Himmel - Die Liturgie:
+ + +
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen