Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
Fortsetzung: V. Schäden/ 2. Im Einzelnen
f) Der Katechismus der katholischen Kirche
Ein
besonders instruktives Beispiel, wie die progressistischen Theologen
mit Äußerungen des höchsten kirchlichen Lehramtes umgehen, ist ihr
Verhalten gegenüber dem Katechismus der katholischen Kirche.
Ich
verweise auf das Buch des Fundamentaltheologen Verweyen (40). Die
Behandlung des Lebens Jesu in dem Katechismus charakterisiert er als
"einen ... historisierenden Jesus-Roman" (S. 23). Das ist Kritik daran,
dass das Buch der unhistorisch-hysterischen Kritik an den Evangelien
nicht genügend Raum gibt. Der Katechismus "bürstet ... das
Lukasevangelium gegen den Strich" (24). Der unvermittelte Übergang von
der Auswahl der Zwölf zur kirchlichen Hierarchie ist "von der Warte
theologischer Wissenschaft her geradezu skandalös" (25). Der Umgang der
Schrift im Katechismus ist "fundamentalistisch" (25). Der Katechismus
fällt in die "neuscholastischen Denkgewohnheiten" zurück (35). Der
Vorwurf "neuscholastischer Begrifflichkeit" (137) ist bekanntlich
beinahe als solcher tödlich. Und das im Munde der Pluralismuspropheten!
Das Zurückgreifen auf das Erste Vatikanische Konzil mit seinen präzisen
Aussagen ist für Verweyen gewissermaßen der große Sündenfall des
Katechismus.
Unverzeihlich ist für ihn, dass der
Katechismus angeblich nicht bei den Vorgaben, die das Zweite
Vatikanische Konzil gemacht hat, bleibt, sondern über sie hinweggeht.
Diese Anklage kommt in seiner Schrift an vielen Stellen vor. Aus dem
Buch von Verweyen ist freilich auch zu ersehen, welche Gefahren die
vielfach unklaren, schwammigen Formulierungen des Zweiten Vatikanischen
Konzils für den Glauben der Kirche bedeuten. Verweyen beanstandet, dass
der Katechismus "eine der Kirche vom Heiligen Geist verliehene Gabe der
geistlichen Auslegung der Schrift behauptet" (51) (vgl. Dei verbum). Offensichtlich
existiert sie für ihn nicht. Seine Sympathie gilt modernistischen
Theologen wie Alfred Loisy (57).
Zu der Auslegung, die
der Katechismus dem Messiasbekenntnis des Petrus zuteil werden lässt,
schreibt Verweyen spöttisch: "Als Hellseher war mir Petrus noch nicht
bekannt" (66). In solchem nörgelndem Ton ist die gesamte Schrift
gehalten.
Es mag durchaus sein, dass nachkonziliaren
Christen vieles in dem Katechismus "fremd und manchmal sogar anstößig
erscheint (67). Das liegt aber nicht an dem Katechismus, sondern an der
nachkonziliaren Theologie, welche das Glaubensbewusstsein der
Kirchenglieder entscheidend verdorben hat.
In der
Darstellung der Christologie findet Verweyen "einen kleinen Rückfall in
den Monophysitismus" (68). In der Darstellung der Jungfräulichkeit
Mariens "vermischt sich fromme Spekulation mit theologischer Unschärfe
(71). Bei der Lehre von der Kirche stellt er "exegetisch haarsträubende
Übergänge" fest (76).
Johannes Paul II. sieht in dem
Katechismus "die reifste und vollendeteste Frucht der Lehre des Konzils"
(Predigt vom 8. Dezember 1992: L'Osservatore Romano 22, 1992, Nr. 52/53
vom 25. Dezember1992, 10). Verweyen schreibt dagegen: "Hier weht ein
anderer Geist als auf dem letzten Konzil" (77). Der Papst erblickt in
dem Katechismus eine sichere Norm für die Lehre des Glaubens" und einen
Dienst an der "Erneuerung" (Katechismus der katholischen Kirche 34).
Verweyen wirft hingegen dem Katechismus "gravierende
Fehlinterpretationen" des Konzils vor (80) und spricht in diesem
Zusammenhang von einem "Ärgernis", "das in der Geschichte lehramtlicher
Aussagen nach seinesgleichen sucht" (80).
Die
Ausführungen des Katechismus über die Kirche als Leib Jesu Christi sind
"weitestgehend unzutreffend" (79). Eine Aussage über die Sammlung des
Gottesvolkes ist "unsinnig" (79). Nach Verweyen haben die Konzilsväter
"eine volle Identifikation der Kirche des Credos mit der
römisch-katholischen Kirche abgelehnt" (80). Der Katechismus erfährt Lob
von Verweyen, wenn er Formulierungen gebraucht, die "geradezu von Hans
Küng stammen" könnten (91).
Die Ausführungen des
Katechismus über die geschichtliche Seite der Auferstehung bleiben
dagegen "im Rahmen vorkonziliarer Apologetik" (92). In den Darlegungen
zur Erhöhung Jesu finden sich nach Verweyen ein "Widerspruch" und
"Ungereimtheiten" (93). Der Katechismus versucht im Ganzen, "das Rad der
verbindlichen katholischen Lehre auf eine vorkonziliare Stellung
zurückzudrehen" (95), wobei er "sophistisch" vorgeht (96). Für die in der
nachkonziliaren Theologie Aufgewachsenen ist der Katechismus
"reaktionär" und "fundamentalistisch" (100). Verweyen wirft dem
Katechismus Beteiligung an "der Demontage wirklicher Lehrautorität" vor
(113).
So also geht Herr Verweyen, der an der
theologischen Fakultät Freiburg die Studierenden in die Fundamente der
Theologie einführen soll, mit einem so gewichtigen lehramtlichen
Dokument, wie es der Katechismus der katholischen Kirche ist, um.
Niemand hat ihn meines Wissens in die Schranken gewiesen.
Ich
will noch einen weiteren Kritiker des Weltkatechismus erwähnen, den
Redakteur der sattsam bekannten "Herder-Korrespondenz", Ulrich Ruh. Ruh
arbeitet mit anderen Mitteln, um den Katechismus um seine Wirkung zu
bringen. Er bemerkt, der Katechismus sei "noch nicht von der Kirche
rezipiert" (6). Dass er nicht rezipiert wird, dafür wird die
Ablehnungsfront der progressistischen Theologen sorgen. Sein
Haupteinwand besteht wohl darin, dass der Katechismus der sogenannten
historisch-kritischen Exegese, d. h. der Auflösung der Schrift durch
vorgefasste Meinungen, nicht folgt (66f). Der Katechismus ist ihm auch
nicht genügend selbstkritisch gegenüber der katholischen Kirche ((68f).
Ruh rügt, dass im Katechismus der katholischen Kirche "Theologie und
Frömmigkeit" des Protestantismus "ausgespart" werden (71).
Der
oft gemachte Vergleich mit dem deutschen Erwachsenenkatechismus fällt
regelmäßig zu Ungunsten des Weltkatechismus aus (81, 83, u. ö.), was
einleuchtet, wenn man bedenkt, dass der deutsche Katechismus von Walter
Kasper stammt. Ruh rügt, dass der Katechismus nicht "neuere theologische
Theorien oder Überlegungen zur individuellen und kollektiven
Eschatologie" aufgreift (91). Dass der Katechismus "ausführlich und
affirmierend" über den Ablass handelt, gefällt ihm nicht (95). Auch "ein
überhöhtes Priesterbild", das der Katechismus angeblich bietet, passt
ihm nicht (98).
Bezüglich der moraltheologischen Partien vermisst Ruh die Berücksichtigung der "Neuorientierung der
Moraltheologie" (102). Gemeint sind wohl die irrigen Ansichten von
Leuten wie Böckle, Auer und Fuchs.
Im Katechismus
dominiert "das geschichts- und wirklichkeitsenthobene Ordnungsdenken"
(110). Die Einwände progressistischer Moraltheologen gegen die
verbindliche Sexualmoral der Kirche gelten nach Ruh auch gegenüber dem
Weltkatechismus (113f). Im Ganzen ist der Katechismus für die Aufgabe,
die er sich gesetzt hat, eher ungeeignet als geeignet, weniger "sichere
Norm", mehr "Ausdruck von Unsicherheit und Verlegenheit" (136).
So
also behandelt ein Mann, der als Redakteur der Herder-Korrespondenz die
progressistische Verbildung der katholischen Laien betreibt, das
Lehrdokument des Papstes.
Mancher Gegner des
Katechismus lässt es bei verbalen Attacken nicht bewenden. Der
Paderborner Theologe Peter Eicher wandte sich deswegen an den
Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, den dezidierten
Protestanten Rau, und suchte ihn gegen den Katechismus zu mobilisieren.
Er wollte erreichen, dass der Weltkatechismus im Lande
Nordrhein-Westfalen nicht als ordentliches Lehrmittel zugelassen wird
(41). (Anm.: Peter Eicher ist Unterzeichner des Memorandums „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“) So also steht es um die Stellung von Theologen zu Äußerungen des höchsten Lehramtes der Kirche.
(40) Hansjürgen Verweyen, Der Weltkatechismus: Therapie oder Symptome einer kranken Kirche?, Düsseldorf 1993
(41) Eicher, Wie kannst Du noch katholisch sein? 173
Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen
Weiteres zum Thema "Katechismus":
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen