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Dienstag, 4. Februar 2014

Fehlentwicklungen im Bistum Limburg: Kirchenhistoriker Walter Brandmüller bestätigt Kircherechtler Georg May

Am vergangenen Samstag veröffentlichte "Die Tagespost" einen Beitrag des Kirchenhistorikers Walter Brandmüller über die Vorgeschichte des derzeit in der Diözese Limburg bestehenden Konfliktes über die Richtung der Pastoral und dem Selbstverständnis von Kirche generell. Der Kardinal und ehemalige "Chefhistoriker der vatikanischen Kurie" legt dar, dass es sich von Seiten einer laiendemokratischen Bewegung im Bistum - leider  oftmals mit klerikaler Unterstützung bzw. Duldung - um eine verhängnisvolle Fehleinschätzung und einem Unverständnis des tatsächlichen Wesens der von Christus gegründeten Verfassung der Kirche handelt. Brandmüller schreibt über dieses Missverständnis:
Es ging nicht so sehr um das Apostolat in Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur, sondern – wie es einmal formuliert wurde – um das „Apostolat der Laien in (Anm.: innerhalb) der Kirche“.

Dem entsprach dann auch die Präambel zum Entwurf dieser „Synodalordnung“: „Das Volk Gottes im Bistum Limburg ... gibt sich folgende Grundordnung ...“. Das allerdings war auch Ausdruck eines Verständnisses von Kirche, das nicht mit dem Glauben der Kirche vereinbar war: die sakramental-hierarchische Verfassung war hier durch ein demokratisches Modell ersetzt. „Alle Gewalt geht vom Volke aus“, hieß es da, während Jesus zu den Aposteln sagt: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ...“. Gegen diese verfälschende Umdeutung erhob der bedeutende Münchener Kirchenrechtler und Konzilsperitus Klaus Mörsdorf entschiedenen Protest: 'Vorstellungen dieser Art stehen in offenem und unlöslichem Widerspruch zu der vom Konzil vorgetragenen Lehre von der Kirche als dem neuen Gottesvolk.'

Die Errichtung verschiedener Laiengremien, die von vornherein ihre Aufgabe darin sahen, der kirchlichen Hierarchie das alleinige (göttliche) Recht des Leitungsamtes streitig zu machen, führten trotz Widerstand des damaligen Diözesanbischofs Kempf und manch anderer warnenden Stimmen zu Parallelstrukturen, nicht nur von Räten und sogenannten "Versammlungen", sondern auch eine Parallelstruktur des (klerikalen und/oder laikalen) Räte-, Vertammlungs- und Gremienwesens neben dem der kirchlichen Hierarchie göttlichen Rechtes. Kardinal Brandmüller führt aus:
Bezeichnend hierfür war die Präambel zum ursprünglichen Entwurf der „Synodalordnung“, wo man – wie erwähnt – tatsächlich hatte lesen können: „Das Volk Gottes im Bistum Limburg ... gibt sich folgende Grundordnung ...“

Auch wenn dieser Text schließlich geändert wurde, lässt er doch die im Folgenden keineswegs preisgegebenen Ideen seiner Verfasser erkennen: Das Bistum Limburg – die Kirche – ist eine parlamentarische Demokratie. Deswegen auch die limburgische Parallelstruktur von Räten und Versammlungen, die genau das Gegenüber von Regierung und Parlament im demokratischen Staat widerspiegelt. Da ist dann auch ständig von „Amtsträgern“, „Mandatsträgern“ und ihrem Verhältnis zueinander die Rede. Die „Mandatsträger“ werden als durch Wahl legitimierte Vertreter des (Kirchen-)Volkes angesehen.

Bezeichnend ist die Feststellung: „Allein die Tatsache, dass nunmehr von Amtsträgern und Mandatsträgern gesprochen wird (und nicht etwa von Priestern und Laien) war (und ist noch immer) neu in der Kirche.“ Wenn man dann überdies noch liest: „Die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören, ebenso wie die Kapläne, eindeutig auf die Seite des Amtes ... Sie haben Anteil an der Leitung der Pfarrgemeinde“, dann erheben sich erneut schwerwiegende theologische Bedenken. Unterschiedslos Priester und pastorale Mitarbeiter nebeneinander und beide gleichermaßen den gewählten Mandatsträgern gegenüberzustellen, bedeutet nichts anderes, als dass das Weihesakrament in der Sicht der Verfasser für den Dienst in der Kirche kaum noch Bedeutung besitzt. So aber lesen wir schon bei Martin Luther in seinen Kampfschriften des Jahres 1520. Wiederum sieht Klaus Schatz richtig: „Manche Wunschvorstellungen über die Beteiligung der Mandatsträger an Entscheidungen der Amtsträger standen im Widerspruch zu den kirchenrechtlichen“ (und, so ist hinzuzufügen: dogmatischen, der Verfasser) Gegebenheiten. Es wundert, wie unbekümmert man über kirchenrechtliche Bestimmungen hinweggehen zu können glaubte.“ (Quelle: "Die Tagespost" am 01.02.2014; hier via kath.net)

Damit kommt der Kirchenhistoriker zu denselben Ergebnissen, wie der Mainzer Kirchenrechtler em. Georg May. Dieser hatte sich bereits in einer 1997 erschienenen Schrift, die bezeichnenederweise den Titel "Die andere Hierearchie" trägt, mit den bedenklichen Entwicklungen innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland auseinandergesetzt. Darin stellt May fest: "Der Aufbau der anderen Hierarchie ist am weitesten fortgeschritten in der Diözese Limburg...". Allerdings ist dies Entwicklung nicht beschränkt auf das Bistum Limburg. Auch andernorts gibt es gleiche oder ähnliche demokratisierende Strukturen, die der kirchlichen Verfassung fremd sind.

May weist auf den Unterschied hin, zwischen dem Amt in der Welt, das allein Träger von Funktionen, aber nicht an die Person gebunden ist (diese ist vielmehr austauschbar) und dem wesentlich anderen Amt in der Kirche, das durch das Weihesakrament an die Person gebunden ist und deren Träger durch dessen Repräsentation Jesu Christi nicht (durch Nichtgeweihte) austauschbar ist:
Das Amt in der Welt ist eine Bündelung von Funktionen, Funktionen sind Verrichtungen innerhalb eines Sozialgebildes, die dem Funktionsträger von diesem zugewiesen werden. An sich ist das Sozialgebilde Urheber und Besitzer der Verrichtungen, die lediglich aus Gründen der Ordnung und der Übersichtlichkeit bestimmten Personen auferlegt werden. Der Träger der Funktionen ist grundsätzlich auswechselbar.
Die Funktionen verleihen nicht bleibende, unaufhebbare Autorität und keine echte, wesenhafte Repräsentation. Der Funktionsträger ist lediglich der äußere Vollzieher von Augaben und Tätigkeiten. Er muss gewiss fachlich für seine Aufgabe ausgebildet sein, aber er benötigt nicht eine bleibende Prägung seiner Person.
Anders in der Kirche. Das priesterliche Amt unterscheidet sich wesentlich von Ämtern in der Welt. Denn es geht nicht in Bezügen und Funktionen auf, die beliebig verteilt und ausgetauscht werden können. Das Amt ist vielmehr personal gebunden, eben an die Person Jesu Christi, dem der Amtsträger angeglichen wird.
Das priesterliche Amt geht darum weit über die bloße Funktionalität hinaus. Der Geweihte empfängt eine personale Prägung, die das Sein bestimmt; er erhält ein unauslöschliches Zeichen, das die unverzichtbare Grundlage für jede im Namen Christi vollzogene Funktion ist. (Quelle)

Ebenso wie der Kirchenhistoriker Brandmüller und der Kircherechtler Georg May sah der bereits verstorbene Kardinal und Dogmatiker Leo Scheffczyk ein Problem in der Demokratisierung der Kirche. Er sprach angesichts der parallelhierarchischen Bestrebungen von einem "gärenden Revolutionismus" in der Kirche, demzufolge "ein für den unversehrten Fortbestand der Catholica entscheidungsvoller Kampf entbrannt ist". Diesen Kampf erleben wir momentan öffentlich in der Diözese Limburg, dessen rechtgläubiger Bischof  (ganz abgesehen von möglichen persönlichen Verfehlungen, denen wir alle einmal erliegen) Opfer der Revolutionäre ist.

Rom hat das Übel, dass vor allem in den reichen Kirchen des Westens ein Problem darstellt, erkannt und im Jahre 1997 die "Instruktion über die Mitwirkung der Laien am Dienst der Priester" veröffentlicht. Dieses Dokument wurde von acht Kongregationen und Räten des Heiligen Stuhls unterzeichnet und von Papst Johannes Paul II. am 13. August 1997 "in forma specifica", 'in besonderer Form', approbiert. Dies zeigt die Bedeutung und Dringlichkeit dieser Verlautbarung, die freilich in deutschen Landen auf taube Ohren gestoßen zu sein scheint. Es wäre im deutschen Katholizismus dringend notwendig, umzukehren und sich im Sinne der genannten Instruktion neu zu orientieren. Die Krise im Bistum Limburg könnte ein Wendepunkt für diese ansonsten verhängnisvolle Fehlentwicklung sein.




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