Montag, 10. Februar 2014

Ehe- und Familienpastoral in deutschen Bistümern: Hier hat das Defizit Tradition...

Ermutigendes Interview mit Norbert und Renate Martin

Ein wunderbares Interview mit Norbert und Renate Martin hat die katholische Zeitung "Die Tagespost" am vergangenen Samstag (DT vom 07.02.2014, Nr. 16, S. 5/6) veröffentlicht. Das Ehepaar aus Vallendar bei Koblenz steht der Schönstatt-Bewegung nahe. Beide wurden im Jahr 1980  als Auditoren zur Welt-Bischofssynode nach Rom eingeladen, wo sie als erste Laien vor einer Synode sprachen. Kurz darauf wurden sie in den "Päpstlichen Rat für die Familie" berufen, dem sie bis heute angehören.

Die Eheleute sprechen über die Ergebnisse der jüngsten Fragebogen-Aktion des Vatikans über Ehe und Familie im Hinblick auf die außerordentliche Bischofssynode im Oktober diesen Jahres, über realistische und unrealistische Erwartungen an die Kirche und ihre Lehre. Eine aus dem christlichen Glauben geprägte Sicht der Dinge, die Freude und Mut macht, sich mit dem Thema Ehe und Familie auch anhand der kirchlichen Dokumente auseinanderzusetzen.

Das Interview macht deutlich, dass es viel zu tun gibt , ja, dass wir im Grunde erst - oder wieder, nach einem totalen Zusammenbruch - am Anfang einer Ehe- und Familienpastoral stehen, die in besonderer Weise von begeisterten und überzeugten Aposteln abhängig ist. Norbert und Renate Martin geben Zeugnis davon, dass es diese Apostel - auch in Deutschland - gibt. Und das macht Hoffnung.

Auszüge aus dem Interview mit der "Tagespost":
Renate Martin: (...) Es gibt bei uns Gruppierungen in der Kirche, in denen die Dokumente nicht nur bekannt sind, sondern in denen sie auch in kleinen oder größeren Kreisen sorgfältig studiert werden. Es ist eine große Freude, wenn man mit diesen Gruppen spricht, zu erleben, dass sie sich begeistern können für das, was die Kirche zur Ehe allgemein und zur sakramentalen Ehe im Besonderen sagt. Für Menschen aller Altersstufen scheint dann die Würde von Ehe und Familie auf, ihnen geht auf, dass hier eine echte Berufung auf uns wartet, die uns zum Glück und zur Vollendung führt, wenn wir die Gnade Gottes an uns wirken lassen – mag das auch spezifische Opfer verlangen. Es gibt die Akzeptanz der kirchlichen Dokumente. Dennoch stimmt auch, was Sie ansprechen: weite Kreise haben nie etwas von dem großen Familiendokument „Familiaris consortio“ (1981), dem tiefgründigen „Brief an die Familien“ (1994), dem so wichtigen Dokument zur Bioethik „Donum vitae“ (1987 – alle unter Papst Johannes Paul II.) und der Fortschreibung von „Donum vitae“ in „Diginitas personae“ (2008) unter Benedikt XVI. gehört, geschweige dass sie es in der Hand gehabt oder gar ganz gelesen hätten. (...)

Norbert Martin: Die Lektüre solcher Dokumente erfordert Offenheit – nicht schon Akzeptanz – für deren Argumente. Wer nur in ihnen sucht, ob bestimmte Positionen endlich aufgegeben werden, und nicht weiterforscht, warum sie nicht aufgegeben werden, der findet keinen Zugang, ärgert sich und greift nicht mehr nach dem Text. So erging es „Humanae vitae“ (1968) und später auch „Familiaris consortio“. Und wer dann noch weiter forscht, kommt wohl zu dem Schluss, dass der Blick sehr vieler unserer Glaubensbrüder und -schwestern für die Einzigartigkeit des in den Dokumenten entfalteten christlichen Menschenbildes getrübt ist.

Renate Martin:  Wir haben in unserer praktischen Familienarbeit über Jahrzehnte hin selbst erfahren, dass man „Humanae vitae“, „Familiaris consortio“, die Aussagen des Katechismus der Katholischen Kirche, die „Theologie des Leibes“ von Papst Johannes Paul II., sehr wohl vermitteln kann. Allerdings ist es klar, dass sich der innere Sinn der Texte nur dem erschließt, der sich ihnen mit einer Grundhaltung des „sentire cum ecclesia“, einer seelischen und intellektuellen Offenheit des Hörens nähert.

Norbert Martin: Die Lehre der Kirche ist ja kein „autoritativer Ansatz“, sondern eine Hilfe zur Selbstentfaltung, eine Aufforderung zur freien Zustimmung, die in der praktischen Umsetzung das Leben sinnvoller, glücklicher, freier macht. Unzählige Eheleute erleben das in dem Sinn, der Papst Franziskus sagen lässt: Es geht um den Geist „der uns jeden Tag neu entdecken lässt, dass wir Träger eines Gutes sind, das menschlicher macht und hilft, ein neues Leben zu führen („Evangelii Gaudium“, 264). (...)

Die Defizite in der Ehevorbereitung existieren augenscheinlich und bei uns nicht erst seit den letzten Jahren. Schon in den 80er Jahren hat der „Päpstliche Rat für die Familie“ ein ausgefeiltes Programm der Ehevorbereitung vorgelegt, das auch in vielen Ländern rezipiert wurde. Als wir 1980 zur Bischofssynode über die christliche Familie in Rom waren, sah das nicht wesentlich anders aus als heute, und auch meine Mutter erlebte Ehevorbereitung in den 30er Jahren schon, erlauben Sie, als Farce. Hier hat das Defizit Tradition! (...)

Renate Martin:  (...) Bei der „Freiburger Handreichung“ werden Hoffnungen geweckt, die notwendigerweise zu Enttäuschungen und Frustrationen führen, die wiederum die Distanzierung verstärken. Das führt zu einer weiteren Entkirchlichung. Bei der ganzen Frage geht es nicht um ungerechte „Aussperrung“, sondern um die angemessene und ehrfurchtsvolle Behandlung des Altarssakraments. Eheliche Treue steht in engstem Zusammenhang mit der Treue Christi zur Kirche, deren tiefste Bestätigung die Eucharistie ist. Auch dazu hat „Familiaris consortio“ in Nr. 84 schon klärende Worte gesprochen. (...)

Wer in dieser Frage (Anm.: zur künstlichen Empfängnisverhütung) wie auch der der wiederverheirateten Geschiedenen von Papst Franziskus – wie es zuweilen bei einigen daran Interessierten anklingt – eine Änderung der kirchlichen Lehre erwartet, der täuscht sich mit Sicherheit und enttäuscht auch die Erwartungen, die er bei anderen geweckt hat. Man braucht dafür nur in die einschlägigen Dokumente von Aparecida zu schauen. Im Schlussdokument, das unter der führenden Redaktion des damaligen Kardinals Bergoglio entstand, heißt es zum Beispiel: „Wir müssen uns der eucharistischen ,Kohärenz‘ verpflichtet fühlen, das heißt uns bewusst sein, dass die heilige Kommunion nicht empfangen kann, wer zugleich in Tat und Wort gegen die Gebote verstößt.“ (...)

Es gibt viele bewegende Beispiele von jungen und alten Eheleuten, die ihre Ehe als Berufung leben. Ihr Zeugnis stellt einen Gegenpol dar gegen die „Kultur des Vorläufigen“ (Papst Franziskus am 4.10.2013 in Umbrien beim Treffen mit der Jugend). Lassen Sie mich noch einige abschließende Worte sagen zum Problem der Barmherzigkeit, das hier nur kurz gestreift werden kann: den Armen, Kranken, Schwachen gegenüber – also uns allen gegenüber: Ja; den Irrenden und Umkehrwilligen gegenüber: Ja; dem Irrtum gegenüber: Nein, denn das wäre ein Vergehen gegen die Liebe und die Wahrheit. Wer den inneren Sinn der sakramentalen Ehe und ihre Relevanz für die Vereinigung mit Christus in der Eucharistie verstanden hat, dem wird klar, wie fragwürdig es ist, hier alles mit der Barmherzigkeit lösen zu wollen. (...)
(Komplettes Interview: bitte hier klicken!)


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