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Freitag, 20. Dezember 2013

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 17: Die Theologieprofessoren (2)

Prof. Dr. Georg May


Die andere Hierarchie

Teil 17


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997



II.  Die Ursurpation des Ersatzlehramtes

 1.  Ansprüche und Forderungen

Neben und über dem autorisierten Lehramt der Bischöfe hat sich nun seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil das unautorisierte Lehramt der progressistischen Theologen etabliert.

Es beansprucht nicht weniger, als die Inhalte der Glaubens- und Sittenlehre, aber auch der kirchlichen Disziplin zu erheben, und es erwartet von den Bischöfen, dass sie seinen Vorgaben folgen. Es will nicht etwa bloß den Trägern des Lehramtes einen technischen Dienst erweisen, es will vielmehr bestimmen, was sie zu lehren haben. Die Anmaßung dieser Leute geht so weit, dass sie erwarten, Papst und Bischöfe würden sich von ihnen sagen lassen, wie die Person Jesu, seine Reden und Taten, sein Tod und seine Auferstehung zu verstehen seien. Nicht die Schrift, nicht die Tradition, nicht das Lehramt soll bestimmen, was zu glauben ist, sondern was das Theologenkartell von der Schrift noch übrig lässt.

Sie rufen nach Freiheit der Wissenschaft, verwechseln aber diese mit dem Recht auf unkirchliche Agitation. Die Aufforderung an das Lehramt, seine Entscheidungen "in argumentativer Weise" vorzutragen und auf "die Macht der Wahrheit und die Kraft der Argumente" zu vertrauen (3), läuft ins Leere. Denn einmal wird jedem Argument, welches das Lehramt vorbringt, ein Gegenargument entgegengestellt, und selbstverständlich finden die aufsässigen Theologen ihre Argumente stichhaltiger als die Argumente des Lehramtes.

Sodann ist es mit der "Macht der Wahrheit" in einem Bereich, welche der Empirie und dem Experiment entzogen ist, nicht weit her. Die Behauptung, dass sich die Wahrheit des Glaubens aus eigener Kraft, ohne administrative Maßnahmen, durchsetzt, ist erwiesenermaßen falsch. Der Irrtum auf Erden ist unbesiegbar. Denn die Mehrheit der Menschen zieht den bequemen Irrtum der harten Wahrheit vor. Es trifft auch nicht zu, dass sich die theologische Wissenschaft selbst korrigiert. Vielmehr tritt ohne das Regulativ des Lehramtes eine falsche Meinung neben die andere.


2.  Verteilung von Gunstbezeugungen

Die Inhaber des Ersatzlehramtes verteilen ihre Gunst je nach dem Verhalten der Träger des Lehramtes. Die Bischöfe können auf Nachsicht rechnen, auch wenn sie sich noch so deutlich als ihrem Amt nicht gewachsen darstellen, solange sie den Vorgaben des theologischen Establishements von München bis Münster folgen.

Diese Theologen vergelten den Bischöfen die Venachlässigung ihrer Pflichten, Aufsicht zu üben und den Glauben zu schützen, mit der Verleihung des Titels eines Ehrendoktors der Theologie. Ich verweise auf die Herren Lettmann in Münster und Wetter in München. Die Träger des Lehramtes stoßen dagegen sogleich auf unerbittliche Kritik, wenn sie dem Ersatzlehramt nicht folgen. Erst recht gerät der Papst in dessen Feuer, wenn er unbequeme Wahrheiten verkündet oder lästige Forderungen erhebt. 

In Deutschland besteht beispielsweise eine regelrechte Ablehnungsfront gegen die verbindliche Lehre von der geschlechtlichen Sittlichkeit. Das Ersatzlehramt hat sich gegen das Lehramt durchgesetzt (4) (Anm.: siehe dazu z. B. auch die Theologenantwort zur Forderung einer "neuen Sexualmoral der Kirche" vom Advent (18.12.) 2013).

Die Träger des Ersatzlehramtes wissen, dass sie unangreifbar sind, sobald sie in Massen auftreten. So bedienen sie sich der Zusammenschlüsse und der Unterschriftenaktionen, um den Trägern des Lehramtes vor Augen zu führen, was sie zu lehren haben. Von 1965 bis 1993 gab es wenigstens 37 öffentliche Erklärungen katholischer Theologen (5). In fast allen wurde gegen die Ordnung der Kirche oder gegen Maßnahmen der kirchlichen Autorität Protest erhoben.

Ein Skandal ersten Ranges war die sogenannte Kölner Erklärung von 163 aufständischen Theologen im Jahre 1988 (6). Hier wurde der Öffentlichkeit einmal durch die Masse der Namen vorgeführt, wohin es mit der katholischen Theologie in Deutschland gekommen ist. Eine angemessene Reaktion auf dieses unerhörte Papier seitens der katholischen Hierarchie erfolgte nicht. (Anm.: Ein weiteres Beispiel ist das Theologen-Memorandum aus dem Jahre 2011, unterzeichnet von 311 Theologieprofessoren und -professorinnen - davon 240 aus dem deutschsprachigen Raum -, dem ebenfalls von bischöflicher Seite keine Konsequenzen folgten; im Gegenteil fanden einige der deutschen Bischöfe in den lehramtswidrigen Forderungen einen legitimen "Dialogbeitrag".)

Die Fortsetzung der Kölner Erklärung mit anderen Mitteln war die Gründung der Europäischen Gesellschaft für katholische Theologie. Ihre Mitglieder können jederzeit zu ähnlichen Erklärungen aufgerufen werden. Gesellschaften für katholische Theologie aus mehreren Kontinenten schlossen sich zu einem internationalen Netzwerk zusammen (7). Der etwa fällig werdende nächste Protest kann dank dieser Vernetzung unschwer die ganze Erde erfassen.


(1)  Fuchs, Zwischen Wahrhaftigkeit und Macht 183
(2)  Norbert Greinacher, Kirchliches Lehramt und Theologen: Theologische Quartalschrift 160, 1980, 139
(3)  Kern, Die Theologie und das Lehramt 235
(4)  May, Der Glaube der nachkonziliaren Kirche 201-203
(5)  Norbert Greinacher, Cui bono? Über Vergeblichkeit und Nutzen öffentlicher Erklärungen von Theologinnen und Theologen, in: Häring, Kuschel, Hans Küng 129-160, hier 136-153
(6)  May, Gefahren, die der Kirche drohen 45-48
(7)  Herder-Korrespondenz 50, 1996,486





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