Prof. Dr. Georg May
Die andere Hierarchie
Teil 15
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
IV. Kollusion mit Lehmann
Solange
die deutschen Bischöfe liberale Positionen vertreten, betätigt sich das
Zentralkomitee als ihr eifriger Parteigänger. Wenn es wittert, dass sie
Stellung gegen Rom beziehen könnten, ist es sogleich eilfertig zur
Stelle, um ihnen Schützenhilfe zu leisten.
So stellte sich das Zentralkomitee mit großer Mehrheit
hinter
den fatalen Hirtenbrief der oberrheinischen Bischöfe, wollte also auch
in schwerer Sünde hartnäckig und reuelos Verweilende zum Empfang der
heiligen Kommunion zugelassen wissen, und wandte sich damit gegen den
Papst und die Lehre der Kirche (16) .
Dem
Stellvertreter Christi auf Erden machte das Zentralkomitee klar, dass
ein Zurück hinter die Königsteiner Erklärung für die deutschen
Katholiken undenkbar sei. (17). Damit wurde die verbindliche kirchliche
Lehre vom sittlich Bösen in einem bestimmten Punkt außer Kraft gesetzt.
Das
Zentralkomitee sprach sich für Abendmahlsgemeinschaft mit Personen aus,
die weder zur katholischen Kirche gehören noch den Glauben der Kirche
an das eucharistische Opfersakrament teilen (18). Es legt sich die Frage
nahe, wie es um den Eucharistieglauben derer steht, die eine solche
Forderung erheben.
Eines aber ist deutlich erkennbar:
Hier spricht das oberste Organ der anderen Hierarchie in Deutschland im
Gegensatz zu dem Glauben, den die gottgesetzte Hierarchie verkündigt.
Das Zentralkomitee ist in hohem Grade dafür mitverantwortlich, dass die
katholischen Frauen gegen Lehre und Ordnung der Kirche aufgebracht
wurden (19).
Gewöhnlich bezieht der radikale Laienkatholizismus seine Munition aus klerikalen Fabriken. Man erinnere sich, dass das ominöse
Dialogpapier
des Zentralkomitees aus einer Kommission hervorging, in welcher der
Augsburger Pastoraltheologe Hanspeter Heinz des Vorsitz hatte (20).
Immer
wieder driften die Stellungnahmen des kirchlichen Lehramtes und des
Zentralkomitees auseinander. Was die Hierarchie göttlichen Rechts
verkündet, das verwirft die angemaßte Hierarchie menschlichen Rechtes.
Doch gibt es Mitglieder der Hierarchie, denen gewisse Erklärungen der
anderen Hierarchie sehr gelegen kommen.
Meisterlich
bediente sich Bischof Lehmann des Zentralkomitees in seinem Streit mit
dem Apostolischen Stuhl wegen des Verbleibens in der
Abtreibungsberatung (21). Da fungierte diese famose Versammlung als
Lautverstärker für den liberalen Lehmannkurs. Ein aufmerksamer Christ
schrieb in Bezug auf die Erteilung von Beratungsscheinen, "dass sich die
Bischöfe nur allzu gerne ihre eigene Überzeugung durch die Laiengremien
bestätigen lassen, um dadurch um so wirksamer das Lehramt der Kirche in
Frage zu stellen" (22).
Welcher Konformismus im
Zentralkomitee besteht, ist aus der Tatsache zu erkennen, dass seine
Mitglieder den Beschluss, in der staatlichen Abtreibungsberatung zu
bleiben, einstimmig fassten. Drohend kündete der Generalsekretär des
Zentralkomitees, Kronenberg, den unter Berufung auf das Gewissen
erfolgenden Ungehorsam an. Der neue Präsident (Anm.: Prof. Hans Joachim
Meyer) wandte sich deswegen warnend an den Heiligen Stuhl (23). Zu dem
Fall Kronenberg schrieb eine Dame: "Welch eine Arroganz! Keine
Loyalität, keine Treue zu Rom.., sondern ein Feldherrngefühl mit
erhobener Fahne: Hier spricht das Zentralkomitee für die Bischöfe und
für die deutschen Katholiken" (24).
Herr Kronenberg,
Herr Meyer! Ein Bischof, der dem Apostolischen Stuhl in einer Frage der
Sittlichkeit nicht folgen kann, hat die Pflicht zurückzutreten. Wir
warten schon lange auf solche Rücktritte. Da hilft keine Berufung auf
die Verantwortung gegenüber seiner Diözese. Diese Verantwortung kann und
darf er nicht entgegen der Verantwortung des für die gesamte Kirche
verantwortlichen Oberhauptes ausüben. Wenn er sie nicht mit ihm zusammen
ausüben will, gegen ihn darf er sie nicht ausüben.
Das
Zentralkomitee folgt der deutschen Bischofkonferenz, solange sich diese
in liberale Richtung bewegt. Es versagt ihr die Gefolgschaft, wenn sie
unbequeme Lehren und Positionen einschärft. Gelegentlich geht es weiter,
als die deutschen Bischöfe im Augenblick zu gehen bereit sind.
Am 18. November 1994 fasste das Zentralkomitee mit großer Mehrheit den
Beschluss,
der Papst solle die Verbindung von Ehelosigkeit und Priestertum neu
bedenken und die Weihe Verheirateter ermöglichen (25). Das heißt nicht
mehr und nicht weniger als: der Papst solle das Gesetz des Zölibats
aufheben. Die Behauptung des Zentralkomitees, es stehe nicht die
Abschaffung des Zölibats in Rede, ist lächerlich. Wer hier Ausnahmen
anstrebt, bringt das ganze Gesetz, das eben für jeden Priester den
Zölibat vorschreibt, zu Fall. Wieder klappte das Zusammenspiel von
Zentralkomitee und Vorsitzendem der Bischofskonferenz. Lehmann machte
sich zum Boten dieses Gremiums und überbrachte dem Papst dessen Wunsch
nach Beseitigung des Zölibats (26).
Doch nicht alle
Bischöfe Deutschlands sind auf der Linie Lehmanns. Auf ihr Verlangen hin
musste der Vorsitzende ein Papier verfassen lassen, welches das Komitee
in seine Schranken verwies. Der Ständige Rat der Deutschen
Bischofskonferenz brachte sein Bedauern über die Erklärung des
Zentralkomitees zum Ausdruck und warf ihm mit Recht vor, es wecke bei
den Gemeinden falsche Erwartungen und verunsichere Priester und
Seminaristen (27). Das war etwas, aber nicht viel. Zu ernstem Vorgehen
gegen die Eskapaden des Zentralkomitees reicht es bei den deutschen
Bischöfen nicht. Ganz richtig wurde "die liebenswürdige, geduldige, ja
bisweilen weiche Haltung" der Bischöfe "gegenüber den Kapriolen des
Zentralkomitees" gerügt (28).
Kardinal Meisner hielt
dem Zentralkomitee richtig vor, in der Zölibatsfrage sei zur Zeit "nicht
so sehr die Diskussion fällig, als vielmehr Bekehrung, Bekehrung zum
Himmelreich und seiner Gerechtigkeit, und alles andere, auch zölibatäre
Priesterberufungen, werden uns dazugegeben werden" (29) (Anm.: vgl. auch
hier).
Das Zentralkomitee zeigte sich davon unberührt. Es bekehrte sich nicht,
sondern beharrte bei seinem Kurs. Kaum war der neue Präsident des
Zentralkomitees, Hans Joachim Meyer, in seine Position eingerückt,
startete er die erste Attacke gegen den Zölibat. Meyer forderte auch,
möglichst bald Frauen zu Diakonen zu weihen. Auf diesen ersten Schritt
müsse die Priesterweihe von Frauen folgen (30).
V. Auflösung
Wenn
das Zentralkomitee überhaupt einen Sinn haben soll, dann kann er nur
darin bestehen, den Glauben in die Gesellschaft zu tragen. Seine Aufgabe
ist es nicht, die Lehre der Kirche zu formulieren, sondern ihr in der
Öffentlichkeit seine Stimme zu verleihen.
Das Gremium
hat nicht Lehrdokumente zu verfassen, sondern die von der kirchlichen
Autorität verbindlich vorgelegten Lehrdokumente in die Praxis
umzusetzen. Es wäre die Aufgabe des Zentralkomitees, katholische
Grundsätze in der Öffentlichkeit zu vertreten und zu verteidigen. Auf
dem Boden von Lehre und Ordnung der Kirche hätte es seine Stimme in der
Gesellschaft zu erheben. Aber das geschieht nicht. Das Zentralkomitee
sollte die Einheit des Geistes unter den deutschen Katholiken zu
bewahren suchen. Doch dazu ist es nicht gewillt. Zum
Vorbereitungskomitee des sogenannten Katholikentages 1998 gehören die
Initiative "Kirche von unten" und die Initiative "Wir sind Kirche", also
zwei subversive Bewegungen (31).
Frau Nelly
Friedrichs, die erste Vorsitzende des Vereins katholischer deutscher
Lehrerinnen, schrieb in Bezug auf das Zentralkomitee: "Kirchenkritik und
antirömische Affekte helfen weder der Kirche noch den Menschen,
ebensowenig wie populistisch begründete Pseudoreformen" (32).
Insgesamt muss man feststellen:
Das Zentralkomitee stiftet mehr Schaden als Nutzen. An eine Reform
dieses Gremiums zum Besseren glaube ich nicht. Es sollte sich selbst
auflösen.
VI. Die Verbände
Zu der anderen
Hierarchie gehören auch die Vorsitzenden von Verbänden, die sich
katholisch nennen. Bei manchen von ihnen sind dieserhalb Zweifel
angebracht. Auch sie nehmen lehramtliche Kompetenz in Anspruch.
Se
fordern mehr Demokratie in der Kirche (33). Sie erheben den Anspruch,
Künder einer veränerten Moral, vor allem auf sexuellem Gebiet zu sein
(34). Das "Kirchepolitische Positionspapier des BDKJ der Diözese Mainz"
forderte: "Keine Ge- und Verbote mehr bezüglich Verhütung, vorehelichem
Geschlechtsverkehr, Selbstbefriedigung, Homosexualität" (35). Hier wird
nicht weniger als der Umsturz der göttlich sanktionierten Sittenlehre
verlangt. (Anm.:
Aktuell s.
Stellungnahme des ZdK vom 16.12.2013)
Der BDKJ veranstaltete auch eine
Unterschriftenaktion gegen die Lehre und Ordnung der Kirche, wonach die
Priesterweihe den Männern vorbehalten ist und bleiben muss. Die Reaktion
von Bischof Lehmann gegen diesen Akt offener Rebellion war wie immer
schwach und unangemessen (36).
Die Delegierten der
Hauptversammlung der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands
warnten vor dem Ausstieg der Kirche aus dem staatlichen Beratungssystem
(37). Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands weiß besser als
der Papst, wie man - in Bezug auf die Schwangerenberatung - den Verlust
an Glaubwürdigkeit" der Kirche aufhalten kann (38).
Es
ist offenkundig: Die andere Hierarchie ist voll in Aktion. Ihre
unaufhörlichen Unternehmungen erreichen das letzte Dorf und treten in
Konkurrenz zu Lehre und Weisung der legitimen Hierarchie, deren Stimme
häufig nur schwach und undeutlich zu vernehmen ist.
(16) Materialdienst 46, 1995, 22
(17) Herder-Korrespondenz 49,1995, 590
(18) Deutsche Tagespost Nr. 10 vom 21. Januar 1997 S. 4; Der Fels 28, 1997, 229f
(20) Herder-Korrespondenz 46, 1992, 497
(21) FAZ Nr. 120 vom 27. Mai 1997 S. 8
(22) Deutsche Tagespost Nr. 52/53 vom 29. April 1997 S. 13
(23) Allgemeine Zeitung (Mainz) Nr. 132 vom 11. Juni 1997 S.2
(24) Deutsche Tagespost Nr. 66 vom 31. Mai 1997 S. 5
(25) Materialdienst 46, 1995, 21
(26) Allgemeine Zeitung (Mainz) Nr. 276 vom 27. November 1995 S. 2
(27) Pfarramtsblatt 68, 1995, 39; Materialdienst 46, 1995, 22
(28) Deutsche Tagespost Nr.
(29) Deutsche Tagespost Nr.
(30) FAZ Nr. 172 vom 28. Juli 1997 S.5
(31) Der Fels 28, 1997, 230
(32) Der Fels 27, 1996, 57
(33) Glaube und Leben vom 28. April 1996 S. 2; Deutsche Tagespost Nr. 48 vom 20 April 1996 S. 15; Nr 84 vom 15. Juli 1995 S. 15
(34) Sex-Splitter, Würzburg 1996. Vgl. Deutsche Tagespost Nr. 24 vom 24. Februar 1996 S.4
(35) Freundeskreis Maria Goretti Information 48, 1992, 40
(36) Materialdienst 46, 1995, 22f
(37) Deutsche Tagespost Nr. 66 vom 31. Mai 1997 S.9
(38) Deutsche Tagespost Nr. 68 vom 5. Juni 1997 S.9
Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen