Die andere Hierarchie
Teil 6
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
Fortsetzung: II. Die Lage - 1. Fakten
Dem Papst steht
es zu, Bischöfe zu ernennen bzw. ihre Wahl zu bestätigen (c. 377 §1).
Im größten Teil Deutschlands wählen die Domkapitel aus einer
Dreierliste, die der Heilige Stuhl vorlegt, den Diözesanbischof. Der
Papst hat es also in der Hand, wer auf die Liste kommt. Vorher gehen
Vorschläge der deutschen Bischöfe bzw. Domkapitel für angeblich zum
Bischofsamt geeignete Personen an den Heiligen Stuhl. Die Auswahl der
Bischofskandidaten durch den heiligen Stuhl ist nun nicht über jeden
Zweifel erhaben. Es ist bekannt, dass der Heilige Stuhl gegen gewisse
Personen, die von deutschen Bischöfen bzw. Domkapiteln als
Bischofskandidaten vorgeschlagen wurden, starke Bedenken gehabt hat,
dass er sie aber auf wiederholtes Drängen bestimmter Bischöfe
zurückstellte und ihrer Bestallung zum Diözesanbischof zustimmte. Die
Folgezeit hat gezeigt, wie berechtigt die Bedenken waren.
In
der deutschsprachigen Schweiz haben die Domkapitel noch weitergehende,
längst antiquierte und äußerst gefährliche Rechte (17). Dem Heiligen
Stuhl bleibt nur die Möglichkeit, den Gewählten zu bestätigen oder
abzulehnen. Angesichts der gereizten antirömischen Stimmung und der
schismatschen Zuckungen in diesem Land wagt es aber der Papst nicht
mehr, einen Kandidaten zu verwerfen. Die Bestätigung der Wahl des Kurt
Koch zum Bischof von Basel, der noch im Jahre 1992 eine Lobrede auf Hans
Küng hielt, war ein regelrechter Skandal, ein echtes Ärgernis. Wiederum
hatte der Heilige Stuhl Drohungen nachgegeben.
In den
Bischofskonferenzen neuen Stils (cc. 447 - 459) hat sich der Papst die
pressure groups geschaffen, deren er nicht mehr Herr wird. Um den
offenen Konflikt zu vermeiden, geht der Heilige Stuhl mit ihnen, vor
allem mit der deutschen, äußerst nachsichtig um. Dies geschieht auch da,
wo energisches Handeln dringend gefordert wäre. So hat der Heilige
Stuhl niemals erkennbar etwas Energisches gegen die Lehrabweichungen von
der kirchlichen Sexualmoral in Deutschland getan. Die völlig
unkatholische Königsteiner Erklärung wird in unserem Land nach wie vor
gegen die gesamtkirchliche Lehre ins Feld geführt (18). So wird das
katholische Volk eines ganzen Landes im Irrtum gehalten.
Ganz schlimm steht es um das Schicksal der Lehräußerungen des Apostolischen Stuhles. Ich erwähne einige Beispiele.
-
Am 8. April 1979 richtete Johannes Paul II. ein Schreiben an die
Priester der Kirche. Wenig später erschien ein Machwerk gewisser
Theologen, in dem die Lehre des Papstes zerpflückt oder zerrissen wurde
(19).
- Der Papst unterbreitete in der Enzyklika "Veritatis splendor"
vom 6. August 1993 lichtvoll die Grundsätze katholischer Sittlichkeit
(20). Sogleich fielen die dissentierenden Moraltheologen über diese
Lehrvorlage her und kritisierten sie in Grund und Boden (21).
-
Die Kongregation für die Glaubenslehre legte eine Instruktion über die
kirchliche Berufung des Theologen vor (22). Augenblicklich traten
deutsche Theologen zum Angriff gegen dieses Dokument an (23).
Die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz ließen ein Papier
ausgehen, in dem sie sich außerstande zeigten, die kirchlichen
Grundsätze über die Spendung der Sakramente auf betimmte Personengruppen
richtig anzuwenden. (24). Die Kongregation für die Glaubenslehre wies
die falschen Ansichten der oberrheinischen Bischöfe zum Kommunionempfang
von Personen, die hartnäckig im Zustand der schweren Sünde verharren,
zurück (25).
Sofort traten sogenannte fortschrittliche
Theologen den Falsches lehrenden Bischöfen zur Seite (26). Diese selbst
sind weit davon entfernt, sich der Weisung des Apostolischen Stuhles
eindeutig zu beugen (27). Der Heilige Stuhl hat auf den ominösen zweiten
Brief der Bischöfe nicht reagiert. Es ist offensichtlich, dass in
Deutschland kaum jemand daran denkt, sich vom Heiligen Stuhl zur Ordnung
rufen zu lassen. Die Kommunionausteilung an Kommunionunwürdige geht
munter weiter.
Es ist stets das gleiche Bild. Wann
immer der Papst persönlich oder durch das Stellvertreterorgan der
Römischen Kurie Lehre und Ordnung der Kirche vorträgt, findet er unter
den progressistischen und modernistischen Theologen heftigen Widerstand.
Man sucht seine Lehre als die private Meinung eines Mannes hinzustellen
und ihn dadurch von der Kirche zu isolieren. In Wirklichkeit spricht im
Papst, der die gesunde Lehre vorträgt, die gesamte Kirche, insofern sie
der Weisung des Heiligen Geistes folgt.
2. Bewertung
Die
angeführten Beispiele zeigen, dass der Apostolische Stuhl wider bessere
Erkenntnis zurückweicht, wenn nur gehöriger Druck auf ihn ausgeübt
wird, oder zwar die richtige Lehre neben die fasche setzt, aber die
falsche Lehre nicht zum Verschwinden bringt. Gutwillige meinen, der
Apostolische Stuhl sei nicht von den Exzessen unterrichtet, die sich in
den meisten deutschen Diözesen zutragen. Diese Meinung ist mit
Sicherheit falsch. Der Heilige Stuhl ist unterrichtet; es sind
ungezählte Briefe wacher und verantwortungsbewusster Christen nach Rom
gegangen, viele haben sich an den Apostolischen Nuntius gewandt und ihre
Beschwerden vorgebracht. Doch alle diese Vorstellungen blieben ohne
erkennbares Echo.
So nimmt es nicht wunder, dass der
Heilige Stuhl seit geraumer Zeit als erpressbar gilt.Wenn es nur
gelingt, genügend Massen der Theologenschaft oder des Kirchenvolkes in
Bewegung zu bringen für eine gewünschte Änderung in Lehre und Ordnung
der Kirche, dann gibt, so ist man heute überzeugt, der Papst nach.
Nichtkatholische Religionsgemeinschaften haben diesen Mechanismus
erkannt und bauen auf ihn. Als die Altkatholiken es unternahmen, Frauen
die sogenannte Priesterweihe zu erteilen, wiesen sie triumphierend auf
die vielen Fälle hin, in denen die katholische Kirche Positionen
geändert hatte, die sie zuvor als unaufgebbar bezeichnet hatte.
Diese
Nachgiebigkeit hat schlimme Folgen. Durch sein fortwährendes
Zurückweichen vor dem Druck von unten begibt sich der Heilige Stuhl
immer mehr seiner Autorität. Eine Obrigkeit, die Gesetze erlässt, aber
ihre Übertretung folgenlos hinnimmt, verspielt ihre Macht. Eine
Obrigkeit, die unsicher ist und schwankt, zerstört sich selbst und
bereitet anderen Mächten das Feld. "Jede Politik halte ich für eine
bessere als eine schwankende", sagte richtig Bismarck. Wer sich
erpressen lässt, findet durch Nachhgeben keine Ruhe. Jede Konzession
löst neue Forderungen aus. "Schrittweises Zurückweichen ist oft
schlimmer als ein Sturz" (Maria von Ebner-Eschenbach).
Am
Heiligen Stuhl meint man, mit Übersehen, Dulden und Konnivenz den Bruch
mit den "Ortskirchen", wie man heute sagt, vermieden zu haben. Ich
erlaube mir an ein Wort zu erinnern, das der Priester Maury zu Beginn
der Französischen Revolution sprach: "Die oft der Schwäche nahekommende
Milde ist es, die stets die Aufstände und Rebellionen dreist und keck
macht." Eines ist sicher: Eine Autorität, die sich derer nicht mehr zu
erwehren weiß, die sie und die ihnen anvertraute Institution zu
zerstören suchen, gibt sich selbst auf.
(17) Heinz Maritz, Das Bischofswahlrecht in der Schweiz (= Münchner Theologische Studien, III. Kanonistische Abteilung, 36. Bd.), St. Ottilien 1977
(18) Dietmar Mieth,
Geburtenregelung. Ein Konflikt in der katholischen Kirche, Mainz 1990;
Giovanni Sala, Die Königsteiner Erklärung 25 Jahre danach: Forum
Katholische Theologie 10, 1944, 97 - 123
(19) Georg Denzler (Hrsg.),
Priester für heute. Antworten auf das Schreiben Papst Johannes Paul II.
an die Priester. Mit Dokumentation des Papstschreibens vom 8. April
1979, München 1980
(20) Enzyklika "Veritatis splendor" vom 6. August 1973 (Acta Apostolicae Sedis 85, 1993, 1133 - 1228)
(21) Dietmar Mieth (Hrsg.), Moraltheologie im Abseits? Antwort auf die Enzyklika "Veritatis Splendor" (Quaestiones disputatae 153), Freiburg i.Br. 1994
(22) Instruktion "Domum veritatis" vom 24. Mai 1990 (Acta Apostolicae Sedis 82, 1990, 1550 - 1570)
(23)
Peter Hünermann, Dietmar Mieth (Hrsg.), Streitgespräch um Theologie und
Lehramt. Die Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen in
der Diskussion, Frankfurt a. M. 1991
(24) Die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Zur seelsorglichen Begleitung von Menschen aus zerbrochenen Ehen, Geschiedenen und Wiederverheirateten Geschiedenen. Einführung, Hirtenwort und Grundsätze, Freiburg i.Br., Mainz, Rottenburg 1993
(25) Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben
über den Kommunionempfang von wiederverheirateten geschiedenen
Gläubigen vom 14. September 1994 (Acta Apostolicae Sedis 86, 1994, 974 -
979)
(26) Theodor Schneider (hrsg.), Geschieden - wiederverheiratet - abgewiesen? Antworten der Theologie (= Quaestiones disputatae 157), Freiburg i. Br. 1995
(27) Die Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz, Zur Seelsorge mit Wiederverheirateten geschiedenen im Oktober 1994, Freiburg i. Br., Mainz, Rottenburg 1994
Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen
- Teil 1: Die Existenz der Hierarchie
- Teil 2: Der Unterschied zwischen Klerus und Laien
- Teil 3: Die Hierarchie - Das Weihesakrament
- Teil 4: Der Heilige Stuhl - Die Lehre
- Teil 5: Der Heilige Stuhl - Die Lage (1)
- Teil 6: Der Heilige Stuhl - Die Lage (2)
- Teil 7: Die Bischöfe - Rechtliche Stellung
- Teil 8: Die Bischöfe - Versagen
- Teil 9: Die Rede von der "Mitte" und von der Polarisierung
- Teil 10: Der Ungehorsam gegenüber dem Vicarius Christi
- Teil 11: Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums - Der Priesterrat
- Teil xy: Die Pfarrbeauftragten (v. a. am Beispiel Bistum Limburg)
Ein guter und wahrer Beitrag von Prof May - wie immer.
AntwortenLöschenIch habe gerade in einem anderen Zusammenhang folgenden Satz gelesen:
"Für den Machterhalt opfern sie Grundsätze."
Das passt auch vor allem in der deutschen Kirche.
Denn wenn die Kirche nach der Mehrheitsmeinung der Menschen handelt und nicht nach den Geboten Gottes bedeutet das auch:
Mehr "Gläubige", d.h. Kirchensteuerzahler =
mehr Einkommen und daher auch mehr Einfluß und mehr Macht.
Mit diesem "Laisser faire" läßt man die "Gläubigen" bestimmen, was gut und was schlecht ist.
Ich weiß nicht, wo das noch hinführt, zu einer Anpassung an die Welt?
Ich weiß auch nicht, wo das noch hinführt. Sicher ist, dass die Kirche nicht untergehen wird. Vielleicht geht sie in Deutschland unter, oder im deutschsprachigen Raum, vielleicht in Europa. In China und in Afrika beispielsweise wächst die Kirche. Vielleicht wird man einmal von da aus auch Europa wieder missionieren.
AntwortenLöschenM.E. besteht im deutschsprachigen Raum keine Einheit mehr im Glauben. Tatsächlich meinen sogar (dt.) Bischöfe, dass die Mehrheit über Glaubensinhalte bestimmen könne (zuletzt sogar angeblich der Münchner Kardinal Marx: http://www.kath.net/news/43616).
Das geht aber nur in dem Fall, in dem diese Mehrheit mit der Glaubenslehre übereinstimmt.
Es ist abwegig, "Gläubigen", die im Sinne der Kirche garnicht glauben (sei es, weil sie ein oder mehrere Dogmen leugnen oder ablehnen, sei es, dass sie das, was die Kirche zu glauben vorstellt, nicht annehmen wollen), dass solchen ungläubigen Katholiken also von progressistischer Seite der sogenannte "Sensus fidelium" untergeschoben wird. Dieser "Glaubenssinn der Gläubigen" ist nur denjenigen Gläubigen eigen, die treu zu dem von den Aposteln bis zu uns überlieferten Glauben stehen und all das bejahen, was die Mutter Kirche uns zu glauben vorlegt. Man kann also unmöglich im Namen dieses "Sensus fidelium" den Glauben verändern, mit der irrwitzigen Begründung, die Mehrzahl der getauften Christen habe eine vom (bisherigen) Glauben der Kirche abweichende Meinung. Immer wieder denken sich die Irrlehrer neue Tricks und Kniffe aus, um den Glauben zu verwässern oder zu verfälschen.
Wir müssen uns also an jene katholischen Priester und Bischöfe halten, bei denen wir sicher sein können, dass sie den Glauben unverfälscht und authentisch bewahren und lehren. Bewahren wir die Freude am Glauben und an der Berufung, der katholischen Kirche, d. i. die Kirche Jesu Christi, angehören zu dürfen und versuchen wir diesen Glauben so gut als möglich zu leben, indem wir uns nach Gottes Geboten richten, die Sakramente empfangen, indem wir beten und allen Gutes tun. Mehr können wir wohl nicht tun...
http://blog.derherralipius.com/2013/11/hauptsache-es-schmeckt.html
AntwortenLöschenDer Herr Alipius hat in diesem Artikel genau ausgedrückt, was viele von der Kirche erwarten, Das schlimme ist nur, daß viele Bischöfe und Priester die Dinge so laufen lassen und dem nichts entgegenzusetzen haben. Sie leiden unter Menschenfurcht oder Bequemlichkeit oder Angst vor Verlust des Einflußes. Und alle spielen mit frei nach Pippi Langstrumpf: "Ich mache mir die Kirche, wie sie mir gefällt"
Liebe Kassandra, vielen Dank für den Hinweis!
AntwortenLöschenDer beim Herrn Alipius verlinkte Artikel in der "Welt" aus dem Jahre 2010 passt wunderbar zum nächsten Teil (Teil 7) dieser Reihe (Link siehe oben). Er schildert, was passieren würde, wenn man die Bischofsernennungen dem ganzen kirchensteuerzahlenden Volk Gottes überlassen würde...
Habe ihn deshalb gleich in Teil 7 ebenfalls verlinkt.
http://www.welt.de/kultur/literarischewelt/article7959442/Wie-Anselm-Gruen-amp-Co-die-Theologie-verniedlichen.html