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Montag, 4. November 2013

Prof. Georg May: Die andere Hierarchie - Teil 4: Der Heilige Stuhl - Die Lehre

Prof. Dr. Georg May

Die andere Hierarchie

Teil 4


Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997


§ 2  Der Heilige Stuhl


I.  Die Lehre

1.  Die päpstliche Gewalt

Der Papst ist das sichtbare Haupt der Kirche. Er vertritt den Herrn Jesus Christus als Haupt seines Leibes. Er ist der Hirt der Gesamtkirche.

Er besitzt einen wahren und eigentlichen Vorrang der Vollmacht gegenüber der ganzen Kirche. Seine Gewalt ist wirklich bischöflich, allgemein, ordentlich, unmittelbar, die höchste und volle. Sie erstreckt sich auf alle Gläubigen und alle Glieder der Hierarchie. Er kann sie jederzeit frei ausüben (c. 331). Die primitiale Gewalt fordert Unterordnung und Gehorsam in der Glaubens- und Sittenlehre, in der Regierung und Ordnung der Kirche. Gegen das Urteil des Papstes gibt es keine Berufung an eine irdische Instanz (c. 333 §3). Er besitzt die Unfehlbarkeit, wenn er als Hirt und Lehrer aller Gläubigen mit höchster apostolischer Vollmacht eine Glaubens- und Sittenlehre vorlegt, die von der gesamten Kirche zu halten ist (c. 749 §1).


2.  Die päpstlichen Hilfs- und Stellvertreterorgane

Als bewährtes Beratungsorgan steht dem Papst das Kardinalskollegium zur Seite. Darin sind der Idee nach die befähigten Persönlichkeiten aus der gesamten Kirche versammelt, deren sich der Papst zur Vorbereitung und Durchführung seiner Entschlüsse bedienen kann (cc. 349 - 359). Doch die beratende Tätigkeit der Kardinäle als Kollegium ist fast völlig zum Erliegen gekommen. (1).

Bei der Regierung der Kirche bedient sich der Papst der Römischen Kurie. Darunter ist die Gesamtheit der Verwaltungsbehörden und Gerichte zu verstehen, die ihn bei der Leitung der Kirche unterstützen (cc. 360 - 361). Sie handeln im Namen des Papstes zum Wohl und zum Dienst aller Kirchen. Die Kurie ist seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erheblich aufgebläht worden. Zahlreiche neue Einrichtungen sind zu den bestehenden hinzugekommen. In die Kongregationen wurden Diözesanbischöfe als Mitglieder aufgenommen. Dass sich der Papst der Loyalität aller Mitarbeiter nicht mehr sicher sein kann, ist spätestens bei dem Fall Kempf offenbar geworden.

Als Bischof der Gesamtkirche hat der Papst das angeborene und unabhängige Recht, zu den Teilkirchen in aller Welt und zu den Staaten Gesandte zu senden (c. 362), die ihn vertreten (c. 363). Ihre hauptsächliche Aufgabe ist darin gelegen, die Bande der Einheit zwischen dem Apostolischen Stuhl und den Teilkirchen fester und wirksamer zu machen (c. 364). Zu diesem Zweck ist es erforderlich, dass die Nuntien wahrheitsgetreue Berichte nach Rom schicken; schönfärberische Informationen können verheerende Folgen haben. Die Entwicklung der Losreißung Englands von der katholischen Kirche im 16. Jahrhundert bietet eine Fülle von Beispielen für falsche Beurteilung der Lage in England durch den Heiligen Stuhl infolge eines heillosen Optimismus.


3.  Die Bischofssynode

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt es die Einrichtung der Bischofssynode (cc. 342 - 348). Sie ist kein Bestandteil der Römischen Kurie, sondern dem Papst unmittelbar zugeordnet. Sie ist ein weiteres Beratungsorgan des Papstes und tritt insofern in Konkurrenz zum Kardinalskollegium und der Römischen Kurie.

Die Bischofssynode wird regelmäßig alle zwei Jahre einberufen. Zusammen mit ihrem Generalsekretariat und dessen Rat gewinnt sie damit beinahe Dauercharakter. Die Einrichtung der Bischofssynode ist ebenso überflüssig wie gefährlich. Sie verdankt ihr Entstehen der Forderung der Bischöfe, aufgrund eines nebulösen Begriffs des Bischofskollegiums an der Regierung der Gesamtkirche beteiligt zu werden. Die Lage ist einigermaßen grotesk. Die Bischöfe, die überwiegend vor der Aufgabe versagen, ihre Diözesen, in denen es drunter- und drübergeht, wohltätig und rechtmäßig zu regieren, mengen sich in Angelegenheiten der Weltkirche, für die sie kein Mandat haben.

Die Bischofssynode bietet vor allem aufmüpfigen Bischöfen eine Plattform, mit Thesen an die Weltöffentlichkeit zu treten, die gegen Ordnung und Lehre der Kirche gerichtet sind. Beispiele dafür sind zahlreich (2). Die zahlreichen Versammlungen der Bischofssynode in den letzten drei (Anm.: nunmehr fünf) Jahrzehnten haben nichts zur Besserung der Lage in der Kirche beigetragen. Sie haben viele Glieder der Hierarchie mit nutzlosen Gesprächen aufgehalten und umfangreiche Papiere erzeugt, die in der Praxis weitgehend unbeachtet bleiben oder scharf kritisiert wurden. Keine einzige Tagung der Bischofssynode war imstande, die nachkonziliare Katastrophe, die alle Gebiete des kirchlichen Lebens erfasst hat, auch nur angemessen zu beschreiben. Immer wieder wurden nur einzelne Symptome herausgegriffen, die sogleich wieder in Beschwichtigungen verpackt wurden. Krisensitzungen, in denen die Gründe der Krise nicht aufgedeckt werden, sind überflüssig.


(1)  Georg May, Ego N.N. atholicae Ecclesiae Episcopus. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung einer Unterschriftsformel im Hinblick auf den Universalepiskopat des Papstes ( = kanonistische Studien und Texte Bd. 43), Berlin 1995, 528.
(2)  Z. B.: Georg May, Das Priestertum in der nachkonziliaren Kirche 100.



Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen

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