Die andere Hierarchie
Teil 12
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
II. Der Pastoralrat
1. Struktur
Auch der Pastoralrat wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil angeregt. Das Bischofsdekret "Christus Dominus"
empfiehlt in Nr. 27 die Einführung eines Pastoralrates in jeder
Diözese. Das aus Klerikern, Religiosen und Laien zusammengesetzte
Gremium soll das im Diözesanbischof geeinte Volk des Bistums
repräsentieren und alle seelsorglichen Fragen untersuchen und beraten.
Die Grundordnung des Pastoralrates ist in den cc. 511-513 CIC enthalten.
Das
Konzil und das Kirchenrecht ordnen wohlgemerkt die Einrichtung eines
Pastoralrates nicht an; sie empfehlen sie nur, wo und wenn sie tunlich
ist (CD Nr. 27; c. 511 CIC). In Deutschland wurde er in allen Diözesen
eingeführt. Dazu treten die diözesanen Satzungen (3). Nach der Speyerer
Satzung nehmen die im Diözesanpastoralrat versammelten Personen "durch
Beratung des Bischofs an der Willensbildung und Entscheidungsfindung in
den der gemeinsamen Verantwortung obliegenden Aufgaben der Diözese" teil
(4).
2. Bedenken
Das Wort
Beratung klingt harmlos. Beraten heißt empfehlen, anregen, vorschlagen.
Beratung ist nicht Entscheidung, geht vielmehr der Entscheidung voran.
Doch was geschieht, wenn die Entscheidung anders ausfällt als die
Beratung? Es ist bekannt, wie schmerzlich es schon im privaten Bereich
ist, falls jemand einen wohlüberlegten und gutgemeinten Rat ausschlägt.
Wenn
nun ein Gremium, das als repräsentativ für das ganze Bistum gilt, mit
Mehrheit, vielleicht mit großer Mehrheit, einen Beschluss fasst, der
gegen Lehre und Ordnung der Kirche verstößt (5), kann der Bischof,
sofern er im Einklang mit der Gesamtkirche verbleiben will, ihm nicht
folgen. Die Satzung des Patoralrats des Erzbistums Berlin fasst den Fall
ins Auge, dass der Erzbischof einen Beschluss nicht bestätigen kann;
dann kommt der Beschluss in dieser Sitzung nicht zustande, aber die
Angelegenheit kann erneut im Pastoralrat beraten werden (6).
Was
geschieht, wenn die zweite Beratung wie die erste ausfällt und der
Erzbischof erneut die Bestätigung versagt? Wie werden viele Mitglieder
des Rates reagieren? Ich meine: Die einen mit Erregung, die anderen mit
Empörung. Sie werden darauf verweisen, dass sie das Volk in der Diözese
repräsentieren und dass der Oberhirt gegen dieses Volk steht. Der
Bischof sieht sich somit an den Pranger gestellt, weil er sich in den
Gegensatz zu seinem berufenen Beratungsgremium setzt. Die Folge ist
Verlust der Achtung und des Vertrauens bei vielen Gläubigen. Der
Kirchenfreudigkeit wird ein neuer Schag versetzt.
Es
ist offensichtlich: Die Einführung einer anderen Hierarchie kann der
legitimen Hierarchie nicht gut bekommen. Die andere Hierarchie bringt
die Hierarchie göttlichen Rechtes um einen Teil ihrer Wirkmöglichkeiten.
III. Der Diözesanrat
1. Aufbau
Schließlich
geht auch der sogenannte Diözesanrat auf eine Anregung des Zweiten
Vatikanischen Konzils zurück. Das Konzil hat im Laiendekret "Apostolicam actuositatem"
Nr. 26 die Einrichtung von Räten auf der Ebene der Diözese, aber auch
auf anderen Ebenen vorgeschlagen, ohne sie anzuordnen. Das Laiendekret
weist dem Diözesanrat die doppelte Aufgabe zu, das Wirken der Kirche zu
unterstützen und die Laienaktivitäten zu koordinieren. Nach diesem
Dekret ist der Diözesanrat jedoch kein Laienrat, sondern ein gemischtes
Gremium von Laien, Klerikern und Religiosen.
Das
gemeine Kirchenrecht weiß nichts von dem Diözesanrat. Vermutlich sieht
es seine Aufgabe durch den Diözesanpastoralrat erfüllt. In den meisten deutschen Diözesen gibt es aber neben dem Diözesanpastoralrat noch einen eigenen Diözesanrat
(7). Der Diözesanrat ist der Zusammenschluss von Vertretern der
Gemeinden, der Verbände und Gemeinschaften sowie von weiteren
katholischen Laien im Bistum Görlitz. Er ist das vom Bischof anerkannte
Organ im Sinne des Konzilsdekrets über das Apostolat der Laien Nr. 26
(§1 Abs. 1). Er soll das Laienapostolat fördern und koordinieren (§1
Abs. 2).
Im einzelnen soll er u.a. den Bischof in
seiner Hirtensorge beraten und unterstützen, die Arbeit der
Pfarrgenmeinderäte, Verbände und Gemeinschaften fördern und
koordinieren, Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft beobachten, im
Lichte des katholischen Glaubens beraten und in der Öffentlichkeit
Stellung beziehen, gemeinsame Initiativen und Veranstaltungen der
katholischen Christen sowie den Ökumenismus vorbereiten und durchführen
bzw. unterstützen (2).
2. Beurteilung
Der Diözesanrat ist einmal überflüssig.
Denn Diözesanrat und Pastoralrat gleichen sich in Zusammensetzung und
Aufgaben. Die Doppelung verzehrt Zeit und Kraft, die der apostolischen
Arbeit der Mitglieder fehlt. Der Diözesanbischof, der seine Pflicht
erfüllt, kennt seine Diözesanen und steht in ständigem Kontakt mit
ihnen, und zwar nicht nur bei offiziellen Sitzungen mit Tagesordnungen
und Abstimmungen. Er hat es nicht nötig, sich von Ratsmitgliedern über
den Zustand und die Bedürfnisse seines Bistums unterrichten zu lassen.
Der Diözesanrat stellt sodann eine Gefahr dar.
Im Bereich der Diözese stehen sich nun Diözesanbischof und Diözesanrat
als zwei Organe gegenüber, die beide beanspruchen, für das Volk Gottes
zu sprechen. Der Diözesanrat verdunkelt die Tatsache, dass der
Diözesanbischof der gottgesetzte Repräsentant
seines Bistums ist. Dazu kommt die Aussicht, dass die darin maßgebenden
Funktionäre ihn zu manipulieren und gegen Lehre und Ordnung der Kirche
zu instrumentalisieren vermögen (8). Dann steht das oberste Organ der
anderen Hierarchie der Diözese gegen den in der Nachfolge der Apostel
auftretenden Diözesanbischof. Dafür gibt es Beispiele aus jüngster Zeit
*. Die eifrigste Agitation für das sogenannte Kirchenvolksbegehren wurde
in der Pfalz von dem Vorsitzenden des Katholikenrates der Diözese
Speyer, gewissermaßen dem hochrangigsten Mitglied eines an der Spitze
der Rätepyramide stehenden Gremiums, betrieben. Wiederum zeigt sich:
Die andere Hierarchie benutzt ihre angebliche Vertretungsmacht, um
gegen die legitime Hierarchie aufzustehen.
(3)
Z. B. Statut des Pastoralrates der Diözese Augsburg vom 4. Juli 1995
(Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 465-467)
(4) Pfarramtsblatt 69, 1996, 22-24 (Präambel)
(5)
Vgl. Heft 15 des "Pastoralen Dialogs im Bistum Würzburg" (1996) mit dem
Thema "Zölibatsverpflichtung" vom Diözesanpastoralrat beschlossen
(6) Statut des Pastoralrates des Erzbistums Berlin vom 1. Juni 1996 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 314-317) §6 Abs. 3
(7) Z. B. Satzung des Diözesanrates der Katholiken im Bistum Görlitz vom 14. März 1996 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 221-223)
(8) Vgl. Diözesanrat im Erzbistum Köln, Anstöße zum Pastoralgespräch im Erzbistum Köln, Köln 1993
*
Das wohl zur Zeit jüngste Beispiel sind die Vorgänge in der Diözese
Limburg, bei denen (nicht nur) die Diözesanversammlung (im Bistum
Limburg entspricht dieses Gremium dem Pastoralrat) sich offen gegen den
Bischof ehebt und seine Abberufung verlangt:
In der Diözese Limburg herrscht seit Jahren eine Rebellion
der "anderen Hierarchie" gegen die rechtmäßige Hierarchie, die zuletzt
in der Flucht des Bischofs (bzw. auch einer indirekten Vertreibung) aus
dem Bistum und der erklärten Unversöhnlichkeit vonseiten der "anderen Hierarchie" ihren Höhepunkt
erreichte.
Aber auch Beispiele aus anderen Diözesen, z. B. aus dem Erzbistum Freiburg, könnten hier genannt werden.
s. auch:
Brief (21.10.2013) der Vorsitzenden der Limburger Diözesanversammlung, I. Schillai, an Dr. Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitee der Katholiken in Bayern, der in der Talkshow "Günther Jauch" am 20.10.2013 versucht hatte, die Lage im Bistum Limburg objektiver als in den meisten Medien vermittelt darzustellen.
s. auch:
Brief (21.10.2013) der Vorsitzenden der Limburger Diözesanversammlung, I. Schillai, an Dr. Albert Schmid, Vorsitzender des Landeskomitee der Katholiken in Bayern, der in der Talkshow "Günther Jauch" am 20.10.2013 versucht hatte, die Lage im Bistum Limburg objektiver als in den meisten Medien vermittelt darzustellen.
Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen
- Teil 1: Die Existenz der Hierarchie
- Teil 2: Der Unterschied zwischen Klerus und Laien
- Teil 3: Die Hierarchie - Das Weihesakrament
- Teil 4: Der Heilige Stuhl - Die Lehre
- Teil 5: Der Heilige Stuhl - Die Lage (1)
- Teil 6: Der Heilige Stuhl - Die Lage (2)
- Teil 7: Die Bischöfe - Rechtliche Stellung
- Teil 8: Die Bischöfe - Versagen
- Teil 9: Die Rede von der "Mitte" und von der Polarisierung
- Teil 10: Der Ungehorsam gegenüber dem Vicarius Christi
- Teil 11: Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums - Der Priesterrat
- Teil 12: Pastoralrat und Diözesanrat
- Teil xy: Die Pfarrbeauftragten (v. a. am Beispiel Bistum Limburg)
Weiteres zum Thema "Die andere Hierarchie" und Demokratie in der Kirche:
- clamormeus: Aus gegebenem Anlaß - Eine Erklärung gegen die Bevormundung durch die "andere Hierarchie"
- Katholische Kirche und demokratische Strukturen
- Wie oft kommt die Vokabel "DEMOKRATISCH" in den Texten des II. Vat. vor?
- Kirche und Hierarchie (II. Vatikanum)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen