Die andere Hierarchie
Teil 11
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
§ 4 Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums
Weil
die maßgebenden Glieder der Hierarchie, die Bischöfe, in erschütterndem
Ausmaße vor ihrer Aufgabe versagt haben, kam es zum Entstehen einer
anderen Hierarchie. Ich meine das Rätesystem. Seit dem Zweiten
Vatikanischen Konzil wurde vom Pfarrgemeinderat über den Dekanatsrat
sowie das Zentralkomitee bis zum Päpstlichen Laienrat eine ungeheure
Organisation von Gremien geschaffen, die sich neben die Hierarchie
göttlichen Rechtes setzt und eine Aktivität entfaltet, die in
Konkurrenz, teilweise in Gegensatz zu jener tritt.
I. Der Priesterrat
1. Rechtliche Ausgestaltung
Im
bischöflichen Bereich entstand zuerst der Priesterrat. Er wurde vom
Zweiten Vatikanischen Konzil etabliert, offenbar als Konzession an die
demokratische Bewegung in der Öffentlichkeit. Der Priesterrat ist nach
dem Priesterdekret "Presbyterorum ordinis"
Nr. 7 in jeder Diözese pflichtmäßig einzurichten. Er soll die
Priesterschaft der Diözese repräsentieren und den Bischof in der Leitung
der Diözese beraten. Das Wort "repräsentieren" bedeutet an dieser
Stelle soviel wie sichtbar machen, darstellen, vertreten.
Die Grundordnung des Priesterrates ist in den cc. 495-502 CIC
niedergelegt. Dazu treten die Satzungen der einzelnen diözesanen
Priesterräte (1). Der Priesterrat ist "ein Kreis von Priestern, der als
Repräsentant des Presbyteriums gleichsam Senat des Bischofs ist". Die
Aufgabe besteht darin, den Bischof bei der Leitung der Diözese nach
Maßgabe des Rechtes zu unterstützen (c. 495 §1). Der Diözesanbischof ist
der Vorsitzende des Priesterrates (c. 500 §1). Dieser kann nicht ohne
den Bischof handeln (c. 500 §3).
Dem Priesterrat
"obliegt die Sorge um Dienst und Leben der Priester, um den
Priesternachwuchs sowie die Aus- und Weiterbildung der Priester". Er hat
die Aufgabe, "über die pastorale Tätigkeit in der Diözese zu beraten
und sie zu fördern". Der Priesterrat hat lediglich beratende Funktion.
Der Bischof muss ihn aber bei Angelegenheiten von größerer Bedeutung
anhören und in wenigen, vom Recht festgelegten Fällen sogar seine
Zustimmung einholen. Nicht zu verstehen ist, dass nach dem Würzburger
Statut dem Priesterrat auch Nichtpriester, nämlich Diakone und ein
Theologiestudent angehören (2). Die Mitgliedschaft im Priesterrat ist
zeitlich begrenzt. Der gesamte Rat oder ein Teil muss innerhalb von fünf
Jahren erneuert werden (c. 501 §1).
2. Beurteilung
Zur
Beurteilung der neuen Einrichtung ist folgendes zu bemerken. Ich halte
sie für überflüssig und schädlich. Dass sich der Bischof mit seinen
Priestern besprechen soll, ist unbestritten. Doch dafür gibt es viele
Möglichkeiten. Einmal soll der Bischof engen Kontakt nicht bloß zu
einigen, sondern zu allen Priestern und jedem einzelnen pflegen. Er ist
der Seelsorger seiner Seelsorger. Von ihnen kann er erfahren, wie die
Lage und was zu tun ist. Freilich muss er sich dazu in seiner Diözese
aufhalten und nicht fortwährend auf Reisen oder in Konferenzen sein. Der
Diözesanbischof, der seine Pflicht erfüllt, hat andauernde,
unmittelbare Verbindung mit seinen Priestern; er benötigt keine
Vermittlungsstelle in Gestalt des Priesterrates. Er ist in seinem Bistum
anwesend und besucht Pfarrei um Pfarrei, hört selbst die Priester an
und vernimmt ihre Anliegen.
Sodann soll der Bischof in
die Dekanatskonferenzen gehen. Hier hat er die Priester eines
überschaubaren Teils seiner Diözese vor sich und kann sich über
regionale Fragen und Desiderate unterrichten.
Weiter
gibt es die Konferenz der Dekane. Wenn diese ihr Amt richtig verstehen
und verwalten, dann bündeln sich in ihnen gleichsam die Anregungen und
Wünsche, Probleme und Schwierigkeiten der Diözese. Von ihnen kann der
Diözesanbischof Informationen und Beratung empfangen.
Schließlich
besitzt der Bischof in seinem Domkapitel ein qualifiziertes
Beratungsorgan. Sein unschätzbarer Vorteil liegt darin, dass es nicht
auf Wahl oder Wiederwahl angewiesen und daher unabhängig ist. Von ihm
kann und muss der Bischof Dinge hören, die er vielleicht nicht hören
will. Außerdem sammeln sich in den Domkapiteln die Nachrichten aus der
gesamten Diözese. Seine Mitarbeiter erwerben durch ihre regelmäßige
jahrzehntelange Tätigkeit eine umfassende Kenntnis der diözesanen
Angelegenheiten und eine breitgestreute Erfahrung bei ihrer Behandlung,
die den temporären Angehörigen des Priesterrates unmöglich sind.
Den
meisten Mitgliedern der Priesterräte fehlen Vorbildung und Kompetenz
zur Beratung in den Fragen, die anstehen, wie sie den jahrzehntelang in
der Verwaltung der Diözese tätigen Domkapitularen eigen sind. Den
Mitgliedern des Priesterrates, die von Wahlperiode zu Wahlperiode
wechseln, fehlt die bleibende Verantwortung. Der vielbeschäftigte
Seelsorger hat gar keine Zeit, sich um Angelegenheiten, die seinen
Sprengel übersteigen, zu kümmern; einen Überblick über die gesamte
Diözese zu gewinnen ist ihm unmöglich.
Der Priesterrat ist
auch in der Regel kein Querschnitt der Priesterschaft eines Bistums,
sondern überwiegend eine Ansammlung von Klerikern, die meinen, Zeit für
die mehrfach im Jahre abgehaltenen Sitzungen erübrigen zu können. Gerade
die wertvollsten Seelsorger, die sich im unermüdlichen Dienste der
ihnen anvertrauten Gläubigen verzehren, bleiben den Priesterräten
regelmäßig fern.
Sodann sammeln sich im Priesterrat nicht
ganz selten unzufriedene Elemente der Priesterschaft einer Diözese und
bilden evtl. dessen Mehrheit oder jedenfalls dessen agilsten Teil. Es
gibt Priesterräte, in denen progressistisch aufgeheizte Geistliche,
welche die katholische Orientierung verloren haben, den Ton angeben; sie
benutzen ihre Position, um die kirchliche Entwicklung in Richtung auf
den Protestantismus voranzutreiben.
Ich fasse mein Urteil
dahin zusammen: Der Priesterrat ist kein Fundament, auf dem sich etwas
Solides erbauen ließe, sondern Treibsand, der von den Fluten der
Zeitströmung hin- und herbewegt wird. In den Sitzungen wird viel Zeit
vertan, unerleuchtete Meinungen melden sich häufig zu Wort. Der
bürokratische Aufwand, den Priesterräte verursachen, ist beträchtlich.
Ich komme um das Urteil nicht herum: Der Priesterrat ist eine eklatante
Fehlkonstruktion.
(1) Z. B. Statut des Priesterrates im Bistum Erfurt vom 15. Mai 1995 (Archiv für katholisches Kirchenrecht 164, 1995, 158-160); Satzung des Priesterrates des Erzbistums Hamburg vom 4. Dezember 1995 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 61-63)
(2) Statut des Priesterrates der Diözese Würzburg vom 17. Juni 1996 (Pfarramtsblatt 69, 1996, 268-273) Art. 2
Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen
- Teil 1: Die Existenz der Hierarchie
- Teil 2: Der Unterschied zwischen Klerus und Laien
- Teil 3: Die Hierarchie - Das Weihesakrament
- Teil 4: Der Heilige Stuhl - Die Lehre
- Teil 5: Der Heilige Stuhl - Die Lage (1)
- Teil 6: Der Heilige Stuhl - Die Lage (2)
- Teil 7: Die Bischöfe - Rechtliche Stellung
- Teil 8: Die Bischöfe - Versagen
- Teil 9: Die Rede von der "Mitte" und von der Polarisierung
- Teil 10: Der Ungehorsam gegenüber dem Vicarius Christi
- Teil 11: Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums - Der Priesterrat
- Teil xy: Die Pfarrbeauftragten (v. a. am Beispiel Bistum Limburg)
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