Die andere Hierarchie
Teil 9
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
III. Die Rede von der "Mitte"
1. Die Bischöfe
Die
meisten Bischöfe berufen sich in ihrem Verhalten darauf, dass sie in
der "Mitte" stünden. Nach dieser Selbsteinschätzung gibt es Linke und
Rechte in der Kirche. Als Rechter wird heute bezeichnet, wer sich den
katholischen Glauben ungeschmälert bewahrt hat und ihn so lebt, wie es
vor 50 (Anm.: munmehr ca. 70) Jahren die ganze Kirche tat; dadurch ist
er plötzlich zum Rechten, Rechtskonservativen oder gar Rechtsextremen
geworden. Die genannte Selbsteinschätzung der Bischöfe ist eine Prüfung
wert.
Wie steht es um die "Mitte"? Zunächst einmal: Bei
vielen Gegenständen gibt es überhaupt keine Mitte, sondern nur richtig
oder falsch, ein Ja oder ein Nein. So gibt es keine Mitte zwischen
katholisch und nichtkatholisch. Die Mitte wäre hier das Jein, das sich
nicht entscheiden kann und hin- und herschwankt wie ein Schilfrohr. Bei
in sich schlechten Handlungen gibt es ebenfalls keine Mitte. Ein Mensch
verhält sich entweder keusch oder unkeusch. Wo ist die Mitte zwischen
Gläubigen und Ungläubigen? Vermutlich, wo die Halb- oder
Viertelgläubigen sind.
Sodann: Nach allen Erfahrungen
der Geschichte sammeln sich in der Mitte jene, die man als Anpasser und
Mitläufer bezeichnet. In der Mitte befindet sich, wer den Mantel nach
dem Winde hängt. In der Mitte sind jene, die den Opportunismus zu ihrem
Leitprinzip erhoben haben. In der Mitte stehen die, welche dem Hang zur
Bequemlichkeiten nachgeben.
In den Parlamenten der
Französischen Revolution saßen jene Abgeordneten in der Mitte, die
jeweils mit denen stimmten, die sie als die mächtigste Partei ansahen;
diese Mitte trug verdientermaßen den Namen le marais, d.h. der
Sumpf. Wer klaren Entscheidungen ausweicht, mag sich in der Mitte
befinden, aber es ist dies der Platz der Unentschiedenheit und der
halben Maßnahmen. Von dem französischen König Ludwig XVI. heiß es:
"Unentschlossen wie immer, tut er das Mittlere, das sich in der Politik
jederzeit als das Fehlerhafteste erweist" (Stefan Zweig).
Was
sich heute als Mitte ausgibt, das sind jene, die sich in den Trend der
Protestantisierung eingegliedert haben; das sind jene, die der
Selbstzerstörung der Kirche tatenlos zusehen; das sind jene, die sich
vor Gott und der Geschichte durch Feigheit und Katzbuckeln schuldig
gemacht haben. Die MItte zwischen heiß und kalt ist lau. Von den Lauen
aber steht geschrieben: "Weil du lau bist und nicht warm noch kalt, will
ich dich ausspeien aus meinem Munde" (Apk 3,16). (...)
IV. Die Rede von der Polarisierung
Die in der "Mitte" stehenden deutschen Bischöfe reden oft von der
angeblichen Polarisierung der Gläubigen, die vermieden werden müsse.
Polarisierung
heißt Herausstellung der Gegensätze in einer Gesellschaft. Sie setzt
mindestens zwei Pole, also sich gegenüberstehende Fronten, voraus. Ich
sehe aber in der Öffentlichkeit der katholischen Kirche fast nur eine
einzige Front, die der Progressisten unterschiedlichster Couleur, die
von Küng bis Lehmann reicht. Die wenigen Gläubigen, die sich gegen die
Einheitsfront der Progressisten stellen, sind schwach, ja, ohnmächtig.
Ihnen wird fortwährend von progressistischen Blättern wie der
"Herder-Korrespondenz" bescheinigt, dass sie eine verschwindende
Minderheit sind. Ich wünschte, dass sie in der Lage wären, eine starke
Front gegen Abfall und Zersetzung aufzubauen.
Denn soviel ist klar: Die Polarisierung ist Pflicht, wo es darum geht,
dem Irrtum die Wahrheit entgegenzusetzen. Die Polarisierung ist Pflicht,
wenn die Unordnung durch die Ordnung korrigiert werden muss. Der Friede
in der Kirche kann nicht auf dem Grabe des Glaubens und des Rechtes
errichtet werden. Bei dieser Art von Polarisierung wissen wir uns in guter Gesellschaft.
Jesus selbst hat polarisiert, indem er seine Botschaft unverfälscht
vortrug. Das hatte die Wirkung, dass viele sagten: "Das ist eine harte
Rede, wer kann sie hören?"
Es ist geradezu die Eigenart der Botschaft Jesu, polarisierend zu wirken. Sie scheidet die Anhänger von den Gegnern. Die Spaltung der Kirche, und zwar in grundwesentlichen Fragen des Glaubens, der Ordnung und des Gottesdienstes, ist eine Tatsache, die durch keine Vertuschung aus der Welt geschafft wird. Bei dem dadurch anhebenden Kampf wollen wir auf der richtigen Seite stehen.
Es ist geradezu die Eigenart der Botschaft Jesu, polarisierend zu wirken. Sie scheidet die Anhänger von den Gegnern. Die Spaltung der Kirche, und zwar in grundwesentlichen Fragen des Glaubens, der Ordnung und des Gottesdienstes, ist eine Tatsache, die durch keine Vertuschung aus der Welt geschafft wird. Bei dem dadurch anhebenden Kampf wollen wir auf der richtigen Seite stehen.
Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen
- Teil 1: Die Existenz der Hierarchie
- Teil 2: Der Unterschied zwischen Klerus und Laien
- Teil 3: Die Hierarchie - Das Weihesakrament
- Teil 4: Der Heilige Stuhl - Die Lehre
- Teil 5: Der Heilige Stuhl - Die Lage (1)
- Teil 6: Der Heilige Stuhl - Die Lage (2)
- Teil 7: Die Bischöfe - Rechtliche Stellung
- Teil 8: Die Bischöfe - Versagen
- Teil 9: Die Rede von der "Mitte" und von der Polarisierung
- Teil 10: Der Ungehorsam gegenüber dem Vicarius Christi
- Teil 11: Das Rätesystem auf der Ebene des Bistums - Der Priesterrat
- Teil xy: Die Pfarrbeauftragten (v. a. am Beispiel Bistum Limburg)
Ein Zitat von Friedrich von Logau :
AntwortenLöschen"In Gefahr und größter Not bringt der Mittelweg den Tod,"