Die andere Hierarchie
Teil 7
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
§ 3 Die Bischöfe
I. Rechtliche Stellung
1. Die Einzelbischöfe
Die
Bischöfe folgen aufgrund göttlicher Einsetzung durch den Heiligen
Geist, der ihnen gegeben ist, den Aposteln nach, um selbst Lehrer des
Glaubens, Priester des heiligen Gottesdienstes und Diener in der Leitung
zu sein (c. 375 §1). Durch die Bischofsweihe wird die Fülle des Weihesakramentes übertragen (Lumen gentium Nr. 21).
Um sie unbehindert ausüben zu können, bedarf der Geweihte der
kanonischen Sendung. Er vereinigt in seiner Hand die volle Weihegewalt
und eine der Primatialgewalt des Papstes untergeordnete Hirtengewalt.
Der
Bischof ist aufgrund der Weihe und der kanonischen Sendung Haupt einer
Ortskirche, der er im Namen und in der Vollmacht Christi als Hirt,
Lehrer und Priester vorsteht. Dem Diözesanbischof kommt in der ihm
anvertrauten Diözese die ganze ordentliche, eigenberechtigte und
unmittelbare Gewalt, deren Vollzug und Umfang jedoch von der höchsten
kirchlichen Autorität geregelt werden (Lumen gentium Nr. 27). Die
Oberhirtengewalt ist ordentliche Gewalt, weil sie aus dem Bischofsamt
fließt, und sie ist unmittelbare Gewalt, weil sie sich ohne rechtliche
Bindung an Zwischenglieder auf alle anvertrauten Gläubigen bezieht. Die
Oberhirtengewalt des Bischofs ist territorial begrenzt; sie umfasst alle
im Gebiet seiner Diözese wohnhaften Gläubigen. Der Bischof ist das
sichtbare Haupt der ihm anvertrauten Gläubigen und verbindet sie zur
Einheit. Er hat die Glaubens- und Sittenlehre den Gläubigen darzulegen
und zu erklären sowie die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre
mit geeigneten Mitteln zu schützen (c. 386).
Er
leitet die ihm anvertraute Teilkirche mit gesetzgebender, ausführender
und richterlicher Gewalt (c. 391 §1); d. h. er ist für die Gesetzgebung,
Verwaltung und Rechtsprechung zuständig. Der Bischof hat die Diözese
nach außen hin zu vertreten (c. 369); seine Vertretungsmacht teilt er
nicht mit anderen. Der Bischof muss die Einheit mit der Gesamtkirche
wahren, die gemeinsame Ordnung der ganzen Kirche fördern und auf die
Einhaltung aller kirchlichen Gesetze drängen (c. 392 §1). Er hat jedem
Missbrauch der kirchlichen Ordnung, vor allem bei der Verkündigung und
beim Gottesdienst, zu wehren (c. 392 §2). Der Bischof untersteht in der
Ausübung seiner oberhirtlichen Gewalt der Autorität des Papstes; er ist
an übergeordnetes Recht gebunden. Zusammenfassend kann man in einem
richtigen Sinne sagen: Die katholische Kirche ist eine Bischofskirche.
2. Das Bischofskollegium
Die
Bischöfe sind untereinander verbunden. Ihre Gesamtheit bildet das
Bischofskollegium. Der Papst ist der Nachfolger Petri und das Haupt des
Bischofskollegiums (cc. 330 und 331). Das Bischofskollegium folgt dem
Apostelkollegium nach (cc. 336 - 341). In das Bischofskollegium tritt
man ein kraft der sakramentalen Konsekration und durch die hierarchische
Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern dieses Kollegiums. Die
Zugrehörigkeit zum Bischofskollegium verlangt ein entsprechendes
solidarisches Verhalten.
3. Die Bischofskonferenz
Die
Bischöfe treten heute häufiger als vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil
in der Mehrzahl auf, als Bischofskonferenz. Die Bischofskonferenz ist
eine kirchliche Einrichtung, in der die Bischöfe einer Region ihren
Hirtenauftrag gemeinsam wahrnehmen. (c. 447).
Die Weisen ihres Handelns sind verschieden. Sie dient der Information
und der Beratung der in ihr versammelten Bischöfe, aber auch der
Koordination und der Abstimmung von Tätigkeiten.
Die
Bischofskonferenz darf verbindliche Beschlüsse nur in den im Recht
genannten oder besonders zugewiesenen Fällen fassen. Institutionen
neigen dazu, ihr Personal und ihre Aktivitäten auszuweiten. Die Deutsche
Bischofskonferenz hat einen beträchtlichen Apparat geschaffen; er
beträgt 300 Personen. Die Deutsche Bischofskonferenz hat als dauernde
Organe den Vorsitzenden, den Ständigen Rat, das Sekretariat und 14
Kommissionen. Dazu treten die zweimaligen Vollversammlungen im Jahr.
An
sich wäre es möglich, lediglich die Diözesanbischöfe mit beschließendem
Stimmrecht in die Versammlungen der Bischofskonferenz auszustatten. In
Deutschland hat man es allen, also auch den Hilfsbischöfen gegeben. Die
Zahl der Hilfsbischöfe überschreitet die Zahl der Diözesanbischöfe bei
weitem. Die für ihre Diözesen hauptverantwortlichen Oberhirten werden
dadurch in die Minderheit gedrängt. Die Kosten der Bischofskonferenz
gehen in die Millionen.
Das letzte Wort über Nutzen und
Schaden der Bischofskonferenzen neuen Typs ist noch nicht gesprochen.
Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurden die Gefahren, welche die
Bischofskonferenzen für den Primat und für die Verantwortung des
Einzelbischofs mit sich bringen, deutlich gesehen. Das Konzil sagt daher
vorsichtig, dass die Bischofskonferenzen hilfreich sein "können" (Lumen gentium Nr. 23).
Die Bischofskonferenzen neuen Typs haben tasächlich mannigfache
Nachteile. Die ständigen Organe der Bischofskonferenz (Vorsitzender,
Ständiger Rat, Sekretariat, Kommissionen) bringen einmal die Gefahr mit
sich, dass immer mehr Angelegenheiten von ihnen angezogen werden.
Es
ist eine offenkundige Tatsache, dass die Bischofskonferenzen die
Verantwortung des Einzelbischofs lähmen und die Flucht in das Kollektiv
begünstigen. Der Einzelbischof wagt kaum mehr, selbstverantwortlich zu
entscheiden. Denn in der Bischofskonferenz wird er zur Rede gestellt,
wenn er einen Alleingang wagt. Ein Bischof muss aber frei und
deckungslos handeln. Er darf sich nicht hinter Mehrheitsbeschlüssen
verkriechen. Seine Verantwortung ist eine höchst persönliche und kann
ihm von niemandem abgenommen werden.
Für die Richtung, in die Bischofskonferenzen gehen, ist sodann regelmäßig die Einstellung ihres Vorsitzenden
entscheidend. Bei ihm laufen die Fäden zusammen, er vermag im Vorfeld
der Verhandlungen die Weichen zu stellen. In Deutschland ist
offenkundig, dass die Bischöfe in den Versammlungen der
Bischofskonferenz auf den progressistischen bzw. liberalen Kurs ihres
Vorsitzenden festgelegt werden (Anm.: Vorsitzender der DBK war 1997,
also in dem Jahr, in dem diese Schrift herausgegeben wurde (und zwar
seit 1987), bis zum Jahr 2008 der Mainzer Bischof Karl Kardinal Lehmann;
aber auch für dessen Nachfolger, Erzbischof Robert Zollitsch von
Freiburg dürfte diese Feststellung weiterhin zutreffen).
Dafür
kann ich ein bezeichnendes Beispiel berichten. Als ich den
gegenwärtigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz einmal darauf
hinwies, dass der frühere Bischof von Essen, Hengsbach, großzügig sei
im Erteilen der Erlaubnis, die tridentinische Messe zu feiern,
entgegnete er mir: "Der kommt ja auch nicht zur Bischofskonferenz."
Diese Äußerung kann nur besagen: Wenn der Essener Bischof öfter zur
Bischofskonferenz käme, würde man ihm dort seine Großzügigkeit schon
ausgetrieben haben.
Die Bischofskonferenzen entwickeln
sich auch immer mehr zu pressure groups gegen den Apostolischen Stuhl.
Mit dem Einzelbischof vermag der Papst leicht fertig zu werden; gegen
eine Bischofskonferenz kann er sich immer weniger durchsetzen. Der
Widerspruch beginnt da, wo der Papst spricht und deutsche Bischöfe
reden. Ich erwähne ein bezeichnendes Beispiel: Der Papst lehrt die
ausnahmslose Geltung der sittlichen Normen über die Empfängnisverhütung.
Deutsche Bischöfe lehren das Gegenteil (1).
Unbequeme
Entscheidungen werden dagegen von der Bischofskonferenz ab- und dem
Heiligen Stuhl zugeschoben. ich erinnere an den Vorbehalt der
Priesteweihe an Angehörige des männlichen Geschlechts. Robert Spaemann
schreibt richtig: "Allzu oft haben sie (nämlich die Bischöfe) sich durch
Rom die Kastanien aus dem Feuer holen lassen, um dann anschließend die
wachsende Dominanz der römischen Zentralgwalt zu beklagen" (2).
4. Die Bestellung der Bischöfe
In
der lateinischen Kirche ist die fast überall übliche Weise der
Bischofsbestellung die freie Ernennung durch den Papst. Nur in wenigen
Ländern bestehen mehr oder weniger eingeschränkte Wahlrechte (c. 377 §1).
Seit geraumer Zeit wird nun eine breitere
Beteiligung der "Ortskirche" bei der Ernennung von Bischöfen gefordert
(3). Dazu sind einige Fragen zu stellen.
Erstens.
Wer
ist die "Ortskirche", der mehr Rechte bei der Bestellung von Bischöfen
eingeräumt werden sollen? Sind das die frommen Gläubigen, die das
Bußsakrament regelmäßig empfangen und die Werktagsmesse besuchen, oder
sind das die Berufslaien, die sich fortwährend durch Schwadronieren zu
Wort melden? Gehören dazu die stillen, treuen Priester, die sich in der
Arbeit für das Heil der Seelen verzehren, oder sind darunter die
gremienbeflissenen Geschaftlhuber zu verstehen?
Zweitens.
Woher
wissen die an der Mitsprache Beteiligten, wie ein Bischof nach Gottes
Willen aussehen muss? Woran nehmen sie das Maß? Sehen sie ihr
Bischofsideal in einem Oberhirten, der unermüdlich sein Bistum durch
Wort und Weisung, Gottesdienst und Sakrament zum Vollalter Christi
führt, oder suchen sie nach einem progressistischen Manager, der den
Menschen nach dem Munde redet, einen antirömischen Affekt besitzt und
sich von Teufel und Hölle verabschiedet hat?
In manchen
Diözesen ist die breitere Beteiligung der "Ortskirche" an der
Bischofsbestellung bereits ausgeführt. Der Bischof von Graz-Seckau
erließ am 4. Februar 1993 sogar eine Ordnung zur Mitwirkung der
"Ortskirche" an der Bischofsbestellung (4). Die "Ortskirche" schrumpft
in diesem Papier auf die Delegierten des Domkapitels, des Diözesanrates,
und des Priesterrates sowie die Dechanten zusammen. Dabei wird in einem
zweifachen Vorschlagsverfahren eine doppelte Kandidatenliste erstellt.
Dass die Verschwiegenheit, die dabei zu beobachten ist, gehalten wird,
ist illusorisch. Der Apostolische Nuntius wird bei Sedisvakanz von den
Stimmenzählern über die Namen der drei Meistgenannten unterrichtet.
Diese Mitteilung hat eindeutig den Zweck, den Heiligen Stuhl bei der
Bestellung des Bischofs zu praeformieren. Man ahnt, welch ein Sturm der
Entrüstung durch die Diözese Graz gehen würde, wenn der Heilige Stuhl
keinen der drei Meistgenannten zum Bischof befördern würde. Ich erinnere
an die Drohungen, die der Innsbrucker Bischof Stecher ausstieß, falls
der Heilige Stuhl nicht die Wünsche der "Ortskirche" berücksichtigen
sollte.
Wen werden die befragten Personen für die
Besetzung des Bischofsstuhles benennen? Wer bekannt und beliebt ist. Wie
wird man bekannt und beliebt? Indem man sich in den liberalen Trend
eingliedert. Bekanntsein und Beliebtsein sind kein Maßstab für Qualität.
Die "Mitentscheidung der Ortskirche" bei der Ernennung von Bischöfen
besagt unter den heutigen Verhältnissen, dass derjenige am meisten
Aussicht hat, Bischof zu werden, der den Menschen am besten nach dem
Munde redet. Die Personen, die die Masse der Menschen auf dem
Bischofsstuhl sehen will, sind in der Regel nicht die Oberhirten, welche
die Diözesen brauchen.
Aus diesen Gründen kann vor
einer Verbreiterung der Beteiligung an der Auswahl der Bischöfe nur
eindringlich gewarnt werden. Wollte man gar die Gesamtheit der
Kirchensteuerzahler entscheiden lassen, wer Bischof einer Diözese werden
soll, würde man das entscheidende Kirchenamt der Demagogie
überantworten. Der Heilige Stuhl hat bei Bischofsernennungen nicht
selten Fehler gemacht, ist getäuscht worden oder hat dem Druck
nachgegeben. Was aber bei der Bestellung von Bischöfen durch maßgebenden
Einfluß der sogenannten Ortskirchen herauskommen würde, verhielte sich
gegenüber diesen Mängeln wie eine Lungentuberkulose zu einem Schnupfen.
(1) Z. B. Freundeskreis Maria Goretti Informationen 42, 1990, 4f
(2) Rheinischer Merkur, Nr. 46 vom 17. November 1995 S.26
(3) Anton Ziegenaus, Zur Kontroverse: Bischofswahl: Forum Katholische Theologie 13, 1997, 176 - 186
(4) Archiv für katholisches Kirchenrecht 162, 1993, 240f
Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen
Übersicht: Zu den bisher erschienenen Fortsetzungen
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