Samstag, 23. November 2013

Kirche und zivil Wiederverheiratete - Treue zum Herrn und Barmherzigkeit mit den Sündern

Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad 

Das Dokument mit dem sperrigen Titel „Handreichung für die Seelsorge zur Begleitung von Menschen in Trennung, Scheidung und nach ziviler Wiederverheiratung“, veröffentlicht im Oktober 2013 vom Seelsorgeamt der Erzdiözese Freiburg im Breisgau, erregt Aufsehen. Mit einem Mal ist die kirchliche Haltung zu einer moraltheologischen und disziplinären Frage in aller Munde. Sagen wir besser: die erhoffte neue Haltung; denn nach mehrheitlicher Meinung scheint in der vielbesprochenen Angelegenheit jetzt ein lehrmäßiger Wendepunkt gekommen zu sein. 

Es verwundert kaum, dass die „Handreichung“ in der breiten Öffentlichkeit begeisterte Zustimmung findet, bedenkt man den moralischen Zustand des Volkes und den Einfluss der Medien, die sogleich in die Siegesfanfaren geblasen haben: „Endlich lässt die katholische Kirche ihre rigorosen Moralvorstellungen fallen und passt sich der Zeit an!“

Erstaunlich hingegen sind die Reaktionen derjenigen Oberhirten und Theologen, die den Text kritisch bis ablehnend bewerten. Ihr verhaltener Vorwurf gegen den „Freiburger Vorstoß“ lautet, er presche eigenmächtig in einer Angelegenheit von weltkirchlicher Bedeutung vor, die nur gemeinsam unter Leitung des Papstes geregelt werden könne. 

Es ist zutreffend, dass die Vorgehensweise des Seelsorgeamtes nicht gerade von demütigem Gehorsam zeugt. Die Forderungen des Papiers betreffen immerhin die Sakramente der Ehe und der Eucharistie: Eine Zivilehe trotz eines schon bestehenden sakramentalen Ehebandes mit einem anderen Partner soll nun fallweise eine neue – nämlich positive – Wertung und sogar den kirchlichen Segen erhalten können; konsequenterweise will man den betroffenen Personen auch offiziell jenen Zugang zur heiligen Kommunion öffnen, den man ihnen inoffiziell schon lange gewährt. Wer nur ein wenig mit den Verfahrensweisen in der Kirche vertraut ist, versteht leicht, dass Entscheidungen solchen Gewichtes „Chefsache“ sind und bleiben müssen. Das aber wurde vom Seelsorgeamt Freiburg geflissentlich übersehen. Daher kann man mit vollem Recht die Anmaßung der „Handreichung“ rügen. 

Doch reicht denn solche Kritik auch schon aus? Geht es in Sachen Ehe und Kommunion tatsächlich nur um Kompetenzfragen? Vor einigen Jahrzehnten hätte jeder halbwegs unterrichtete Katholik Einspruch erhoben und die Auskunft erteilt, die uns die beauftragten Hirten und Lehrer heute schuldig bleiben: Das eigentliche Problem der ganzen Angelegenheit liegt in der Tatsache der Sünde, genauer der Todsünde. Denn nach Lehre der Kirche, die sich an Jesu Wort gebunden weiß (vgl. Mt 19,6), ist die sakramentale Ehe unauflöslich. Folglich stellt die Liebesgemeinschaft eines Verheirateten mit einem anderen Menschen als seinem Ehepartner einen Ehebruch dar; eine Verfehlung, die vom Empfang des Altarsakramentes ausschließt. Immer wurden auch auf diesen Fall die Worte des heiligen Paulus über den unwürdigen Genuss des Leibes und Blutes Christi angewandt, mit dem man sich das Gericht isst und trinkt (1 Kor 11,27 ff.)

Das Hindernis liegt demnach nicht in einem bloßen Kirchengebot, das sich je nach Bedürfnis der Menschen auch ändern ließe. Es liegt vielmehr in der schweren Sünde. Und die einzige Weise, dieses Hindernis zu beseitigen, ist die Vergebung Gottes. Sie wird im Sakrament der Busse allen denen geschenkt, die ihre Sünden aufrichtig bereuen und den festen Vorsatz haben, sie nicht mehr zu begehen. Hier also muss echte Hirtensorge ansetzen.

Mit dem Einfallsreichtum und der Findigkeit der Liebe sinnt sie nach, wie sie jedem einzelnen den Weg zur sakramentalen Vereinigung mit Jesus Christus bahnen kann, aber sie vergisst niemals, dass bei Personen im Stand schwerer Sünde die Bekehrung des Herzens unumgänglich, weil von der Sache her unbedingt erfordert, ist. Andernfalls würde die sakrilegische Kommunion gefördert, das Heiligste zur Entweihung freigegeben. 

Man wird einwenden, das sei zu pauschal argumentiert. Die Lebenswirklichkeit wiederverheiratet Geschiedener und die Frage ihrer persönlichen Schuld sehe oft sehr differenziert aus. Und tatsächlich kann jeder Seelsorger bestätigen, dass es sich zuweilen um Situationen von geradezu herzzerreißender Tragik handelt. Dennoch und gerade deswegen ist es höchst notwendig, an den bleibenden Grundsätzen festzuhalten, um sie mit Weisheit und Liebe auf den einzelnen Fall anzuwenden. Nur so kann man ihm wahrhaft gerecht werden.

Bekanntlich hat die Kirche im 16. Jahrhundert die Unauflöslichkeit der Ehe für so wichtig erachtet, dass sie lieber ein ganzes Land – England mit seinem ehebrecherischen König Heinrich VIII. – verlor, als in dieser Sache nachzugeben. Und heute sollte sie ihre Festigkeit aufgeben? Das kann die Kirche weder im Alleingang einiger Seelsorgeamtsfunktionäre noch unter Führung von Papst und Bischöfen tun. Die Treue zum Herrn, die Barmherzigkeit mit den Sündern und ihre eigene Ehre als Braut Christi verbieten es. 



Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS) 
- Bild: Barmherziges Herz Jesu; Gebetszettelchen aus dem Jahre 1901




Foto: eigenes Bild

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