Prof. Dr. Georg May
Die andere Hierarchie
Teil 13
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
IV. Diözesanforum und Pastoralgespräche
1. Struktur
Die
vielen Räte, die im Zuge der nachkonziliaren Strukturveränderungen
geschaffen wurden, reichten anscheinend nicht aus, um dem Bedürfnis nach
Reden Genüge zu tun. Viele deutsche Bischöfe riefen in ihrer Blindheit
und Schwäche weitere Plattformen für Rederei ins Leben, die sogenannten
Diözesanforen und Pastoralgespräche. Diese neuen Einrichtungen wurden
geschaffen, um die strengeren Bestimmungen bezüglich der Diözesansynoden
zu umgehen.
Ich erwähne das
Diözesanforum in der Diözese Freiburg *
(9). Das Diözesanforum ist nach der Satzung ein weiteres
"Beratungsgremium". Darin vereinigen sich die Mitglieder der drei
diözesanen Räte (Priesterrat, Diözesanpastoralrat und Diözesanrat der
Katholiken), die Regionaldekane und die Dekane sowie berufenen
Mitglieder und verantwortliche Mitarbeiter bei der Leitung der Diözese
unter Vorsitz des Bischofs zur gemeinsamen Beratung. Das Diözesanforum
soll dazu beitragen, das Leben in der Erzdiözese Freiburg auf der
Grundlage des Glaubens zu erneuern und pastorale Orientierungen für die
Evangelisierung zu erarbeiten (§1). Das Diözesanforum berät in
Plenarsitzungen, Arbeitsgrupen und Kommissionen (§11). Auf die
zahlreichen Einzelheiten der Ausgestaltung braucht hier nicht
eingegangen zu werden. Die Ordnungen der Diözesanforen in den übrigen
Diözesen sind von der Freiburger Satzung nicht wesentlich verschieden
(10).
2. Kritik
a) Einberufung
Schon
die Einberufung dieser Foren war eine typische Fehlentscheidung von
Bischöfen, die ihrer Führungsaufgabe nicht gewachsen sind.
Die
Foren sind vom Ansatz her verfehlt. Sie vernachlässigen die
grundlegende hierarchische Struktur der Kirche. Sie erwecken den
falschen Anschein, als gebe es in der Kirche eine gleichberechtigte
Mitbestimmung demokratisch legitimierter Kirchenglieder, die in
Konkurrenz zu den Hirten der Kirche treten. Denn jedes Mitglied dieser
Foren kann, wenn es genügend Unterstützung findet, Anträge einbringen
und darüber abstimmen lassen. Mögen die so zustande gekommenen
Beschlüsse auch lediglich als Voten oder Meinungsbilder firmieren, so
erwecken sie doch den Anschein, dadurch werde von Amts wegen etwas
bewegt. Das Ergebnis einer Abstimmung steht als ein Faktum und lässt
sich nicht mehr beseitigen.
Der Apostolische Stuhl hat die Gefahren, die der Kirche heute von Diözesansynoden und Diözesanforen drohen, erkannt. Die
Instruktion
vom 19. März 1997 (11) über die Diözesansynoden hebt hervor, dass der
Bischof der einzige Repräsentant der Diözese ist, der ihr als sichtbares
Prinzip der Einheit vorsteht. Die Synode als "Vertretung des Volkes
Gottes" dem Bischof entgegenzusetzen, steht im Widerspruch zur
hierarchischen Verfassung der Kirche. Der Heilige Stuhl hat in dieser
Instruktion den lediglich beratenden Charakter von Diözesansynoden
deutlich herausgestellt. Es handelt sich dabei nicht um ein sogenanntes
Repräsentativorgan des Volkes Gottes, das dem Bischof entgegengestellt
wird (Anm.: ebd. Nr. 1). Für die Diözesanforen gilt dasselbe.
Die
Einberufung der Foren wird u. a. damit begründet, die Ansichten, die im
Volke Gottes umlaufen, der "Diözesanleitung" zu Gehör zu bringen. Diese
Begründung ist fadenscheinig. Um den Bischof über den Zustand und die
Stimmungslage unter den nachkonziliaren Katholiken zu unterrichten,
benötigt er kein aufwändiges Diözesanforum. Dazu braucht er nur die
kirchlichen Statistiken anzusehen und Kontakt mit den Menschen zu
halten. Wie die Masse der nachkonziliaren Katholiken denkt und was sie
will, das ist jedem aufmerksamen und ehrlichen Seelsorger klar. Sie sind
durch das geprägt, was die Systemveränderer unter den Theologen seit 35
Jahren in sie hineingerufen haben; nur das kann bei den Diözesanforen
wieder an die Oberfläche kommen.
Manche Bischöfe
meinen, in diesen Gesprächsrunden werde "Dampf abgelassen". Das soll
wohl heißen, wenn man die Leute nur reden lasse, seien sie zufrieden,
und die Lage werde sich beruhigen. Dieses Bild ist falsch gewählt. In
den Diözesanforen werden nicht berechtigte Anliegen zur Sprache
gebracht, sondern dort wird die Agitation der theologischen Falschlehrer
auf einer anderen, nunmehr amtlichen Ebene fortgesetzt. Die Atmosphäre
wird nicht gereinigt, sondern aufgeheizt. Der endlose Prozess des Redens
führt keine einzige Frage einer sachgerechten Lösung zu, vermehrt
vielmehr die Konfusion und stärkt die destruktiven Elemente. Das
Gespräch klärt nichts, aber verwirrt viele. Die Kirche ist kein
Sprechsaal, in dem alle, auch die abweichendsten und verworrensten
Ansichten vor der Öffentlichkeit ausgebreitet werden können. Die Kirche
ist der Hort der Wahrheit und der Einheit. In ihr haben allein die
Wahrheit und die Ordnung Existenzberechtigung.
b) Gegenstände
Was
in den Diözesanforen
zur Sprache kommen würde, war klar, bevor sie
einberufen wurden. Ich habe jeweils vor ihrer Eröffnung vertrauten
Freunden die Gegenstände benannt, die dort aufs Tapet gebracht werden
würden, und ich bin jedesmal in vollem Umfang bestätigt worden.
Ich
zähle die Punkte auf, welche diese unseligen Veranstaltungen
beschäftigen: Frauenordination, Abschaffung des Zölibats der Priester,
Weihe verheirateter Männer, unbeschränkte Laienpredigt, Beteiligung der Gemeinden an der Bischofswahl, unterschiedslose Zulassung von Todsündern
zur hl. Kommunion (wiederverheiratete Geschiedene), beliebige
Empfängnisverhütung (12), Freigabe vorehelicher Sexualität, Billigung
nichtehelicher Lebensgemeinschaften, Aufwertung der Homosexualität,
ökumenische Exzesse jeder Art (13), gemeinsame Gottesdienste am
Sonntagmorgen, Interkommunion.
Mit all diesen Punkten
griffen die Foren auf Gegenstände über, für die sie keine Kompetenz
haben. Die Appelle der Bischöfe, sich auf Vorschläge und Forderungen zu
beschränken, die auf der Ebene des Bistums verwirklicht werden können,
blieben erwartungsgemäß ohne jeden Erfolg. Zahlreiche Texte dieser Foren
und Gespräche stehen im offenen Widerspruch zu Lehre und Ordnung der
Kirche. An nicht wenigen Stellen ist der Affront gegen das Lehramt des
Papstes mit den Händen zu greifen (14). Die Gremien wehren die Angriffe
auf die Lehre der Kirche nicht nur nicht ab, sie verstärken sie
"medienwirksam durch Voten, die teilweise in eklatantem Widerspruch zum
Lehramt der Kirche stehen und schwächen dadurch... den gesamten
deutschen Katholizismus zusätzlich von innen" (15).
Nach
der Instruktion vom 19. März 1997 darf der Bischof auf Diözesansynoden
keine Diskussion über Positionen zulassen, die zur beständigen Lehre der
Kirche in Widerspruch stehen oder über die andere kirchliche
Autoritäten zu befinden haben. Ebensowenig dürfen derartige Gegenstände
in der Form von "Voten" zur Abstimmung gebracht werden. Für die
Diözesanforen kann nichts anderes gelten. Manche Gläubigen hegen den
Verdacht, dass einigen Bischöfen die gegen Lehre und Ordnung der Kirche
gerichteten Anträge und Beschlüsse mancher Diözesanforen gar nicht
unwillkommen sind.
Für das Bistum Münster wurde
beobachtet, dass im Vorfeld des Forums ausdrücklich über die
Bistumszeitung für "die antirömischen Positionen" geworben wurde (16).
Teilweise machte sich auf den Foren eine radikale, ja rabiate
Laientheologie bemerkbar mit scharfer Aggression gegen Klerus und
Hierarchie.
Joseph Overath bezeichnet richtig das
Kölner Pastoralgespräch
als "das Kirchenvolksbegehren auf einer 'höheren' Ebene" (17). Indem
man zwischen Voten und Meinungsbildern unterschied, machte man den
untauglichen Versuch, die Auflehnung gegen Lehre und Ordnung der Kirche
zu verharmlosen.
Insgesamt kann man nur staunen, was
für phrasenreiche Dokumente auf den Foren verabschiedet wurden. Die
wirklich dringenden, ja unerlässlichen Fragen wurden kaum irgendwo
angegangen, geschweige denn mit hilfreichen Vorschlägen beantwortet.
Soweit überhaupt Brauchbares zur Sprache kam, war es schon vorher
bekannt und wurde versucht umzusetzen. Beachtet wurde aber nicht das
Richtige und Vernünftige, sondern das Falsche und Unvernünftige.
c) Triumph der anderen Hierarchie
Die Diözesanforen sind ein zeitraubendes und kräftezehrendes, völlig
überflüssiges, aber um so gefährlichereres Palaver von Leuten, die
mehrheitlich weder die wahre Lage der Kirche noch die wirklichen
Ursachen der Kirchenkrise zu erkennen imstande oder gewillt sind. Zu
selbständiger Beantwortung der aufgeworfenen Fragen sind die Mitglieder
nicht in der Lage.
Die Diözesanforen wirken daher
lediglich als Lautverstärker jener zersetzenden Ansichten, die seit über
35 Jahren von missvergnügten, verirrten, dem Protestantismus
zuneigenden Theologen mit voller Unterstützung der Massenmedien in das
Volk hineingerufen werden. Die Diözesanforen sind weithin Tummelplätze
und Spielwiesen jener Kräfte, welche die Kirche ihres katholischen
Charakters entkleiden wollen; die gutwilligen Gläubigen fungieren dabei
als "nützliche Idioten". Walter Hoeres sprach in bezug auf die
Diözesanforen richtig von dem "Dauergerede", "das die innerkirchliche
Glaubenskrise... lautstark verdeckt" (18).
Was die
Foren hervorgebracht haben, sind Berge von Papier. Was sie bewirkt
haben, ist Vermehrung der Unzufriedenheit und Gereiztheit, Verminderung
der Bereitschaft zu Dienst und Gehorsam, Verbreitung des Verdrusses an
Kirche und Religion. Die Diözesanforen und Pastoralgespräche verstärken
die Verwirrung und treiben die Verirrungen weiter. Sie sind zu ihrem
Teil dafür verantwortlich, dass das Kirchenvolk immer mehr katholischem
Denken entfremdet wird. Die Gespräche haben den einzigen Vorteil, aller
Welt zu zeigen, dass die Mehrheit der deutschen katholiken unkirchlich
und papstfeindlich eingestellt ist. Die Diözesanforen zeigen aber auch
den Mitgliedern der kirchlichen Hierarchie, wohin man kommt, wenn man
immer neue Plattformen für die Angehörigen der anderen Hierarchie
schafft.
* Dem Freiburger "Diözesanforum" entspricht in etwa die derzeitige Freiburger "Diözesanversammlung"
(
9) Archiv für katholisches Kirchenrecht 160, 1991, 135-140. Vgl.
Dokumentation zum Freiburger Diözesanforum. Heft 1: Die Voten. Heft 2:
Vorlagen der Kommissionen für die abschließende Sitzungsperiode vom 25.
bis 29. Oktober 1992
(10) Presseamt des
Erzbistums Köln im Auftrag ders Diözesanpastoralrates, Arbeitsergebnis
des Pastoralgesprächs im Erzbistum Köln, Köln 1994; Pastorales Forum
19.-21. Juni 1944. Dokumentation mit Vorlagen zur 4. Sitzung (München);
Beschlüsse des Pastoralforums 1994/95 (erster Teil), Regensburg
(Pfarramtsblatt 69, 1996, 306-314); Presseamt des Erzbistums Köln,
Schlussvoten und Meinungsbilder. Pastoralgespräch im Erzbistum Köln, Köln 1996
(11) L'Osservatore Romano Nr. 29 vom 18. Juli 1997 S. 8-12. Vgl. Herder-Korrespondenz 51, 1997, 426
(12) In München und in Augsburg lehnten die Beteiligten eine Empfehlung der Natürlichen Familienplanung ab.
(13) Das Diözesanforum Münster ermutigte die Gatten von Mischehen, sie
könnten "aufgrund ihrer Gewissensentscheidung an Abendmahl und
Eucharistie der jeweils gastgebenden Kirche teilnehmen". Eine
Dreiviertelmehrheit sprach sich für die "Entflechtung von Priesteramt
und Zölibat", d.h. für die Beseitigung des Zölibats, aus (Informationen
aus Kirche und Welt. Hrsg.: Initiativkreis katholische Laien und
Priester in der Diözese Augsburg e.V. Nr. 4/97 S. 3)
(14) Joseph Overath, Petrusamt und Kölner Pastoralgespräch. Theologisches 26, 1996, 185-192.
(15) Deutsche Tagespost Nr. 45 vom 12. April vom 12. April 1997 S. 9
(16) Deutsche Tagespost Nr. 52/53 vom 29. April 1997 S. 13
(17) Overath, Petrusamt und Kölner Pastoralgespräch 192
(18) Walter Hoeres, Im Bündel billiger. Foren und Moderatoren: Theologisches 26, 1996, 444-448, hier 444
Fortsetzung folgt in unregelmäßigen Abständen