Prof. Dr. Georg May |
Die andere Hierarchie
Teil 3
Verlag Franz Schmitt Siegburg AD 1997
III. Das Weihesakrament
1. Die Repräsentation Christi
Das
Amt der Apostel lebt in der kirchlichen Hierarchie weiter. Die
Weitergabe geschieht im Sakrament der Weihe. Wer in der Kirche mit
Christi Autorität handeln soll, bedarf dazu der Ausrüstung durch die
sakramentale Würde.
Das Weihesakrament verleiht ein
bleibendes geistiges Prägemal. Der Geweihte empfängt eine gewisse
Gleichgestaltung mit Christus, eine besondere Angleichung an Christus.
Christus aber ist der Mittler zwischen Gott und den Menschen (vgl. 1 Tim 2,5) sowie das Haupt der Kirche (vgl. Kol 1,18).
Der Christus Gleichgestellte und Angeglichene wird daher zu der
Darstellung oder Repräsentation des Mittlers Christus in der Kirche
befähigt und damit betraut.
Das Weihesakrament gleicht
den Empfänger an Christus als das mittlerische Haupt der Menschheit an;
es verähnlicht ihn Christus, der sein Priestertum im Kreuzesopfer
vollendete. Wenn Christus als das mittlerische Haupt der Kirche
repräsentiert werden soll, kann dies niemals durch alle, sondern nur
durch ausgewählte Einzelne geschehen. Das ist ohne weiteres einsichtig.
Wenn
jeder repräsentieren soll, bleibt niemand übrig, dem gegenüber die
Repräsentation erfolgt. Das priesterliche Mittlertum Christi sollte in
der Kirche sichtbar weitergeführt werden durch Personen, die in der
Person Christi handeln. Dadurch bleibt das Heilsgeschehen an Christus
gebunden.
"Wenn ... jeder Gläubige gegenüber dem andern die Christusfunktion übernehmen könnte und jeder dem andern gegenüber in der Rolle Christi aufträte, würde die mittlerische Hauptesstellung Christi nicht mehr zeichenhaft in Erscheinung treten. Das Heil in der Kirche käme nicht mehr vom Ursprung in Christus, sein Hauptsein träte im Heilsleben nicht mehr hervor. Das Heilsleben wäre ein natürliches Geschehen unter Menschen." (2 Scheffczyk, Aspekte der Kirche 96)
- Das
Amt in der Kirche ist also grundwesentlich und unaufgebbar
Repräsentation Christi. Diese vollzieht sich auf verschiedenen Gebieten.
Das Konzil spricht davon, dass der Priester beim Vollzug der Liturgie
"in der Rolle Christi an der Spitze der Gemeinde steht" (Sacrosanctum Concilium Nr. 33), dass die Priester "in persona Christi handeln" (LG Nr. 10 und 28); dass sie "in besonderer Weise an Christi Stelle handeln" (PO Nr. 13). Es erklärt, dass die Priester "Anteil am Amt des einzigen Mittlers Christus haben" (LG Nr. 28), dass sie "in der Person des Hauptes Christus handeln können" (PO Nr. 2).
2. Sein und Funktion
Das
Amt in der Welt ist eine Bündelung von Funktionen, Funktionen sind
Verrichtungen innerhalb eines Sozialgebildes, die dem Funktionsträger
von diesem zugewiesen werden. An sich ist das Sozialgebilde Urheber und
Besitzer der Verrichtungen, die lediglich aus Gründen der Ordnung und
der Übersichtlichkeit bestimmten Personen auferlegt werden. Der Träger
der Funktionen ist grundsätzlich auswechselbar.
Die
Funktionen verleihen nicht bleibende, unaufhebbare Autorität und keine
echte, wesenhafte Repräsentation. Der Funktionsträger ist lediglich der
äußere Vollzieher von Augaben und Tätigkeiten. Er muss gewiss fachlich
für seine Aufgabe ausgebildet sein, aber er benötigt nicht eine
bleibende Prägung seiner Person.
Anders in der Kirche.
Das priesterliche Amt unterscheidet sich wesentlich von Ämtern in der
Welt. Denn es geht nicht in Bezügen und Funktionen auf, die beliebig
verteilt und ausgetauscht werden können. Das Amt ist vielmehr personal
gebunden, eben an die Person Jesu Christi, dem der Amtsträger
angeglichen wird.
Das priesterliche Amt geht darum weit
über die bloße Funktionalität hinaus. Der Geweihte empfängt eine
personale Prägung, die das Sein bestimmt; er erhält ein unauslöschliches
Zeichen, das die unverzichtbare Grundlage für jede im Namen Christi
vollzogene Funktion ist.
3. Allgemeines und Amtspriestertum
Von
daher versteht man, dass nach der Aussage des Zweiten Vatikanischen
Konzils ein wesentlicher Unterschied zwischen Amtspriestertum und
allgemeinem Priestertum besteht (LG 10). Gewiss werden alle Getauften
des Amtes Christi als Priester, Prophet und König teilhaftig, aber in je
verschiedener Weise (c. 204 §1).
Während der
Amtspriester das priesterliche Mittlertum Christi sichtbar und greifbar
weiterführt, ist dies bei den mit dem allgemeinen Priestertum
Beschenkten nicht der Fall. Während der Amtspriester die Stelle Christi
vertritt, vertreten die Angehörigen des allgemeinen Priestertums nicht
die Stelle Christi. Während die Amtspriester als Vertreter des Hauptes
Christus den Heilsdienst sichtbar und ausweisbar vollziehen, tun dies
die Inhaber des allgemeinen Priestertums nicht. Während der Amtspriester
mit Vollmacht und Weisungsbefugnis ausgestattet ist, sind dies die
Glieder des allgemeinen Priestertums nicht.
- Insofern
der Priester Christus als das erlöserische Haupt der Kirche
repräsentiert und seinen Heilsdienst in werkzeuglicher Abhängigkeit
weiterführt, steht er gegenüber der Gemeinde und vor der Gemeinde. Das
allgemeine Priestertum ist kein Amt, sondern die gnadenhafte
Seinsbestimmtheit der durch Taufe und Firmung mit Christus
Verähnlichten. Das genmeinsame Priestertum aller Getauften und Gefirmten
wird aussgeübt "im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung,
im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige
Liebe" (LG 10).
Das Papier der deutschen Bischöfe "Der
pastorale Dienst in der Pfarrgemeinde" weist richtig darauf hin, dass
das gemeinsame Pristertum aller Getauften "vor allem der christlichen
Prägung aller Lebensbereiche" dient (II, 1,5), während das amtliche
Priestertum den Hirtendienst leistet und den Christen zur Erfüllung
ihrer Sendung hilft.
- Das gemeinsame Priestertum ist Priestertum im uneigentlichen Sinne.
Denn im eigentlichen Sinne ist Priestertum nur da vorhanden, wo ein
Mensch anstelle eines anderen und für andere vor Gott tritt und Opfer
darbringt. Es ist ausgeschlossen, dass alle als Vertreter und
Beauftragte für alle handeln.
Diese Überlegungen gilt
es im Gedächtnis zu behalten, wenn im folgenden die von Christus
eingesetzte Hierarchie mit der anderen Hierarchie, die nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil geschaffen wurde, verglichen wird. Dabei wird es
vor allem um die Beantwortung der Fragen gehen: Wie konnte es zu der
Aufrichtung der anderen Hierarchie kommen? Wie verhalten sich
traditionelle und neue Hierarchie zueinander? Welches sind die
Auswirkungen des Aufbaus einer anderen Hierarchie?
(Fortsetzung)
(Fortsetzung)
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