Hier rümpft der aufgeklärte Katholik die Nase: Die gefühlsduselige Verehrung der Mutter Jesu ist seine Sache nicht. Sie geht ihm gegen den Geschmack. Mit derlei Sentimentalitäten will er weder etwas zu tun haben noch in Verbindung gebracht werden, denn sie widersprechen seiner Meinung nach der Vernünftigkeit des Glaubens, die ein wichtiges Charakteristikum der Religion des Logos, des sinnerfüllten, „logischen“ Gotteswortes, ist. An diesem müsse doch jede echte Frömmigkeit gemessen werden. Der volkstümlichen Marienverehrung aber fehle weithin die biblische Basis. Stattdessen ergehe sie sich in enthusiastischen Äußerungen, die oftmals jeden Bezug zur Mitte der göttlichen Offenbarung, zum menschgewordenen Sohn und seinem Erlösungsgeheimnis, vermissen ließen.
Darüber hinaus bezweifelt unser kritischer Zeitgenosse sogar den christlichen Ursprung dieser Marienverehrung, wittert er doch hinter dem Kult der Muttergottes die Relikte des Kultes einer Muttergottheit. Verbirgt sich hinter dem Marienbild nicht das Urbild der Magna Mater, der Grossen Mutter, die uns in den Mythen der alten Völker als Gaia, Kybele, Isis usw. begegnet? Da scheint es denn auch kein Zufall zu sein, dass nicht wenige Heiligtümer der Gottesmutter sich an ehemaligen Kultstätten solcher weiblichen Gottheiten befinden. „Rückfall ins Heidentum“, lautet die Diagnose – mit der Einschränkung: „sofern das Heidentum denn überhaupt jemals überwunden wurde“!
Die Vorwürfe treffen hart. Einfache Gläubige, die täglich den Rosenkranz beten und ihre Anliegen der Fürsprache Mariens anempfehlen, die im Monat Mai und auch sonst das Bildnis der Jungfrau schmücken und in Ehren halten, die gelegentliche Wallfahrten zu ihren Gnadenorten unternehmen und manches mehr tun, ihre kindliche Liebe zur Gottesmutter zu zeigen, können sich gegen die Attacke kaum wehren. Und wenn sie es dann erleben müssen, dass ihre Seelsorger, infiziert vom Virus jener Kritik, einen marianischen Kahlschlag anrichten und Kirchenraum wie Gottesdienstordnung von den Elementen der verachteten Volksfrömmigkeit „reinigen“, ziehen sie sich oft still zurück, sammeln sich mit Gleichgesinnten und praktizieren das, was ihnen in der Pfarrei nicht zugestanden wird, andernorts. Dort freilich, wo ihnen der nötige kirchenamtliche Halt fehlt, steigern die Frommen ihre Marienverehrung nicht selten bis zu einem ungesunden Überschwang, vermischen sie mit schwärmerischem Beiwerk, das ihrer eigenen Phantasie oder fragwürdigen Visionen entstammt, und bestätigen so nur das, was ihnen die angeblichen Aufklärer vorwerfen...
Wo liegt der Ausweg aus diesem Teufelskreis? In einer zweifachen Erneuerung, nämlich der Erneuerung der Mariologie und der Erneuerung echter Volksfrömmigkeit. Die Mariologie, d.h. die theologische Lehre von der Gottesmutter, ist in den zurückliegenden Jahrzehnten vielfach in einer skeptischen und besserwisserischen Haltung betrieben worden. Mir erzählte ein Priesteramtskandidat, sein – übrigens namhafter – Dogmatikprofessor habe die entsprechende Vorlesung derart gehalten, als wäre es ihm nur darum gegangen zu zeigen, „woher diese Mythen und Legenden über Maria stammen“.
Dass es nicht so sein muss, haben in unserer Zeit und unserem Sprachraum Theologen wie Leo Scheffczyk und Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. (z.B. in seinem kleinen und doch großen Buch „Die Tochter Zion“) bewiesen. Kristallklar tritt bei ihnen die Scheidelinie zwischen heidnisch-mythischen Muttergottheiten und der heiligen Gottesmutter hervor. Aus der Fülle der Schrift, aus Kirchenvätern und theologischer Tradition, aus Liturgie und Lehramt zeigen sie die Einbettung des Mariengeheimnisses im Erlösungswerk und lassen das feine Beziehungsgeflecht tiefer Zusammenhänge, in denen die Gottesmutter zu allen Bereichen von Glaubenslehre und Glaubensleben steht, aufstrahlen. Solche Mariologie, mag sie auch gläubige Leser ohne Vorkenntnisse eher überfordern, bestätigt doch deren Frömmigkeit.
Daher kann und soll mit der Erneuerung der marianischen Theologie auch die der marianischen Volksfrömmigkeit einhergehen. Beide Bereiche können und dürfen ja niemals voneinander getrennt sein oder gar gegeneinander stehen. Daher werden Hirten, Prediger und Priester gesucht, die es verstehen, anstatt die gelegentlich wenig erleuchteten Äußerungen in der Verehrung der Gottesmutter einfach abzuwürgen, diese vielmehr mit dem Licht der wahren Lehre zu erhellen und mit der Glut geläuteter Liebe zu erfüllen! Indem wir um solche Erneuerung beten, wirken wir mit an der Ankunft eines neuen „marianischen Frühlings“, der immer zugleich auch Wegbereitung des Reiches ihres Sohnes ist.
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
Hallo "Frischer Wind",
AntwortenLöschenhier bin ich mit dem Artikel im Gespräch: http://rosenkranzbeten.info/rosenkranzbeten/marianische-volksfroemmigkeit-eine-antwort/
Liebe Grüße und gesegneten Sonntag,
die ankerperlenfrau
Danke!
AntwortenLöschenEbenfalls einen gesegneten Sontag!