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Sonntag, 2. Juni 2013

Die aus der Selbstgenügsamkeit herausgetretene Kirche

Predigt am 2. Sonntag nach Pfingsten
von Pater Bernhard Gerstle FSSP

Evangelium: Lk 14,16-24

Vielleicht erinnern Sie sich an meinen Artikel im letzten Infoblatt (Nr. 241; Mai 2013) und das Zitat von Papst Franziskus vor dem diesjährigen Konklave. Darin sagte er:

“Wenn die Kirche nicht aus sich herausgeht, um das Evangelium zu verkünden, wird sie selbstbezüglich und dann wird sie krank. Die Wurzeln der Übel, die zu allen Zeiten kirchliche Einrichtungen heimgesucht haben, liegen in ihrer Selbstbezüglichkeit, in einer Art theologischem Narzissmus. In der Offenbarung des Johannes sagt Jesus, er stehe vor der Tür und klopfe an. Offensichtlich meint der Text, dass er von außerhalb an die Tür klopft, um hinein zu gehen....Aber ich denke daran, dass Jesus häufig von innen her anklopft, damit wir ihn herauslassen. Die selbstbezügliche Kirche sucht Jesus in ihrem Innern festzuhalten. Sie lässt ihn nicht heraus kommen. Er darf aber nicht in uns eingeschlossen werden, sondern er muss anderen weiter gegeben werden. Nur so wird das Leben Gottes in uns fruchtbar.”
Die Worte des Papstes sind ein Aufruf zur Mission, ein Appell an jeden Einzelnen von uns, das Geschenk des Glaubens anderen weiter zu geben.

Die Voraussetzung, dass wir die Tür unseres Herzens öffnen und den von innen her klopfenden Herrn, wie sich Papst Franziskus ausdrückt, heraus kommen zu lassen, um ihn anderen Menschen weiter zu schenken, ist natürlich, dass er zunächst einmal wirklich in uns lebt.

Wer Ihn nicht in seinem Herzen aufgenommen hat, der kann ihn auch nicht weitergeben. Der Appell des Papstes richtet sich folglich an jene, die bereits “in Gott” sind, die Ihn auch wirklich in ihrem Herzen durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe aufgenommen haben.

Bei den Worten des Heiligen Vaters müssen wir ferner berücksichtigen: sie richten sich in erster Linie an die Kardinäle, an die Bischöfe und Priester. Sie sind kraft ihres Amtes aufgerufen zur Mission. Und von ihrer Berufung her kann der Papst mit Recht erwarten, dass sie “in Christus sind”, in seiner Gnade und damit die Voraussetzung erfüllen, zur Mission fähig zu sein. Denn nur wer hat, kann geben. Nur wer in Christus ist, kann ihn den Menschen weiter schenken.

Selbstgenügsam wäre nach Papst Franziskus eine Kirche, die um sich selbst kreist, die einzig und allein darauf bedacht wäre, ihren Besitzstand zu wahren.

In unserer deutschen Teilkirche hat sich diese Selbstgenügsamkeit spürbar breit gemacht. Oder hat man nicht manchmal den Eindruck, dass man sich hierzulande in unserer Kirche mehr darum sorgt, dass die Finanzen stimmen und die getauften Katholiken brav ihre Kirchensteuer zahlen, als darum, dass so viele den Kontakt zur Kirche und zu den hl. Sakramenten verloren haben? Ist da etwas von heiliger Unruhe in Bezug auf die Sorge um das Heil der Seelen zu spüren? Merken Sie etwas von dieser heiligen Sorge in ihren Diözesen und Pfarreien?

Der äußere Apparat funktioniert. Zu besonderen Anlässen sind die Kirchen sogar noch voll. Wenn Pfarrfeste veranstaltet werden, dann machen alle noch fleißig mit. Aber wie sieht es um unsere verwaisten Beichtstühle aus? Wird überhaupt noch in jeder Kirche regelmäßig Beichtgelegenheit angeboten? Sind wir Priester telefonisch in der Regel erreichbar und persönlich zu sprechen? Welche Werbung wird für das von Papst Benedikt ausgerufene Glaubensjahr gemacht? Was tut sich da an Neuevangelisierung in unseren Pfarreien? Eine Antwort auf diese Fragen wollen wir uns sparen und statt dessen den Blick auf das heutige Evangelium richten, wo im Gleichnis vom Gastmahl eine Thematik zur Sprache kommt, die ganz nah bei den Ausführungen von Papst Franziskus liegt.

In diesem Gleichnis gibt es drei Kategorien von Menschen.

Die Einladung richtet sich zunächst nur an die erste Gruppe. Sie bleibt komplett dem Gastmahl fern und sich mit fadenscheinigen Gründen.

Die zweite Gruppe sind Arme und Schwache, Lahme und Blinde. Aber noch alles Bewohner der Stadt. Sie nehmen die Einladung an.

Die dritte Gruppe sind Leute, die von draußen kommen, die eigentlich nicht mehr dazu gehören. Auch sie kommen dankbar zum Mahl.

Sehen wir einmal von dem heilsgeschichtlichen Hintergrund mit Juden und Heiden ab und wenden wir dieses Gleichnis auf unsere Zeit an.

Dann können wir in der ersten Gruppe die gewohnheitsmäßigen Katholiken erkennen, jene, auf die sich unsere Pfarreien so viele Jahre stützen konnten. Doch sie sind satt geworden. Man könnte auch sagen: des Glaubens müde. Sie glauben schon noch. Aber das Feuer ist erloschen, der frühere Eifer dahin. Sie haben sich den Verhältnissen angepasst, sich mit der neuheidnischen Gesellschaft arrangiert. Papst Franziskus würde sie die “Selbstgenügsamen” nennen. Sie halten sich immer noch für die guten Katholiken. Denn sie gehen schon ab und zu noch zur Kirche. Sie beten vielleicht sogar noch ihr Morgen- und Abendgebet, aber ihr Glaube ist lau und lasch geworden, selbstgenügsam, selbstzufrieden.

Wenn von Umkehr die Rede ist, dann fühlen sie sich selbstverständlich nicht angesprochen und wenn von Beichte die Rede ist, dann verweisen sie mit selbstzufriedener Miene auf die Bußandachten, die sie schon seit Jahren einmal im Jahr besuchen. Wenn da nicht eine Bombe einschlägt, wachen diese Leute nicht mehr auf! Dann merken sie erst, wenn es zu spät ist, wie weit sie sich schon von Christus entfernt haben.

Kommen wir zur zweiten Gruppe. Sie nehmen die Einladung dankbar an. Wie schon erwähnt, Bewohner der Stadt, also getaufte Katholiken. Aber solche, die den Glauben kaum praktiziert haben. Die möglicherweise zwischenzeitlich ausgestiegen waren, ob offiziell mit Kirchenaustritt oder nur in ihrem Herzen macht keinen Unterschied. Höchstens in Bezug auf die Kirchensteuer.

Mit Freuden nehmen sie die Einladung an. Gott hat die Armen und Lahmen, d.h. die abständigen Katholiken nicht vergessen. Jeder bekommt eine zweite Chance. Und einige von ihnen nutzen sie. Sie kehren mit Freude zurück und zeigen sich dankbar über das neu gefundene Glück des Glaubens. Sie wissen aus Erfahrung, dass das Leben ohne Gott und Kirche nicht glücklich macht. Dass alle Versprechungen, den Himmel auf Erden herab zu holen, leere Versprechungen sind. Sie sind von diesen Lügen geheilt und kommen von den Rändern in die Mitte der Kirche zurück.

Ein großer Teil derer, die heute noch die Kirche tragen, ist dieser Gruppe zuzurechnen. Einige prominente Vertreter sind darunter, wie z.B. Matthias Matussek, Gabriele Kuby, Peter Seewald, Gloria von Thurn und Taxis, um nur einige zu nennen.

Wir haben dann noch die dritte Gruppe, an die sich die Einladung richtet und welche sie annehmen, jene den Wegrändern und Zäunen. Sie kommen von außerhalb. Es sind die sogenannten “Konvertiten, meistens kommen sie aus dem protestantischen Lager. Einige aber waren sogar ungetauft oder gehörten einer anderen Religion an. Besonders die Letzteren, die ohne Taufe oder aus einer anderen Religion kommen entdecken für sich einen völlig neuen Reichtum. Eine neue Welt geht für sie auf. Sie erfahren die Liebe Gottes auf eine für sie bisher unbekannte Weise. Sie sind vergleichbar mit Leuten, die aus Afrika oder Lateinamerika nach Europa kommen und zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee sehen. Sie müssen die Sprache des Christentums zunächst neu lernen. Aber ihre innere Offenheit und die Gnade Gottes machen diesen Lernprozess leicht.

Es ist wunderbar, solchen Menschen zu begegnen. Die Freude in ihren Augen zu sehen, das Vertrauen zu spüren, das sie entgegen bringen. Doch wenn wir verschlossen bleiben und uns für sie nicht öffnen, was ist dann? Wenn wir wie Papst Franziskus sagt, selbstgenügsam bleiben?

Tief mit Gott verbundene Menschen haben eine innere Antenne, die ausschlägt, wenn sie solchen Menschen begegnen. Oberflächliche Katholiken gehen an ihnen ahnungslos vorbei. Innerliche Gläubige aber, in denen der Herr das Feuer der göttlichen Liebe entzündet hat, lassen hingegen Christus aus ihrem Herzen heraus und schenken ihn an diese Suchenden weiter. Da kann ein Blick, ein Wort, eine Geste den Funken zum Überspringen bringen. Und schon wird ein Mann oder eine Frau, ein junger oder ein bereits älterer Mensch, vom Wegrand über den Zaun gehoben und in das Geheimnis der Kirche eingeführt. 

Die Kirche der Zukunft, Geliebte im Herrn, wird keine Kirche der Satten und Selbstzufriedenen sein. Es wird vielmehr eine Kirche sein, in der sich die nach dem Wort Gottes Hungrigen, nach Heil Dürstenden, nach wahrer Liebe sich Sehnenden, von der Sünde Verwundeten nach Heilung Suchenden sich sammeln und das neue Volk Gottes bilden. Eine Kirche, die zahlenmäßig klein, materiell arm, aber geistig und spirituell wieder reich geworden ist. Eine Kirche, die wieder als die Stadt auf dem Berge zu leuchten beginnt. Eine Kirche, in der es keine Funktionäre und Beamten, dafür aber wahre Hirten und Seelsorger gibt. Eine Kirche, wie sie sich Papst Franziskus wünscht und wie sie auch Papst Benedikt XVI. immer wieder angemahnt hat.

Eine Kirche, in der dann auch hoffentlich Du und ich zu finden sein werden. Amen.


2. Sonntag nach Pfingsten, Recklinghausen



Weiterer Beitrag von P. Gerstle:

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Haus St. Ludgerus

P. Bernhard Gerstle, P. Francesco Riegger 

Bahnstraße 8
45891 Gelsenkirchen-Erle
Tel.: 0209/420 32 19

Ruhrgebietsrundbriefe und Infos: allgemein / Juni 2013


Regelmäßige Gottesdienstzeiten:

Sonntags: 10.45 Uhr  Update: 10:00 Uhr in St. Michael, Recklinghausen-Hochlarmark
Donnerstags: 18.00 Uhr in St. Josef, Recklinghausen-Grullbad
Freitags: 18.00 Uhr in St. Josef auf Schalke
Samstags: 08.00 Uhr in St. Josef auf Schalke

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