Zum Fest des heiligen Irenäus, Bischof und Martyrer, geboren um 130 in Kleinasien, gestorben um 202 zu Lyon, Schüler des hl.Polykarp und Kirchenvater
aus der Schrift des hl. Irenäus "Gegen die Häresien" (Contra Haereses) aus der "Bibliothek der Kirchenväter":
Widerlegt man nämlich die Häretiker aus den Schriften, dann erheben
sie gegen eben diese Schriften die Anklage, daß sie nicht zuverlässig
seien, keine Autorität besäßen, auf verschiedene Weise verstanden werden
könnten, und daß aus ihnen die Wahrheit zu finden nur die imstande
seien, die die Tradition verstünden. Diese sei nämlich nicht
niedergeschrieben, sondern werde durch die lebendige Stimme überliefert,
weswegen auch Paulus sage: „Weisheit reden wir unter den Vollkommenen,
aber nicht die Weisheit dieser Welt“ (1)
. Unter dieser Weisheit versteht jeder von ihnen natürlich das von ihm
erfundene System, so daß nach Ihnen die Wahrheit bald bei Valentinus,
bald bei Markion, bald bei Cerinth ist. Später war sie natürlich bei
Basilides oder bei einem seiner Widersacher, der auch nichts Rechtes
vorbringen konnte. Denn verdreht sind sie alle, und trotzdem schämen sie
sich nicht, sich selbst als die Richtschnur der Wahrheit hinzustellen.
Berufen wir uns aber ihnen gegenüber auf die apostolische Tradition, die
durch die Nachfolge der Priester in der Kirche bewahrt wird, dann
verwerfen sie wieder die Tradition, nennen sich klüger als Priester und
Apostel und sagen, sie hätten allein die Wahrheit gefunden. Die Apostel
hätten den Worten des Heilandes noch allerlei aus dem Gesetz
beigemischt; und nicht bloß die Apostel, sondern auch der Herr habe
seine Aussprüche teils vom Demiurgen, teils aus dem Ort der Mitte, teils
von dem Allerhöchsten. Sie aber wüssten klar, rein und schlicht das
darin verborgene Geheimnis — fürwahr, eine ganz unverschämte
Gotteslästerung! So stehen sie also weder auf dem Boden der Schrift,
noch der Tradition.
Gleichsam gegen Schlangen, die sich glatt nach allen Seiten
herauszuwinden suchen, haben wir also zu kämpfen. Deshalb müssen wir
ihnen auch von allen Seiten entgegentreten; vielleicht, daß wir dann
einige von ihnen durch die (beständige)
Zurückweisung stutzig machen und bewegen können, zur Wahrheit
zurückzukehren. Denn wenn es auch nicht leicht ist, daß eine Seele, die
vom Irrtum umgarnt ist, wieder vernünftig wird, so ist es doch nicht
absolut unmöglich, daß sie dem Irrtum entrinne, wenn ihr die Wahrheit
entgegengehalten wird.
Die von den Aposteln in der ganzen Welt verkündete Tradition kann in
jeder Kirche jeder finden, der die Wahrheit sehen will, und wir können
die von den Aposteln eingesetzten Bischöfe der einzelnen Kirchen
aufzählen und ihre Nachfolger bis auf unsere Tage. Diese haben von den
Wahngebilden jener nichts gelehrt und nichts gehört. Denn wenn die
Apostel verborgene Geheimnisse gewußt hätten, die sie in besonderem,
geheimem Unterricht nur die Vollkommenen lehrten, dann hätten sie die
Geheimnisse am ehesten denen übergeben, denen sie sogar die Kirchen
anvertrauten. Ganz vollkommen nämlich und in allem untadelig wünschten
sie die, denen sie ihren Lehrstuhl übergaben, und die sie als ihre
Nachfolger zurückließen, von deren gutem oder schlechtem Verhalten für
das Wohl und Wehe der Ihrigen soviel abhing.
Weil es aber zu weitläufig wäre, in einem Werke wie dem vorliegenden
die apostolische Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, so werden wir nur
die apostolische Tradition und Glaubenspredigt der größten und ältesten
und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus
und Paulus zu Rom gegründet und gebaut ist, darlegen, wie sie durch die
Nachfolge ihrer Bischöfe bis auf unsere Tage gekommen ist. So
widerlegen wir alle, die wie auch immer aus Eigenliebe oder Ruhmsucht
oder Blindheit oder Mißverstand Konventikel gründen. Mit der römischen
Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche
übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist
immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten
kommen (2).
(1) 1 Kor. 2,6
(2) Vgl. A. Ehrhard, Altchristl. Literatur I 273 f.
Heiliger Irenäus, bitte für uns!