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Sonntag, 14. April 2013

Wo die Demut des Mitglaubens mit der Kirche verschwindet, löst sich die Erkenntnis auf

Der Gekreuzigte ist die wahre Weisheit (4)

Fortsetzung von hier

So wollen wir auch beten für die Theologie und die Theologen, dass sie diese grundlegende Gebärde der Demut, diese innerste Voraussetzung aller Theologie wieder mit neuer Entschiedenheit aufnehmen: Theologie ist nicht Weltfahrt der isolierten Vernunft des Gelehrten, sondern ist Mitdenken mit dem Glauben der Kirche und Mühen darum, diesen Glauben zu verstehen, auszusagen und so die Wahrheit zu berühren, die unseren Verstand und unser Herz zugleich erleuchtet.

Der große Konvertit Heinrich Schlier ist gerade über dem Studium des Epheserbriefes katholisch geworden; einen der wichtigsten Wegweiser fand er hier, im Text unserer heutigen Lesung (Eph 3,13 -21). Denn Paulus sagt uns hier, dass Glaube und Liebe zur Erkenntnis führen. Das ist die zweite und dritte Aussage in der Beschreibung des Weges der Gesundung, den er uns zeigen will.

Zunächst sagt er uns ganz klar (und das war für den Lutheraner Schlier eine wichtige Entdeckung), dass der Glaube sich in der Liebe bewähren muss. Der Glaube bleibt nur gesund, wenn man ihn lebt. Er ist nicht eine Theorie, er verändert unser Leben. Er öffnet das Herz. Er führt zur Liebe: Wo sie fehlt, ist der Glaube nicht vollständig. Der Glaube dispensiert nicht von den Geboten, sondern durch den Glauben lernen wir sie lieben, weil wir in ihnen das Angesicht des Herrn selbst erkennen.

Paulus fügt noch einen weiteren Schritt hinzu: Glaube und Liebe zusammen führen zur Erkenntnis. Man kann sagen: Wo Glaube und Liebe da sind, wächst auch so etwas wie Theologie. Zwei wichtige Aussagen macht der Apostel darüber: Die Erkenntnis löst den Glauben nicht auf, sie löst die Liebe nicht ab.

Der Glaube wird nie überflüssig. Das hat Paulus dem Hochmut der damaligen Gnostiker gegenüber betont, das müssen wir hochmütigen Theologien gegenüber auch heute betonen. Wo die Demut des Mitglaubens mit der Kirche verschwindet, löst sich auch die Erkenntnis auf.

So ergibt sich von selbst das zweite: Zur Erkenntnis gehört die lebendige Gemeinschaft der Heiligen. Schlier schreibt dazu in seinem Kommentar: "...Es ist eine Erkenntnis, zu deren Wesen es gehört, dass sie mit den anderen geteilt wird... Es ist weder eine private noch eine Konventikelerkenntnis. Erkennt man, so erkennt man, was schon 'die Heiligen' erkannt haben, und man erkennt mit ihnen zusammen" (Seite 170).

Wir könnten sagen: Zur wahren Erkenntnis gehört Heiligkeit, und zur Heiligkeit gehört die Gemeinschaft der Heiligen. Deswegen ist es so wichtig, sich nicht von der lebendigen Gemeinschaft der ganzen Kirche zu trennen. Deswegen ist es so wichtig, in der großen Gemeinschaft der ganzen Kirche aller Orte und aller Zeiten, in ihrer lebendigen Überlieferung zu stehen.

Man kann Christus nicht erkennen ohne seine Heiligen; man kann ihn nicht lieben ohne seine Heiligen. Die Liebe zur ganzen großen Tradition der heiligen Kirche ist nicht ein Luxus einiger, sondern eine Notwendigkeit für uns alle. (weiterlesen)


Schluss folgt


Joseph Kardinal Ratzinger in einer Predigt vom 24.09.1995 in der Benediktinerabtei Sainte-Madeleine in Le Barroux anlässlich eines feierlichen Pontifikalamtes im alten Ritus (Teil 1, 2, 3, 5)

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