"Noch heute kann man bei feierlichen Gelegenheiten sehen, wie dort (Anm.: in der Liturgie der orthodoxen und der lateinischen Kirche) der Friedensgruß zwischen den Zelebranten einer kultischen Festlichkeit vollzogen wird: Der Höhere legt seine Hände auf die Schultern des Niedrigeren, der seine Hände unter die Ellenbogen des Höheren legt, und nun beugen beide ihre Köpfe dergestalt, dass ihre Wangen, ohne sich zu berühren, parallel voneinander sind. Geküsst wird dabei überhaupt nicht, Friedenskuss heißt es dennoch und bezeichnet die Versöhnung der Versammelten vor der Kommunion.
Eingerahmt wird diese gemeinschaftliche Geste mit einer wechselseitigen Verneigung, bei der die Handinnenflächen vor der Brust zudsammengelegt sind. Die nicht-verweltlichten Inder begrüßen sich auf diese Weise, in meinen Augen die schönste aller mir bekannten Grußformeln.Man sagt dazu "Namaste", was Sanskrit ist und bedeutet: "Ich beuge mich vor dem Göttlichen in dir."
In diesem Zusammenhang eine erhellende Anekdote: Staatspräsident Mitterand und Kanzler Kohl nahmen aus irgendeinem Anlass an einer Messe teil. Nachher wurde von deutscher Seite bedauert, dass sich die beiden Politiker nicht dem Friedensgruß der Priester als Zeichen der Versöhnung der beiden Völker angeschlossen hätten. Auf keinen Fall sei das möglich gewesen, war die französische Antwort: der Friedensgruß der Liturgie sei eine rein religiöse Geste, und der französische Präsident habe als Repräsentant eines laizistischen Staates keine Möglichkeit, daran teilzunehmen..."
Asfa-Wossen Asserate: Manieren; Deutscher Taschenbuch Verlag München; AD 2003; Seite 220f
Foto: Legionäre Christi (LC)
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