Das Wort Pastoral erweckt bei vielen Christen Widerwillen. Rief es früher allzu liebliche Bilder wach: der Schäfer, der, umgeben von seiner blökenden Herde, in idyllischer Landschaft die Flöte spielt –, so denkt man heute eher an endlos diskutierende Pastoralgremien, die unablässig papierne Berge mit neuen und bald schon wieder veralteten Projekten und Programmen produzieren. Welcher Mensch ist durch diese zeit- und kostenaufwändigen Unternehmungen in seinem Glauben tiefer, in der Gottes- und Nächstenliebe hingebungsvoller geworden? Und wo ist die Gemeinde, die aufgrund solcher Pastoralstrategien einen Anstieg an Messbesuchern, gar an Beichtenden und Rosenkranzbetern verzeichnen kann? Man wird vergeblich danach suchen. Und dennoch wird die eingeschlagene Marschroute weiterverfolgt. Ohne Rücksicht auf Verluste.
Sie hat die pastorale Situation völlig verändert. Die Gläubigen sehen sich nun nicht mehr einem geweihten Mann gegenüber, der als Lehrer, Priester und Hirte für sie zuständig und vor Gott verantwortlich ist. Stattdessen haben sie es mit einer Gruppe zu tun, in der verschiedene Personen ihre Kompetenzen wahrnehmen. Das mag auf den ersten Blick als Erleichterung erscheinen: Auf mehrere Schultern verteilt, ist die Last nicht so schwer. Wer jedoch die Realität der „konkreten Pastoral vor Ort“ (so der modische Kirchenjargon) kennt, der weiß, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Zustände sind für diejenigen, denen es weniger um den Aperitif nach dem Familiengottesdienst oder den Makrameekurs am Mittwochabend als um das geistliche und sakramentale Leben geht, geradezu unerträglich.
Da ist außerhalb der eng bemessenen Sprechzeiten (“Das Pfarrbüro hat geöffnet von … bis …“) niemand teleonisch erreichbar, am Abend ohnehin nicht, und die Notnummer, die der Anrufbeantworter angibt, möchte man, da man sich nicht in allerhöchster Lebensgefahr befindet, dann doch nicht wählen. Wer weiß, welches Mitglied des Pastoralteams dadurch in seiner Feierabendruhe gestört würde? – Der neu zugezogene Katholik erhält von der Gemeinde einen Brief, in dem ihm unter anderem das Gespräch mit einem zuständigen Laien angeboten wird. Ist es nur konservative Verbohrtheit, wenn der Empfänger dankend ablehnt, weil er doch lieber den Herrn Pfarrer kennengelernt hätte? – Liegt jemand im Krankenhaus, so erhält er Besuch von der gewiss sehr engagierten Frau Soundso. Sie bringt die Kommunion mit sich, aber beichten kann man bei ihr natürlich nicht, und wegen des damit verbundenen Aufwandes scheut sich der Patient, eigens den Priester rufen zu lassen. ---
Inzwischen dürfte vielen Gläubigen klargeworden sein, dass das hier zugrundeliegende Konzept von Pastoral eine Art Gegenentwurf zum traditionellen Verständnis kirchlichen Hirtendienstes darstellt. „Pastor“ bedeutet ja Hirte. Das Hirtenamt hat zunächst der Bischof inne. Durch Weihe und Sendung verleiht er dem Priester Anteil an der Leitungsvollmacht. Dieser ist also nicht nur ein mit einer Aufgabe betrauter Funktionär, sondern der sakramental geprägte, mit göttlicher Zuständigkeit begabte Repräsentant Jesu Christi, des Lehrers, Priesters und eben auch des guten Hirten.
Es spricht übrigens nichts dagegen, geeignete, d.h. glaubensstarke, kirchentreue und übernatürlich gesinnte Laien in das apostolische Wirken des Priesters einzubeziehen. Im Gegenteil: Hatte schon der heilige Papst Pius X. dafür geworben, so ist das heute, hundert Jahre später, mehr denn je vonnöten. Aber dabei muss doch klar sein, dass der Einsatz dieser Personen auf einer anderen Ebene als der des Priesters liegt. Und das nicht nur im gottesdienstlich-sakramentalen Bereich, in dem der Geweihte nach wie vor einige Worte mehr sprechen kann als der Nichtgeweihte, sondern auch in Belangen der Führung und Leitung…
Davon entfernt sich die gegenwärtige Pastoral vielfach in auffälliger Weise, indem sie die Zuständigkeiten der Pfarrer beschneidet. Diese, nur mehr Mitglieder eines aus haupt-, neben- und ehrenamtlichen Personen zusammengesetzten Teams, haben gewiss ihr verbürgtes Mitspracherecht; doch halten sie sich erfahrungsgemäß eher zurück, um jeden Anschein klerikalistischer Bevormundung der Laien zu vermeiden, und belassen es dabei, vorsichtig und höflich ihre Ansichten als eine Meinung unter anderen Meinungen in die Diskussion einzubringen.
Eine Pastoral, die solche Tendenzen fördert und den von Gott und der Kirche übertragenen Dienst des „Pastors“ verkürzt, darf man mit Fug und Recht als „Entpastoralisierungspastoral“ bezeichnen. „Ja, aber der Priestermangel macht es doch nötig“, lautet der übliche Einwand. Der Priestermangel ist fürwahr besorgniserregend. Aber dadurch, dass die Geweihten aus ihrem ureigensten Bereich verdrängt werden, hilft man ihm sicher nicht ab, sondern fördert ihn nur noch. Ob das vielleicht beabsichtigt ist?
P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
Weiteres zum Thema:
In der Schweiz wird das Modell des "priesterlichen Mitarbeiters" (der in der Regel nicht oder nur zum Teil in die Leitung der Pfarrei einbezogen ist) ja stark ausgebaut. Wollte man es positiv sehen, könnte man bestenfalls noch sagen, es scheint derzeit immerhin noch die Annahme vorhanden, daß bestimmte Vollzüge den geweihten Priester erfordern ... ;-)
AntwortenLöschenAlles was Sie schreiben, ist gut und richtig, aber mir scheint, dass Sie hier doch von einem Idealbild eines Priesters ausgehen, der auch wirklich ein guter Hirte sein WILL. Gott sei Dank gibt es solche Priester, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Dennoch gibt es (und auch das weiß ich aus eigener Erfahrung, und nicht nur einer einzigen!) auch Priester, denen genau die "Beschneidung" ihres Aufgabenbereichs sehr entgegenkommt: z.B. dass man nur zu "Bürozeiten" zu sprechen ist, falls nicht die Pfarrsekretärin, die natürlich nach dem Anliegen fragt, einen schon wie einen ungebetenen Störenfried abwimmelt. Außerhalb des Gottesdienstes den Pfarrer sprechen wollen, und dann gar noch in einem Anliegen, das nicht seine "formalen" Aufgaben (Taufgespräch, Beerdigung) betrifft? Ihn gar in einer Glaubensfrage zu Rate ziehen wollen? Das scheinen mir eher viele Pfarrer als Zumutung zu empfinden - nach dem Motto, man wolle ihnen auch noch ihre "freie Zeit" stehlen, sie auch noch außerhalb der Kirchenmauern in ihre "Rolle" als Pfarrer zwingen wollen...so jedenfalls mehrere persönliche Erfahrungen ... sollten solche Vertreter der Priesterschaft ausgerechnet in meinem Umfeld überdurchschnittlich vertreten sein?
AntwortenLöschenGerade durch ein eben auch erlebtes rühmliches Gegenbeispiel fällt mir dieses Verhalten einiger Pfarrer umso mehr auf: so durfte ich einen jungen Priester erleben, der auch außerhalb der Kirche als Priester und Seelsorger im besten Sinn erkennbar war - durch seine Kleidung und vor allem durch seine Bereitschaft, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen - auch und gerade über den Glauben! Der sich selbstverständlich Zeit nahm, wenn jemand mit ihm über Zweifel und Probleme sprechen wollte. Dem es erkennbar wichtig war, den Glauben immer und überall zu bezeugen, und für den es ganz offensichtlich keine strikte Unterscheidung der Rolle "Priester" und "Mensch" gab: er ist immer beides, so mein Eindruck! Hoffnung gibt mir, dass solche echten Seelsorger offensichtlich verstärkt unter den jüngeren Priestern zu finden sind!
Ansonsten vielen Dank für Ihren interessanten Artikel, der natürlich viel Wahres enthält.
So isses ...
AntwortenLöschenDanke genauso isses.
AntwortenLöschenWir hatten hier übrigens vor Ort einen Priester R.I.P der tat sich mit zwischenmenschlichen Dingen ungeheuer schwer.
Also wenn man ihn mal zufällig beim Einkaufen traf, brachte der kein vernünftiges Wort heraus, aber er war ein begnadeter Beichtvater, und einer der wirklich an das glaubte was er tat. Er strahlte aus, dass er der Ansicht war, das er in Christi Namen Sünden vergeben konnte, dass er aus dem Kind ein Gotteskind machte durch die Taufe und dass durch seinen Dienst aus Hostie und Wein, Fleisch und Blut Christi wurde.
Wie gesagt freundlich guten Morgen sagen konnte er nicht, und wenn man ihm so mit seinen Problemen kam, war er auch überfordert, außer wie gesagt im Beichtstuhl.
Damals blühte unsere Gemeinde!
Jetzt haben wir Pfarrer die sind viel netter und freundlicher, aber sie überlassen halt alles den Laien und überhaupt .............und demnächst können wir unsere Kirche wohl zusperren, kommt eh keiner mehr, selbst an Ostern ist noch üppig Platz!
Das nur zu den Priestern wo es solche und solche gibt, es ist das Amt das wirkt und das kann nur dann wirken, wenn der Priester sich selber als Werkzeug begreift.
Und genau das tun sie nicht mehr.
@Ester
LöschenNa ja, einige eben doch, und gerade die jungen, von vielen als "konservativ" bezeichneten und deswegen von manchen als "komisch" empfundenen Priester. Der, der bei uns in der Gemeinde war, war dann anscheinend ein "seltenes Exemplar": sowohl war er sehr einfühlsam und freundlich (aber das Gegenteil von anbiedernd) als auch sehr gläubig, katholisch, kirchentreu... Bei ihm hatte man immer den Eindruck, dass er aus einer freien Entscheidung heraus für Gott lebt. Und dadurch auch für die Menschen. Seine Überzeugung hat er immer wie selbstverständlich und egal in welcher Situation vertreten, aber unglaublich unaufdringlich und gerade dadurch sehr wirkungsvoll. Da habe ich das erste Mal einen Pfarrer erfahren, der ein Zeugnis davon gegeben hat, dass er von Jesus Christus wirklich ergriffen ist. Der durch sein Beispiel gewirkt hat. Die von dir beschriebene Auffassung von seinem Priesteramt hat er selbst mal beschrieben. Und bei ihm stimmt es mit dem, wie er ist, eben überein.
Es gibt noch - oder eher wieder - solche begnadeten Priester. Leider nicht sehr viele... wobei ich da nicht urteilen will und kann, weil ich die Erfahrungen nicht kenne, die manche vielleicht im Lauf ihres Priesterlebens so gemacht haben. Und ich würde es anmaßend finden, von einem Priester diesen total festen Glauben zu fordern, den ich selbst nicht habe. Vielmehr betrachte ich es als Geschenk, einen echten Seelsorger, wie es nicht viele gibt, kennen gelernt zu haben.
Vielen Dank für die Kommentare!
AntwortenLöschen@ Pro Spe salutis
Es wäre schön (und eigentlich selbstverständlich), wenn sich die Priester (und "priesterlichen Mitarbeiter") mit der Neuausgabe des "Direktoriums für Dienst und Leben der Priester" vom Februar 2013 befassen würden:
http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cclergy/documents/rc_con_cclergy_doc_20130211_direttorio-presbiteri_ge.html
Dort würden sie sicher so manche Anregung oder auch Hilfe finden - allein, es ist zu befürchten, dass viele vielleicht eben gar keine Hilfe wünschen und sich lieber eine Kirche nach eigenen Vorstellungen basteln...
@Anonym 27. April 2013 15:42:00 MESZ
Ich kann Ihre Beobachtungen bestätigen. Es ist sehr ungünstig, wenn Priester nicht direkt, sondern nur über die Pfarrsekretärin zu erreichen sind.
Ich denke es ist gut und notwendig, vom Ideal auszugehen und sich daran zu orientieren. Mittelmäßigkeit oder Halbherzigkeit sollte weder der Maßstab des Priesters noch der des Laien sein. Schließlich sind wir alle zur Heiligkeit berufen - und da reicht keine Mittelmäßigkeit (als Vorbild).
@Eugenie Roth :-)
@Ester
Ja, da sieht man, wie wichtig es ist, dass die Priester in dem (Selbst-)Bewusstsein leben, dazu berufen zu sein, dem Volk Gottes die Sakramente zu spenden und so das Gnadenleben in den Seelen zu erhalten und zu vermehren. Das kann man nicht durch (nur)freundliches und nettes Auftreten ersetzen.
Einem jeden von Euch einen gesegneten Sonntag!