Dienstag, 16. April 2013

BXVI.: Wie geht Verkündigung?

Am Schluß soll wenigstens noch ein kurzes Wort über die Verkündigung, die Evangelisierung stehen (...). Ich finde, daß die wesentlichen Elemente des Vorgangs der Evangelisierung sehr sprechend in der Erzählung des heiligen Johannes von der Berufung zweier Täuferjünger erscheinen, die zu Jüngern Jesu Christi werden (Joh 1, 35 – 39).

Da ist zunächst der einfache Akt der Verkündigung. Johannes der Täufer zeigt auf Jesus hin und sagt: „Seht, das Lamm Gottes!“ Der Evangelist erzählt wenig später ein ähnliches Geschehen. Diesmal ist es Andreas, der zu seinem Bruder Simon sagt: „Wir haben den Messias gefunden“ (1, 41). Das erste und grundlegende Element ist die schlichte Verkündigung, das Kerygma, das seine Kraft aus der inneren Überzeugung des Verkündigers schöpft.

In der Erzählung von den zwei Jüngern folgt dann das Hören und das hinter Jesus Hergehen, das noch nicht Nachfolge, sondern eher eine heilige Neugier, eine Suchbewegung ist. Beide sind ja Menschen, die Suchende sind, Menschen, die über den Alltag hinaus in der Erwartung Gottes leben – in der Erwartung, daß er da ist und daß er sich zeigen wird. Von der Verkündigung angerührt, wird ihr Suchen konkret. Sie wollen den näher kennenlernen, den der Täufer als Lamm Gottes bezeichnet hatte.

Der dritte Akt kommt dadurch in Gang, daß Jesus sich umwendet, sich ihnen zukehrt und sie fragt: „Was sucht ihr?“ Die Antwort der beiden ist wiederum eine Frage, die die Offenheit ihres Wartens anzeigt, die Bereitschaft zu neuen Schritten. Sie fragen: „Rabbi, wo wohnst du?“ Jesu Antwort: „Kommt und seht!“ ist eine Aufforderung mitzugehen und im Mitgehen mit ihm sehend zu werden.
 
Das Wort der Verkündigung wird da wirksam, wo im Menschen die hörende Bereitschaft für die Nähe Gottes da ist; wo der Mensch innerlich auf der Suche und so unterwegs zum Herrn hin ist. Dann trifft ihn die Zuwendung Jesu ins Herz hinein, und dann wird die Begegnung mit der Verkündigung zur heiligen Neugier, Jesus näher kennenzulernen. Dieses Mitgehen führt dorthin, wo Jesus wohnt, in die Gemeinschaft der Kirche, die sein Leib ist. Es bedeutet Eintreten in die Weggemeinschaft der Katechumenen, die zugleich Lern- und Lebensgemeinschaft ist, in der wir im Mitgehen Sehende werden.

„Kommt und seht!“ Dieses Wort, das Jesus zu den beiden suchenden Jüngern sagt, sagt er auch zu den suchenden Menschen von heute.


Papst Benedikt XVI. (inzwischen emeritus) in der Ansprache am 21.12.2012 
 

Bild: Kreuzigung Christi; Isenheimer Altar, Detail; Matthians Grunewald (16. Jh.); gemeinfrei

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