Von Pater Dr. Martin Lugmayr FSSP
Am 4.August 1897 sagte
die hl.Therese vom Kinde Jesu wenige Monate vor dem Ende ihres
irdischen Pilgerweges: „Erst im Himmel werden
wir die Wahrheit über alle Dinge erkennen. Auf der Erde ist das
unmöglich. Das gilt sogar für die Heilige Schrift. Ist es nicht
traurig, all die Unterschiede in der Übersetzung zu sehen? Wäre ich
Priester gewesen, ich hätte Hebräisch und Griechisch gelernt, ich
hätte mich nicht mit Latein begnügt. So hätte ich den wahren Text
kennengelernt, den der Heilige Geist diktiert hat.“
Selbst die Bedeutung einzelner Begriffe in den biblischen Sprachen entzieht sich nicht selten der Übersetzung in nur einen Begriff. Das gilt auch für „Glaube“ und „glauben“. Die verschiedenen Aspekte darzulegen, ohne sich in Detailuntersuchungen zu verlieren, ist das erste Ziel dieses Artikels. Auf das zweite wird zumindest in Andeutungen verwiesen: Wie die „Liebe des Wortsinns“ (Philologie) für das Leben aus dem Glauben fruchtbar werden kann.
Selbst die Bedeutung einzelner Begriffe in den biblischen Sprachen entzieht sich nicht selten der Übersetzung in nur einen Begriff. Das gilt auch für „Glaube“ und „glauben“. Die verschiedenen Aspekte darzulegen, ohne sich in Detailuntersuchungen zu verlieren, ist das erste Ziel dieses Artikels. Auf das zweite wird zumindest in Andeutungen verwiesen: Wie die „Liebe des Wortsinns“ (Philologie) für das Leben aus dem Glauben fruchtbar werden kann.
Die
Grundbedeutung der Wortwurzel, auf welche Aussagen über „Glaube“
und „glauben“ zurückgehen, ist „fest,
sicher, zuverlässig sein“. Wasser
erweist sich so, wenn es nicht versiegt (Jes 33,16), ein Diener, wenn
er treu
ist wie David (1 Sam 22,14), ein Zeuge, wenn er nicht lügt (Spr
14,5). Einmal verheißt Gott: „Ich aber werde mir einen Priester
erwecken, der beständig
ist; der wird tun, wie es meinem Herzen und meiner Seele gefällt“
(1Sam 2,35). Es besteht eine Beziehung zwischen einem Subjekt
und Eigenschaften, die es haben soll, weil sie seinem Wesen
entsprechen. Verhält sich z.B. jemand einem Geheimnis gemäß, hält
er es geheim: „Wer als Verleumder umhergeht,
gibt Anvertrautes preis; wer aber zuverlässigen
Sinnes ist, hält die Sache verborgen“ (Spr 11,13).
Dass und wie Gott „treu“
ist, sagt z.B. folgende Schriftstelle: „So
erkenne denn, dass der HERR, dein Gott, der Gott ist, der treue
Gott, der den Bund und die Güte bis auf tausend Generationen denen
bewahrt, die ihn lieben und seine Gebote halten“ (Dtn 7,9).
Gott ist treu, weil er den Bund nicht aufkündigt, sich seinen
Verheißungen gegenüber als treu erweist (vgl. Jes 49,7). Ein
treuloser Gott wäre nicht Gott: „Daher, wer
sich im Land segnet, wird sich bei dem Gott der Treue
segnen, und wer im Land schwört, wird bei dem Gott der Treue
schwören. Denn die früheren Nöte werden vergessen und vor meinen
Augen verborgen sein“ (Jes 65,16).
Die Antwort des Menschen
ist eine des Herzens und des Lebens, wie es Hiskia in einem Gebet
formuliert: „Ach, HERR! Denke doch daran, dass
ich vor deinem Angesicht in Treue
und mit ungeteiltem Herzen gelebt habe und dass ich getan habe, was
gut ist in deinen Augen!“ (Jes 38,3).
Für uns ungewohnt ist
auf den ersten Blick, dass im Hebräischen der Begriff „Wahrheit“
nicht isoliert vorkommt, sondern nur innerhalb eines „Wortfeldes“,
wie z.B. im Begriff „ämät“: „Beständigkeit, Dauer,
Zuverlässigkeit, Treue, Wahrheit“. Weil „Glaube“, „glauben“
zur selben Wortfamilie gehört, ist „Glaube an die Wahrheit“
immer ein Geschehen zwischen Personen, welches hingebendes Vertrauen
beim Glaubenden einschließt.
Berühmt ist in diesem Zusammenhang das Wortspiel in Jes 7,9: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“. Auch „bleiben“ geht auf dieselbe Familie wie „glauben“ zurück. Dass „glauben“ und „bleiben“, letzteres im Sinne der Gesamtexistenz und der Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins, eng zusammenhängen und ohne Gottesbezug nicht erklärbar sind, fassen pointiert Buber/Rosenzweig mit ihrer Übersetzung ins Wort: „Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut“. Glauben ist ohne Vertrauen, ohne Anerkennung der Güte Gottes, die uns zur Gegenliebe ruft, nicht möglich. In seinem ersten Brief schreibt Johannes: „Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt“ (1 Joh 4,16). Und der sel. John Henry Kardinal Newman sollte später in einer Predigt sagen: „Wir glauben, weil wir lieben“. Und dann bleiben wir auch „betreut“, d.h. von der Treue Gottes getragen und geliebt.
Berühmt ist in diesem Zusammenhang das Wortspiel in Jes 7,9: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“. Auch „bleiben“ geht auf dieselbe Familie wie „glauben“ zurück. Dass „glauben“ und „bleiben“, letzteres im Sinne der Gesamtexistenz und der Sinnhaftigkeit des eigenen Daseins, eng zusammenhängen und ohne Gottesbezug nicht erklärbar sind, fassen pointiert Buber/Rosenzweig mit ihrer Übersetzung ins Wort: „Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut“. Glauben ist ohne Vertrauen, ohne Anerkennung der Güte Gottes, die uns zur Gegenliebe ruft, nicht möglich. In seinem ersten Brief schreibt Johannes: „Wir haben die Liebe erkannt, die Gott zu uns hat, und ihr geglaubt“ (1 Joh 4,16). Und der sel. John Henry Kardinal Newman sollte später in einer Predigt sagen: „Wir glauben, weil wir lieben“. Und dann bleiben wir auch „betreut“, d.h. von der Treue Gottes getragen und geliebt.
Vielen
ist das hebräische Wort „amen“ bekannt, welches wir am Ende von
liturgischen Gebeten sprechen. Sage ich oder die gottesdienstliche
Versammlung zu Bitte, Dank und Lob, welche sich an Gott richten,
„amen“, so bedeutet dies: So soll es
sein! (vgl.
1 Kor 14,16), ja
man könnte auch sagen: Ich will
selbst ganz Bitte, Lob und Dank gegenüber Gott sein (vgl.
Eph 1,6) bzw.
Wir wollen
dies auch als
Versammlung vollziehen.
Am Ende des Glaubensbekenntnisses bezeugt das
„Amen“ die Treue zum Inhalt des Credos, verbunden mit der
Überzeugung von seiner Wahrheit. In der Apokalypse wird Jesus
Christus selbst „Amen“ genannt als der „treue und wahrhaftige
Zeuge“ (3,14). Dass unser Herr das Ja Gottes schlechthin ist,
betont der hl.Paulus: „Denn der Sohn Gottes, Christus Jesus, der
unter euch durch uns gepredigt worden ist, durch mich und Silvanus
und Timotheus, war nicht Ja und Nein, sondern in ihm ist das Ja
geschehen.
Denn
so viele Verheißungen Gottes es gibt, in ihm ist das Ja, deshalb
auch durch ihn das Amen, Gott zur Ehre durch uns“ (2
Kor 1,19-20).
Im Munde Jesu Christi
selbst ist „amen“ ein Ausdruck seiner Vollmacht: „Amen, ich
sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Jota
oder Häkchen vom Gesetz vergehen, bevor nicht alles geschehen ist“
(Mt 5,18); „Amen, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet
wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt
18,2); „Amen, ich sage euch: Was immer ihr einem dieser
meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt
25,40). Im Johannesevangelium findet sich auch oft ein zweifaches
„Amen“. So sagt Christus zu Nikodemus: „Amen, amen, ich sage
dir: Wer nicht von oben geboren wird, kann das Reich Gottes nicht
sehen“ (Joh 3,3). Und dann die Erklärung: „Amen, amen, ich sage
dir: Wer nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann nicht in das
Reich Gottes eingehen“ (Joh 3,5).
Im Griechischen wird
„Glaube“ mit pistis und
„glauben“ mit pisteuein
wiedergegeben. Das Verb bedeutet je nach Kontext für wahr
halten, gehorchen und vertrauen,
wobei diese Aspekte auch alle mitangesprochen sein können. Als die
Hohenpriester
und die Ältesten des Volkes
die Frage stellen, in welcher Vollmacht Jesus handle, antwortet er:
„Auch
ich will euch ein
Wort
fragen, und wenn ihr es mir sagt, so werde auch ich euch sagen, in
welcher Vollmacht ich diese Dinge tue. Woher war die Taufe des
Johannes? Vom Himmel oder von Menschen?“ Da überlegten diese bei
sich: „Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er zu uns sagen: Warum
habt ihr ihm dann nicht geglaubt?“ (Mt 21,24f.). Sie
hätten Johannes vertrauen,
sein Wort für wahr halten
und ihm gehorchen sollen.
Das
Substantiv pistis
meint Treue, Zuverlässigkeit, Vertrauen, Glaube. Auch
hier können diese Aspekte miteinander verbunden sein, wie z.B. in Mt
9,2: „Und
siehe, sie brachten einen Gelähmten zu ihm, der auf einem Bett lag;
und als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Sei
guten Mutes, Kind, deine Sünden sind vergeben“. Nach der Stillung
des Seesturms tadelt Jesus die Jünger: „Und er sprach zu ihnen:
Warum seid ihr furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?“
(Mk 4,40).
Im
Neuen Testament wird ferner von den Jüngern gesagt: „Sie
glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte“
(Joh 2,22). Christus verlangt von ihnen: „Ihr
glaubt an Gott, glaubt auch an mich!“ (Joh 14,1); und an alle
gerichtet: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe
gekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mk
1,15).
Im Dialog zwischen Jesus und Marta zeigt sich die innere Verknüpfung zwischen der Tugend des Glaubens (fides qua) und dem Inhalt das Glaubens (fides quae), also jemandem und etwas glauben: „Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11,25-27).
Im Dialog zwischen Jesus und Marta zeigt sich die innere Verknüpfung zwischen der Tugend des Glaubens (fides qua) und dem Inhalt das Glaubens (fides quae), also jemandem und etwas glauben: „Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. Glaubst du das? Sie spricht zu ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll“ (Joh 11,25-27).
Im
zweiten Brief an die Thessalonicher schreibt Paulus über die
Hinführung zum Glauben: „unser Zeugnis (martyrion)
hat bei euch Glauben gefunden“ (1,10).
Aber
ganz zentral ist die Bindung des Glaubens an Jesus Christus: „an
Jesus glauben“ (Joh 12,11), „an Christus Jesus glauben“ (Gal
2,16), „an den Sohn glauben“ (Joh 3,16), „an den Sohn Gottes
glauben“ (1 Joh 5,10), „an den Sohn des Menschen glauben“ (Joh
9,35), „an ihn (Jesus Christus) glauben“ (Joh 2,11 und viele
andere Stellen).
Der
Inhalt des Glaubens an Jesus Christus wird durch „dass“- Sätze
bekannt: „Das
ist das Wort des Glaubens,
das wir predigen, dass,
wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen
glauben wirst, dass
Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst“
(Röm 10,8-9; vgl. 1 Thess 4,14). „Wenn wir aber
mit Christus gestorben sind, so glauben
wir, dass
wir auch mit ihm leben werden, da
wir wissen, dass
Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod
herrscht nicht mehr über ihn“ (Röm 6,8-9).
Seine Sendung
vom Vater her stellt Christus selbst als Glaubensinhalt dar: „Jesus
aber hob die Augen empor und sprach: Vater, ich danke dir, dass du
mich erhört hast. Ich
aber wusste, dass du mich allezeit erhörst; doch um der Volksmenge
willen, die umhersteht, habe ich es gesagt, damit
sie glauben, daß du mich gesandt hast. Und
als er dies gesagt hatte, rief er mit lauter Stimme: Lazarus, komm
heraus!“ (Joh 11,41-43; vgl. Joh 16,27.30, 17,8). In seinem
großen Gebet vor dem Leiden wendet sich Jesus an den Vater: „Aber
nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, welche
durch ihr Wort an mich glauben, damit
sie alle eins seien, wie du, Vater, in mir und ich in dir, dass auch
sie
in uns eins seien, damit
die Welt glaube, dass du mich gesandt hast“
(Joh 17,20-21).
Eine Kurzformel des
Glaubens, nämlich, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist,
formuliert Johannes am Ende seines Evangeliums, was bedeutet, dass
dieses Bekenntnis auch alles einschließt, was der Sohn getan und
gesagt hat: „Auch viele andere Zeichen hat nun
zwar Jesus vor den Jüngern getan, die nicht in diesem Buch
geschrieben sind. Diese
aber sind geschrieben, damit ihr glaubt,
dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes,
und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen“
(Joh 20,30-31).
In einer bestimmten
Verbform wird „glauben“ zu einem Fachbegriff für das
Christwerden: „Viele aber von denen, die
das Wort gehört hatten, wurden gläubig“ (Apg 4,4; vgl. 11,21).
Den parteiischen Korinthern ruft der Völkerapostel zu: „Was ist
denn Apollos? Und was ist Paulus? Diener, durch die ihr gläubig
geworden seid, und zwar wie der Herr einem jeden gegeben hat“
(1 Kor 3,5).
Es kann auch das
Gläubigsein bezeichnet
werden: „Wachet,
steht fest im Glauben; seid mannhaft, seid stark!
Alles
bei euch geschehe in Liebe!
(1Kor 16,13-14). In 1 Thess 5,8 wird vom „Panzer des
Glaubens“, in Eph 6,16 vom „Schild des Glaubens“ gesprochen. Es
ist aber auch ein „Wachsen im Glauben“ (2 Kor 10,15; 2 Thess 1,3)
möglich, womit die Tugend des Glaubens und die Vertiefung des
Glaubensverständnisses angesprochen sind. Das Leben aus dem Glauben
ist ebenfalls ein Reichtum. Von den Korinthern sagt Paulus, sie seien
„in allem überreich: in Glauben und Wort und
Erkenntnis und allem Eifer und der Liebe, die von uns in euch
<geweckt> ist“ (2 Kor 8,7).
Der sel. Charles de
Foucauld hat in stillen Stunden die Heilige Schrift betrachtet. In
Bezug auf die Evangelien tat er es einmal verbunden mit der Frage, wo
und wie von der Tugend des Glaubens die Rede ist. Vielleicht können
obige Ausführungen eine Hilfe und Anregung sein, es ihm gleichzutun.
(Mit freundlicher Genehmigung des Verfasssers)
Weitere Beiträge von Dr. Lugmayr auf kath-info (Auswahl):
• Leo Scheffczyk über Karl Rahners Schöpfungslehre
• Generation Benedikt
• Dogmatisch oder pastoral? Zur Frage nach der Autorität des II. Vaticanums
Fotos:
Theresia von Lisieux; 1895
Codex Sinaiticus; 4.Jh.; wikimedia commons
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen