Im Laufe der christlichen Jahrtausende ist der Schatz an liturgischen Festen stetig gewachsen. Dabei hat die Kirche ihre wahrhaft katholische Überlegenheit oft gerade darin erwiesen, dass sie Bräuche, die dem Heidentum entstammten, ihrem eigenen Kult einverleibte.
Gewiss mussten diese Traditionen zuerst von allen irrigen, abergläubischen und krausen Elementen gereinigt werden, um eine geeignete Ausdrucksform für christliche Glaubensgeheimnisse sein zu können. War das aber geschehen, so bestand kein Grund mehr, sich über den heidnischen Ursprung solcher Feste und Bräuche zu beunruhigen.
Es bereitet uns z.B. keine Schwierigkeiten, dass Weihnachten seinen Platz bei der winterlichen Sonnenwende gefunden hat, da es ja wirklich den Aufgang des wahren Lichtes bedeutet. Ebenso wenig stören wir uns daran, dass Ostern bei uns mit dem Frühlingsanfang zusammenfällt, hat doch der Gekreuzigte und Auferstandene mit Sünde, Tod und Teufel die eigentliche, tiefste Kälte und Finsternis besiegt und der Kreatur Keime zu neuem Leben, neuem Erblühen verliehen.
Die heidnischen Kulte, die diese Etappen des Jahreszyklus einst markierten, sind also nun im christlichen Mysterium überwunden und überhöht worden. Bei anderen unserer Feste und Bräuche stößt man ebenfalls, gräbt man nur tief genug, auf vorchristliche Ursprünge ähnlich den Resten römischer Tempel, auf denen die Christenheit dem wahren Gott Kirchen erbaute.
Auch in unseren Tagen gibt es das Bemühen, den liturgischen Reichtum zu vermehren, und wieder greift man auf heidnisches Erbe zurück: Fastnacht zieht in unsere Gotteshäuser ein! Karnevalistische Aufzüge machen längst nicht mehr vor dem Kirchenportal halt, sondern marschieren oft in grell-bunter Aufmachung und mit Trara, lärmend und lachend hinein in den geweihten Raum. Die Gestaltung des Gottesdienstes hat sich dem natürlich anzupassen; denn in einem fastnachtlich geschmückten Rahmen und vor maskierter Gemeinde wirken der streng liturgisch gewandete Geistliche und die messbuchgetreu gehaltene Liturgie nun einmal reichlich deplaziert. Versteht sich von selbst, dass von der Predigt bei derartigen Feiern anderes erwartet wird als Lehre, Ermahnung und Erbauung.
Aber vielleicht sollte man die Fastnachts-Unruhe an heiliger Stätte einfach durchhalten? Es bedarf nun einmal einiger Zeit, bis die Assimilation heidnischen Erbes – in diesem Fall der alten Wintervertreibung und Begrüßung des wiederkehrenden Frühlings, durchsetzt mit Spuren des germanischen Julfestes und der römischen Saturnalien – in das kirchliche Leben geglückt ist. Dann aber wird das „Fest des heiligen Karneval“ seinen Platz innerhalb des liturgischen Jahres mit friedlicher Selbstverständlichkeit behaupten…
Allerdings hatte die Fastnacht schon in die christliche Kultur Einzug gehalten, bevor man an Narrenmessen und dergleichen überhaupt nur zu denken wagte. Darauf weist auch die Deutung von „Fas(t)nacht“ als „Nacht vor dem Fasten“ hin (eine andere ist die von mittelhochdeutsch „vasen“ = „umherschwärmen, ausgelassen sein“). Dem entspräche auch die Herleitung des „Karneval“ von „carne vale“ = „Fleisch, lebe wohl!“, die sich neben derjenigen von „carrus navalis“ = „Schiffswagen“ gut behaupten kann und ausserdem zu dem Fastnachtsschlager passt: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei…“
Karneval als betont weltliche Feierlichkeit unter Christen, bei der man sich vor der vierzigtägigen Fastenzeit noch einmal, gleichsam „zum Abgewöhnen“, den Genüssen des Lebens überließ, sich verkleidete und der Ausgelassenheit frönte, hat es also auch früher schon gegeben, und es ist bemerkenswert, dass sich hier gerade katholische Gegenden – in Deutschland Köln und Mainz – besonders hervortaten.
Die Kirche betrachtete das Treiben mit einem wohlwollenden und einem gestrengen Auge. So wäre es mancherorts undenkbar gewesen, dass nicht auch der Herr Pfarrer in Form einer geist- und humorvollen Büttenrede (freilich: außerhalb des Gotteshauses!) seiner karnevalistischen Pflicht entsprochen hätte. Zugleich aber sühnte man an den drei wildesten Tagen anbetend vor dem Allerheiligsten, die Priester erhielten für die Beichte weitreichende Absolutionsvollmachten und die Gläubigen besondere Ablässe für den Kirchenbesuch.
Die Kirche betrachtete das Treiben mit einem wohlwollenden und einem gestrengen Auge. So wäre es mancherorts undenkbar gewesen, dass nicht auch der Herr Pfarrer in Form einer geist- und humorvollen Büttenrede (freilich: außerhalb des Gotteshauses!) seiner karnevalistischen Pflicht entsprochen hätte. Zugleich aber sühnte man an den drei wildesten Tagen anbetend vor dem Allerheiligsten, die Priester erhielten für die Beichte weitreichende Absolutionsvollmachten und die Gläubigen besondere Ablässe für den Kirchenbesuch.
In dieser Haltung erkennen wir die Weisheit der Kirche. Der Versuch hingegen, die Fastnacht zu „liturgiesieren“, ist in jeder Hinsicht verfehlt. Im Heiligtum hat das karnevalistische Treiben nichts zu suchen. Die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Jesu Christi zur spaßigen Veranstaltung zu machen, bedeutet nicht, Heidnisches christlich zu überhöhen, sondern das Christentum neuheidnisch zu erniedrigen!
P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
Foto: Narrensprung in Weingarten; Andreas Praefcke; wikimedia commons
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