Es ist für uns Menschen eine Pflicht,
freundlich und heiter im Umgang zu sein. Unsere vielgepriesene
"Sachlichkeit" ist ein Irrweg, sowohl in der Kunst wie im
Geschäftsleben, wie im privaten Umgang.
Der heilige Thomas sagt, dass das taktvolle und freundliche Zusammenleben etwas ist, was wir unserem Nächsten schuldig sind. Denn der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen. Er muss in all seinem Tun und Lassen auf die Gemeinschaft Rücksicht nehmen. Nun kann der Mensch aber nicht ohne Freude leben, denn er ist für die Freude erschaffen. Somit ist jeder gehalten, von sich aus zur allgemeinen Freude beizutragen.
Was
diese Freude für ein Antlitz trägt, wie sie Weltkinder und Gotteskinder
adelt, das beschrieb einmal der weltbekannte Konvertit Kardinal Newman
in einer kurzen Abhandlung über den Gentleman als abendländisches
Bildungsideal. Darin schildert er anschaulich die vornehme
Seelenhaltung, die jener sich aneignen muss, der dieses Ideal nicht nur
als äußere Fassade, sondern echt und innerlich in sich verwirklichen
will. Es heißt da unter anderem:
Er hat Augen für jeden einzelnen in seiner Umgebung; er ist gut zum Schüchternen, freundlich zum Zurückhaltenden, taktvoll zum Absonderlichen. Stets ist er sich bewusst, mit wem er gerade spricht; er vermeidet unzeitige Anspielungen und unangenehme Gesprächsstoffe; er hält sich zurück in der Unterhaltung und will nicht lästigfallen.
Die Gefälligkeiten, die er erweist, scheint er zu empfangen. Er spricht nicht von sich, außer es muss sein, verteidigt sich nicht durch einen Rückschlag; er ist sehr vorsichtig, seinem Gegner bestimmte Beweggründe zuzumuten, und legt alles eher zum Guten aus.
Nie ist er kleinlich oder gemein in der Wechselrede, nie nimmt er unfairen Vorteil wahr, nie verwechselt er Anzüglichkeiten oder Schärfen mit Argumenten und macht nie Andeutungen, wo er nicht offen sprechen darf.
In voraussehender Klugheit beachtet er jene antike Maxime, wonach wir uns zu einem Feind so verhalten sollen, als ob er eines Tages unser Freund würde. In Kontroversen, die er nicht sucht, bewahrt er seine geistige Disziplin vor der plumpen Unhöflichkeit vielleicht besserer, doch jedenfalls minder erzogener Köpfe, die gleich stumpfen Waffen zerhacken und aufreißen, statt scharf und glatt zu schneiden, die im Argumentieren den wesentlichen Punkt verfehlen, ihre Kraft an Nebensächlichkeiten verschwenden, ihren Gegner missverstehen und die Frage verwickelter hinterlassen, als sie sie gefunden haben. (...)
(Newman, Kirche und Wissenschaft, Mainz 1927, Seite 212)
aus: P. Paul Rondholz SJ: Die Höflichkeit; Johannes-Verlag Leutesdorf (Rhein); AD 1960; S. 10-12 (s. Quellen)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen