Die Erklärung des Kardinals im Wortlaut:
(Quelle) Aus gegebenem Anlass habe ich mich mit Fachleuten über die Frage der Verordnung der so genannten „Pille danach" beraten. Dabei wurde deutlich, dass darunter unterschiedliche Präparate mit unterschiedlichen Wirkprinzipien zu verstehen sind, deren Wirkungen und Nebenwirkungen sich in der wissenschaftlichen Diskussion immer weiter klären. Daraus ergeben sich ethische Konsequenzen.Wenn nach einer Vergewaltigung ein Präparat, dessen Wirkprinzip die Verhinderung einer Zeugung ist, mit der Absicht eingesetzt wird, die Befruchtung zu verhindern, dann ist dies aus meiner Sicht vertretbar.Wenn ein Präparat, dessen Wirkprinzip die Nidationshemmung ist, mit der Absicht eingesetzt wird, die Einnistung der bereits befruchteten Eizelle zu verhindern, ist das nach wie vor nicht vertretbar, weil damit der befruchteten Eizelle, der der Schutz der Menschenwürde zukommt, die Lebensgrundlage aktiv entzogen wird. Dass das Abgehen befruchteter Eizellen auch ganz natürlicherweise ohne menschliches Zutun geschieht, berechtigt einen Menschen nicht dazu, diesen natürlichen Vorgang aktiv zu imitieren. Denn die Beendigung eines Menschenlebens durch die Natur nennt man ein Naturereignis. Dessen absichtliche Imitation nennt man Tötung.Die Ärzte in katholischen Einrichtungen sind aufgefordert, sich rückhaltlos der Not vergewaltigter Frauen anzunehmen und sich dabei unter Berücksichtigung des neusten Stands der medizinischen Wissenschaft in ihrem ärztlichen Handeln an den oben genannten Prinzipien auszurichten. Darüber hinaus ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie in diesem Fall auch über Methoden, die nach katholischer Auffassung nicht vertretbar sind, und über deren Zugänglichkeit aufklären, wenn sie dabei, ohne irgendwelchen Druck auszuüben, auf angemessene Weise auch die katholische Position mit Argumenten erläutern. In jedem Fall muss in katholischen Einrichtungen die Hilfe für vergewaltigte Frauen aber natürlich weit über die Erörterung solcher Fragen hinaus gehen.
Köln, 31. Januar 2013
Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln
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Kommentar
Die katholische Kirche setzt sich für den unbedingten Schutz des menschlichen Lebens ein, vom Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle an bis zum natürlichen Tod. Deshalb stellt sich die Kirche schützend vor noch ungeborene Kinder und verurteilt eine Abtreibung, eine vorsätzliche Tötung des Kindes, als ein "verabscheuungswürdiges Verbrechen" (II. Vat., GeS 51) Einzige Ausnahme ist die Situation, in der die Mutter in Lebensgefahr schwebt und der Arzt zwischen dem Leben der Mutter und dem Leben des Kindes wählen müsste. In diesem Fall wird man sich in der Regel für das Überleben der Mutter und die Abtreibung des Kindes entscheiden.
Gemäß diesem Prinzip werden in katholischen Einrichtungen keine Abtreibungen durchgeführt und es werden keine (früh-)abtreibenden Mittel verordnet, so auch nicht für Frauen, die Opfer eines Sexualdeliktes geworden sind. Ärzte und Ärztinnen an katholischen Krankenhäusern bieten in solchen Situationen ganzheitliche Behandlungen und Hilfen an, wie sie in jedem anderen Krankenhaus üblich sind - mit Ausnahme der Verschreibung bzw. Verabreichung der sogenannten "Pille danach". Die Verschreibung der "Pille danach" ist deswegen nicht mit der katholischen Lehre zu vereinbaren, weil sie eine (wenn auch nur möglicherweise) frühabtreibende Wirkung hat und damit die Tötung eines ungeborenen Kindes nicht ausschließen würde.
Inzwischen gibt es verschiedene Präparate, die als "Pille danach" eingesetzt werden. So sind nun offenbar auch solche Produkte verfügbar, die zwar das Reifen und somit eine Befruchtung der Eizelle verhindern, jedoch nach bereits erfolgter Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, also bei bereits gezeugtem Embryo, keine Mechanismen einsetzen, um die befruchtete Eizelle an der Einnistung in der Gebärmutterschleimhaut zu hindern, sprich dem Embryo die Lebensgrundlage zu entziehen.
Der Kölner Kardinal hat sich den neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft von Fachleuten erläutern lassen. Und er stellt fest, dass ein Präparat, das keine abtreibende Wirkung hat, sondern die Befruchtung der Eizelle verhindert, im Falle des Verbrechens einer Vergewaltigung der katholischen Lehre nicht entgegensteht und daher auch in katholischen Einrichtungen verschrieben bzw. verabreicht werden kann.
Solche nichtabtreibenden "Pillen" waren im Übrigen in katholischen Häusern in solchen Fällen auch noch nie verboten - eben weil sie keine Gefahr für die Leibesfrucht sind. Ärzte, die in diesem Bewusstsein ein Präparat verschrieben haben, haben auch bisher nicht gegen die Lehre der Kirche gehandelt.
Es bleibt also alles beim alten: Frühabtreibende "Pillen danach" und Abtreibungspillen werden auch weiterhin nicht in katholischen Einrichtungen zu haben sein, denn sie schließen die Möglichkeit der Tötung des Embryos ein und sind deshalb ethisch nicht zu rechtfertigen. Noch nie verboten und auch weiterhin erlaubt sind dagegen Präparate, die die Befruchtung der Eizelle verhindern, nicht aber einem bereits gezeugten Embryo die Lebensgrundlage (z. B. durch eine Abbruchblutung der Gebärmutterschleimhaut) entziehen.
Wer daher meint, dass sich nun vieles ändern werde, wird wohl enttäuscht werden. Es handelt sich weder um einen Dammbruch noch um die Änderung der katholischen Lehre. Man wird sich in katholischen Häusern zusammensetzen und diejenigen Präparate ohne abtreibende Wirkung auswählen um im Falle der Behandlung einer vergewaltigten Frau eine ungerechte (den Begriff: "verbrecherische" sei hier aus Respekt vor dem unschuldigen Leben gemieden) Befruchtung nach Möglichkeit zu verhindern.
FW