(...) Die Priesterkleidung – ich spreche von der Soutane und
der Ordenskutte – ist ein Kommunikationsmittel ersten Ranges. Nach jeder etwas
längeren Reise mit der Deutschen Bahn kehrt der Priester beschenkt nach Hause
zurück. Wieso beschenkt? Weil ihn die Reaktionen der Menschen unterwegs von der
Wichtigkeit und Sinnhaftigkeit des eigenen Berufs erneut überzeugt haben.
Nicht nur Gespräche sind es, zu denen es fast immer (!)
kommt, sondern auch vielfache andere Signale von Interesse und Dankbarkeit
bezeugen klar, daß ein Mensch in dieser (!) Kleidung irgendetwas in den
Mitreisenden anspricht. Um das zu erfahren, genügt schon ein Gang durch den
Großraumwagen der Bahn. Natürlich gibt es auch Gleichgültigkeit. Aggressivität
kommt äußerst selten vor. Aber auch wenn so etwas häufiger wäre, würde das
nicht ebenfalls zum priesterlichen Verständnis beitragen? Muß es nicht auch Widerspruch
geben?
Noch intensiver lassen sich Erfahrungen beim Autostopp
machen, der gewiß nicht jedermanns Sache ist. Ich empfehle jedem priesterlichen
Mitbruder, der Zweifel am Sinn seines Berufes hat, die Soutane anzuziehen und
einmal von Hamburg nach München oder von Köln nach Berlin zu trampen. Er wird
mit Menschen in Kontakt kommen, die noch nie in ihrem Leben in einem Pfarrhaus
oder an einer Klosterpforte waren. Für nicht wenige ist es überhaupt das
einzige Mal im Leben, daß sie mit einem katholischen Geistlichen sprechen. Es
sind also keineswegs nur die guten Katholiken, die den Priester (in Soutane
oder Kutte) im Auto mitnehmen. Nein, es sind Menschen jeder Konfession und
Weltanschauung, die für eine solche Stunde im Auto dankbar sind, bei denen nicht
sie, sondern der Priester derjenige ist, der etwas erbittet. Und er wird
tatsächlich beschenkt, nicht nur daß er soundso viel Kilometer mitgenommen
wird, sondern daß er in seinem priesterlichen Beruf gefragt, gefordert und
bestätigt wird. „Es wird immer Menschen geben, die für Dein Priestertum dankbar
sein werden“ schrieb mir die Lehrerin zur Primiz, bei der ich als Kind
eingeschult worden war.
Es gibt Gegenden, wo man den Eindruck der absoluten
Abwesenheit des Christentums hat, so als habe es das nie gegeben. In einem Bus
– irgendwo zwischen Eisleben und Halle – setzt sich ein etwa Siebzehnjähriger neben
einen Mann, der eine Mönchskutte trägt. Fragen und Gegenfragen. Es stellt sich
heraus, daß der junge Mann noch nie in seinem Leben auch nur ein einziges Gebet
gesprochen hat. Aber Fragen brachen in ihm auf, als er den Mitfahrenden in
dieser Kleidung sah. – Wenn ich Bischof von Magdeburg wäre, würde ich meine
Priester ermutigen, die Soutane zu tragen: ab und zu, etwa an Sonntagen, warum
nicht auch grundsätzlich immer? Die Soutane in Sachsen-Anhalt? Ein
unvorstellbarer Gedanke! Wirklich? Vielleicht hat sie aber dort einen noch fruchtbareren
Boden als in durch und durch katholisch geprägten Landschaften wie Vorarlberg,
Tirol oder Oberbayern. Die Namen all dieser Länder sind austauschbar.
Die Soutane ist das eigentliche Kleid des Priesters. Das
schmucke Silberkreuzchen am dunklen Anzug macht zwar auch den Priester
erkennbar, ist aber in keiner Weise mit der Soutane als dem Zeichen der Weihe
an Gott vergleichbar. Es geht eben nicht nur um die Erkennbarkeit auf der
Straße, sondern darum, die Weihe an Gott im Zeichen zu leben. Das gilt auch
dann, wenn der Priester allein ist. Für
manche Situationen bietet sie sich geradezu an. Am Morgen beim Breviergebet von Matutin und Laudes, vor
dem Kreuz, in guter Haltung. Jeder merkt, daß das Beten besser wird. Auch bei der
Heiligen Lesung, oder wenn der Priester – besonders an Sonn- und Feiertagen –
die Mahlzeit einnimmt: warum dann nicht die Kleidung tragen, die nach wie vor
die eigentliche des Priesters ist: die Soutane? Warum nicht bei Einladungen,
bei Hausbesuchen? Wir Priester müssen etwas tun gegen die zersetzende
Säkularisierung unseres heiligen Berufes. Unsere Weihe an Gott in diesem
Zeichen zu leben, hilft uns und den Menschen.
"Die Tagespost", 13.12.2012
Mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
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Ich habe den Eindruck, daß es Priester gibt, die sich für ihr Priestertum schämen und jedem Gespräch aus dem Weg gehen.
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