50 Jahre Konzilsbeginn! In den erstaunlich einstimmigen Lobreden, die von Vertretern aus Kirche und Welt zu dem Anlass gehalten werden, fehlt selten das italienische Wort aggiornamento. Man belässt es zumeist in seiner Ursprache, da Übertragungen ins Deutsche es seines klangvollen Zaubers berauben. So bleibt dann allerdings auch die Bedeutung eher unklar. Denn was will das aggiornamento, dieses „Auf-den-Tag-Bringen“, diese „Verheutigung“ genau besagen? Den Exodus der Katholiken aus dem bisherigen Ghetto ins Gelobte Land der modernen Welt? Die Anpassung des Glaubens und der Sitten an die „Lebenswirklichkeit des heutigen Menschen“? Fromme Verehrung des wissenschaftlichen Fortschrittes und der Gegenwartskultur? Oder eher so etwa wie kritische Zeitgenossenschaft?
Dass das aggiornamento eine Art von Anpassung an die heutige Welt meint, die mehr von Wohlwollen als von grundsätzlicher Ablehnung und Feindschaft geprägt ist, geht aus programmatischen Aussagen hervor, mit denen Papst Johannes XXIII. den Ausdruck einführte und umschrieb. So ging er in seiner berühmten Einleitungsrede zum Zweiten Vatikanischen Konzil am 11. Oktober 1962 auf Distanz zu einer negativ geprägten Sicht der modernen Welt: „Wir sind völlig anderer Meinung als die Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergange stünde. In der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse (…) muss man viel eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen. Dieser verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten, durch die Werke der Menschen und meist über ihre Erwartungen hinaus sein eigenes Ziel, und alles, auch die entgegengesetzten menschlichen Interessen, lenkt er weise zum Heil der Kirche.“
Dass das aggiornamento eine Art von Anpassung an die heutige Welt meint, die mehr von Wohlwollen als von grundsätzlicher Ablehnung und Feindschaft geprägt ist, geht aus programmatischen Aussagen hervor, mit denen Papst Johannes XXIII. den Ausdruck einführte und umschrieb. So ging er in seiner berühmten Einleitungsrede zum Zweiten Vatikanischen Konzil am 11. Oktober 1962 auf Distanz zu einer negativ geprägten Sicht der modernen Welt: „Wir sind völlig anderer Meinung als die Unglückspropheten, die immer das Unheil voraussagen, als ob die Welt vor dem Untergange stünde. In der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse (…) muss man viel eher einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung anerkennen. Dieser verfolgt mit dem Ablauf der Zeiten, durch die Werke der Menschen und meist über ihre Erwartungen hinaus sein eigenes Ziel, und alles, auch die entgegengesetzten menschlichen Interessen, lenkt er weise zum Heil der Kirche.“
Derartiges Vertrauen ist sympathisch. Hat es sich denn aber auch als realistisch erwiesen? Jedenfalls sollten Zweifel daran geäußert werden dürfen, ob der selige „Johannes der Gute“ seine Unglücks-prophetenschelte nach fünfzig Jahren rasanten Niederganges in Kirche und Welt nochmals ausgesprochen hätte.
Das umso mehr, als es von diesem Papst auch ganz andere Einschätzungen gab. Beispielsweise in der Rede, mit welcher er am 25. Januar 1959 das Konzil ankündigte. Hier sprach er von dem Schauspiel der Gegenwart, das teilweise erfreulich, teilweise aber auch betrüblich sei. Hinter den bedrohlichen Vorgängen steht nach Überzeugung des Papstes „der Einfluss dessen, den das Evangelium den Fürsten der Finsternis und den Fürsten dieser Welt nennt“, der „den Widerspruch und den Kampf gegen die Wahrheit und das Gute“ betreibt und Verwirrung stiftet, „um womöglich auch die Erwählten zu täuschen und in den Abgrund zu ziehen.“ Der wissenschaftliche Fortschritt, an sich neutral, vermehrt „die Versuchung und Lockung der materiellen Annehmlichkeiten“, er „lenkt vom Streben nach den höheren Gütern ab, schwächt die Energien des Geistes, führt zum Erschlaffen der Zucht und der guten alten Ordnung, zum schweren Nachteil für das, was die Widerstandskraft der Kirche und ihrer Söhne gegenüber den Irrtümern bildete, die in Wirklichkeit immer im Laufe der Geschichte des Christentums zu verhängnisvollen und unseligen Spaltungen, zu geistigem und sittlichem Verfall und zum Untergang von Nationen führten.“
Das umso mehr, als es von diesem Papst auch ganz andere Einschätzungen gab. Beispielsweise in der Rede, mit welcher er am 25. Januar 1959 das Konzil ankündigte. Hier sprach er von dem Schauspiel der Gegenwart, das teilweise erfreulich, teilweise aber auch betrüblich sei. Hinter den bedrohlichen Vorgängen steht nach Überzeugung des Papstes „der Einfluss dessen, den das Evangelium den Fürsten der Finsternis und den Fürsten dieser Welt nennt“, der „den Widerspruch und den Kampf gegen die Wahrheit und das Gute“ betreibt und Verwirrung stiftet, „um womöglich auch die Erwählten zu täuschen und in den Abgrund zu ziehen.“ Der wissenschaftliche Fortschritt, an sich neutral, vermehrt „die Versuchung und Lockung der materiellen Annehmlichkeiten“, er „lenkt vom Streben nach den höheren Gütern ab, schwächt die Energien des Geistes, führt zum Erschlaffen der Zucht und der guten alten Ordnung, zum schweren Nachteil für das, was die Widerstandskraft der Kirche und ihrer Söhne gegenüber den Irrtümern bildete, die in Wirklichkeit immer im Laufe der Geschichte des Christentums zu verhängnisvollen und unseligen Spaltungen, zu geistigem und sittlichem Verfall und zum Untergang von Nationen führten.“
Der „Fürst der Finsternis“ im „Kampf gegen die Wahrheit“! Das „Erschlaffen der Zucht und der guten alten Ordnung“! „Geistiger und sittlicher Verfall“, ja „Untergang ganzer Nationen“! Solche Warnungen entsprechen der biblischen Auskunft über die gefallene Welt gewiss mehr als die Beschwichtigungsformel „Es wird schon werden.“ Sie bieten auch den Ansatz für eine anderes Verständnis jenes italienischen Wortes. Aggiornamento kann demnach nicht von der Kirche fordern, sich der Welt gleichförmig zu machen (was der heilige Paulus ausdrücklich verwirft: Röm 12,2). Vielmehr ruft es die Christen auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen, sich gegen die gegenwärtigen Gefahren zu wappnen und die fälligen Heilmittel für den Menschen von heute bereitzuhalten.
Es geht, mit den Worten des seligen Papstes, um „die Widerstandskraft der Kirche und ihrer Söhne gegenüber den Irrtümern“. Das Antivirenprogramm auf dem Computer bedarf immer wieder eines „Update“ (man könnte auch sagen: eines aggiornamento), um wirksam gegen virtuelle Infektionen zu schützen. Ebenso muss der Arzt in seiner Wissenschaft auf dem neuesten Stand sein und die beste Medizin zur Behandlung grassierender Krankheiten zur Hand haben.
Es geht, mit den Worten des seligen Papstes, um „die Widerstandskraft der Kirche und ihrer Söhne gegenüber den Irrtümern“. Das Antivirenprogramm auf dem Computer bedarf immer wieder eines „Update“ (man könnte auch sagen: eines aggiornamento), um wirksam gegen virtuelle Infektionen zu schützen. Ebenso muss der Arzt in seiner Wissenschaft auf dem neuesten Stand sein und die beste Medizin zur Behandlung grassierender Krankheiten zur Hand haben.
Aggiornamento als Anpassung, um im Widerstand gegen das Gottfeindliche feststehen und den Patienten „Welt von heute“ heilen zu können? Unter dem Zeichen eines solchen Verständnisses hätten das letzte Konzil und die darauffolgende Zeit einen anderen Lauf genommen. Es wäre dann wohl zur Durchführung des „festen Entschlusses“ gekommen, den der selige Johannes XIII. in seiner Ankündigungsrede aussprach: „zur Wiederaufnahme einiger althergebrachter Formen der Lehrverkündigung und weiser Anordnungen der kirchlichen Disziplin, die in der Geschichte der Kirche, in Epochen der Erneuerung, Früchte von außerordentlicher Wirksamkeit reifen ließen in bezug auf die Klarheit der Gedanken, die Geschlossenheit der religiösen Einheit, die sehr lebendige Flamme des christlichen Eifers.“
Bekanntlich setzte sich aber allgemein ein angenehmeres Konzept von aggiornamento durch...
P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
- Bild: Papst Johanes XXIII.
Weiteres zum Thema "Aggiornamento":
Papst Paul VI.
deutsch (Ausschnitt): hier
"Aggiornamento und Erneuerung: ja; willkürliche Veränderungen: nein!
Eine immer lebendige und neue Geschichte der Kirche: ja; einen die traditionelle dogmatische Verpflichtung zersetzenden Historizismus: nein! Theologische Integration gemäß den Lehren des Konzils: ja; eine freien, subjektiven Theorien konforme und oft gegnerischen Quellen angepaßte Theologie: nein!..."
Dietrich vion Hildebrand in "Der verwüstete Weinberg":
"Aber dass diese Krankheit auch in die Kirche eingedrungen ist, ist eines
jener furchtbaren Symptome dafür, dass der Kampf gegen den Geist der
Welt unter dem Schlagwort des „aggiornamento" durch ein Mitschwimmen mit
dem Zeitgeist ersetzt worden ist.
Prof. DDr.Josef Seifert in:
"Heutzutage wird im großen der Versuch gemacht, den Inhalt der Offenbarung an den "modernen Menschen" anzupassen. In diesem falschverstandenen "aggiornamento" fallen viele einem historischen Relativismus zum Opfer, dessen Wurzeln man bei Hegel, Dilthey und Heidegger suchen muß."
P. Bernward Deneke FSSP in:
"Insbesondere muss die Kirche auch die aktuellen Krankheiten der Welt
erkennen, um sich selbst gegen sie wappnen und sie heilen zu können.
Insofern bedarf sie also, um das Wort des seligen Papstes Johannes
XXIII. aufzugreifen, eines „aggiornamento“, einer Aktualisierung für den
gegenwärtigen Tag (beim Computer würde man von einem „Update“
sprechen)."
Bei der Liturgischen Tagung wies Dr. Frau von Teuffenbach darauf hin, dass der sel. Papst Johannes XXIII., dieses Wort niemals im Zusammenhang mit der Kirche niemals gebraucht habe.
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(ab Minute 5)