Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Nein, es wäre wirklich zu viel behauptet, wollte man sagen, in der kirchlichen Verkündigung von heute spiele der Begriff „Übernatur“ eine herausragende Rolle. Um genau zu sein: Er spielt meist überhaupt keine Rolle. Man redet in Kirchen, in katholischen Bildungshäusern und im Religionsunterricht über ganz andere Dinge. Vielen dieser Themen wird man ihren Unterhaltungswert, gelegentlich auch ihre Wichtigkeit und sogar Brisanz nicht absprechen können. Aber ist dadurch das Schweigen über das höhere Leben des Christen – das Leben in und aus der Gnade – gerechtfertigt?
Nein, es wäre wirklich zu viel behauptet, wollte man sagen, in der kirchlichen Verkündigung von heute spiele der Begriff „Übernatur“ eine herausragende Rolle. Um genau zu sein: Er spielt meist überhaupt keine Rolle. Man redet in Kirchen, in katholischen Bildungshäusern und im Religionsunterricht über ganz andere Dinge. Vielen dieser Themen wird man ihren Unterhaltungswert, gelegentlich auch ihre Wichtigkeit und sogar Brisanz nicht absprechen können. Aber ist dadurch das Schweigen über das höhere Leben des Christen – das Leben in und aus der Gnade – gerechtfertigt?
Über die Gründe für solches Schweigen können wir einige Mutmaßungen anstellen. Erste Mutmaßung: Vielleicht fürchtet man Missverständnisse und Irritationen durch den Gebrauch des Wortes „Übernatur“? Die einen könnten dabei an Friedrich Nietzsches „Übermenschen“ denken, andere an übersinnliche Phänomene, wie sie von Parapsychologen beschrieben werden, wieder andere an bestimmte Vorkommnisse im Leben echter und falscher Mystiker. Deshalb also hätten Theologen und Verkünder des Glaubens die Vokabel „Übernatur“ entsorgt.
Dazu ist zu sagen: Missverständnisse werden sich niemals ganz vermeiden lassen. Durch eine solide Unterweisung jedoch kann leicht vermittelt werden, was mit Übernatur gemeint ist und was nicht; dass sie also weder mit Selbstüberhebung des Menschen zu tun hat noch mit parapsychologischen oder magischen Angelegenheiten; dass sie vielmehr unsere gnadenhafte Teilnahme an der göttlichen Natur bedeutet: Gott selbst nimmt in uns Wohnung, durchströmt die Vermögen unserer Seele mit seinem Licht und seiner Wirkkraft und bereitet uns so für die ewige Glückseligkeit. Weil übernatürlich, können wir diese Gabe nicht aus eigener Kraft erlangen oder verdienen. Sie ist reines Geschenk.
Zweite Mutmaßung: Vielleicht hält man das Wort „Übernatur“ einfach für zu unbiblisch und daher in der Zeit des katholisch-evangelischen Ökumenismus für unpassend? Dazu ist zu sagen: Der Sache nach kommt Übernatur sehr wohl in der Heiligen Schrift vor. Jesus selbst spricht zu Nikodemus von der nötigen Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, durch die wir ein höheres, geistbestimmtes Leben empfangen (vgl. Joh 3,3ff.). Paulus beschreibt den Menschen, der in Christus getauft ist, als eine neue Kreatur (Röm 8), nach Gott geschaffen in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4,23) und befähigt zur Erkenntnis dessen, was dem fleischlichen Menschen verborgen bleibt (vgl. 1 Kor 2,14). Und im 2. Petrusbrief begegnet uns bereits die exakte Definition der Übernatur: „Anteil an der göttlichen Natur“ (1,4). „Unbiblisch“?
Dritte Mutmaßung: Vielleicht erscheint die Sache mit der Übernatur vielen zu lebensfern, als dass man den Menschen von heute damit belästigen sollte, oder zu schwierig, als dass man sie noch vermitteln könnte? Dazu ist zu sagen: Nichts könnte lebensnaher sein als gerade dieses Thema. Hier geht es doch um ein Leben, gespeist aus der Quelle allen Lebens, ja aus Demjenigen, der das Leben selbst ist (vgl. Joh 14,6). Verglichen mit diesem höheren Leben verdient das irdische Leben kaum „Leben“ genannt zu werden, so viel kraftvoller und reicher ist jenes. Und was die angebliche Schwierigkeit anbelangt, solche Inhalte dem heutigen Menschen zu vermitteln: Haben die Apostel Petrus und Paulus nicht zu Juden wie Heiden, Hohen wie Niedrigen, Gebildeten wie Ungebildeten, Freien wie Sklaven davon gesprochen? Das sollte jetzt nicht mehr möglich sein?
Womit wir bei der vierten und letzten Mutmaßung (die freilich mehr als nur eine Mutmaßung ist) wären: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Lehre von der Übernatur in unseren Kirchen und kirchlichen Einrichtungen vor allem deshalb verstummt, weil man nicht mehr so recht von ihr überzeugt ist. Es fehlt der Glaube! Die Aufmerksamkeit wendet sich heute ganz dem natürlichen Menschen zu, der es, ob nun Christ oder nicht, doch so gut meint und so gut handelt, dass man sich um sein ewiges Heil ohnehin keine Sorgen machen muss. Wozu da ein höheres, übernatürliches Leben?
Und was ist dazu zu sagen? Hier ist weniger unser Reden als unser Beten verlangt. Wir sollten darum bitten, dass der Herr vor allem die Herzen derer, die den Glauben zu verkünden haben, zu neuer Erkenntnis der Gabe Gottes erwecke; und dass er ihnen verleihe, von dieser Wahrheit Zeugnis zu geben wie Jesus selbst, der einer noch völlig unwissenden Frau mit Worten voller Vitalität und Anmut das Geheimnis der Übernatur eröffnete: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser werden, hinübersprudelnd in das ewige Leben.“ (Joh 4,14)
Dazu ist zu sagen: Missverständnisse werden sich niemals ganz vermeiden lassen. Durch eine solide Unterweisung jedoch kann leicht vermittelt werden, was mit Übernatur gemeint ist und was nicht; dass sie also weder mit Selbstüberhebung des Menschen zu tun hat noch mit parapsychologischen oder magischen Angelegenheiten; dass sie vielmehr unsere gnadenhafte Teilnahme an der göttlichen Natur bedeutet: Gott selbst nimmt in uns Wohnung, durchströmt die Vermögen unserer Seele mit seinem Licht und seiner Wirkkraft und bereitet uns so für die ewige Glückseligkeit. Weil übernatürlich, können wir diese Gabe nicht aus eigener Kraft erlangen oder verdienen. Sie ist reines Geschenk.
Zweite Mutmaßung: Vielleicht hält man das Wort „Übernatur“ einfach für zu unbiblisch und daher in der Zeit des katholisch-evangelischen Ökumenismus für unpassend? Dazu ist zu sagen: Der Sache nach kommt Übernatur sehr wohl in der Heiligen Schrift vor. Jesus selbst spricht zu Nikodemus von der nötigen Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, durch die wir ein höheres, geistbestimmtes Leben empfangen (vgl. Joh 3,3ff.). Paulus beschreibt den Menschen, der in Christus getauft ist, als eine neue Kreatur (Röm 8), nach Gott geschaffen in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4,23) und befähigt zur Erkenntnis dessen, was dem fleischlichen Menschen verborgen bleibt (vgl. 1 Kor 2,14). Und im 2. Petrusbrief begegnet uns bereits die exakte Definition der Übernatur: „Anteil an der göttlichen Natur“ (1,4). „Unbiblisch“?
Dritte Mutmaßung: Vielleicht erscheint die Sache mit der Übernatur vielen zu lebensfern, als dass man den Menschen von heute damit belästigen sollte, oder zu schwierig, als dass man sie noch vermitteln könnte? Dazu ist zu sagen: Nichts könnte lebensnaher sein als gerade dieses Thema. Hier geht es doch um ein Leben, gespeist aus der Quelle allen Lebens, ja aus Demjenigen, der das Leben selbst ist (vgl. Joh 14,6). Verglichen mit diesem höheren Leben verdient das irdische Leben kaum „Leben“ genannt zu werden, so viel kraftvoller und reicher ist jenes. Und was die angebliche Schwierigkeit anbelangt, solche Inhalte dem heutigen Menschen zu vermitteln: Haben die Apostel Petrus und Paulus nicht zu Juden wie Heiden, Hohen wie Niedrigen, Gebildeten wie Ungebildeten, Freien wie Sklaven davon gesprochen? Das sollte jetzt nicht mehr möglich sein?
Womit wir bei der vierten und letzten Mutmaßung (die freilich mehr als nur eine Mutmaßung ist) wären: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist die Lehre von der Übernatur in unseren Kirchen und kirchlichen Einrichtungen vor allem deshalb verstummt, weil man nicht mehr so recht von ihr überzeugt ist. Es fehlt der Glaube! Die Aufmerksamkeit wendet sich heute ganz dem natürlichen Menschen zu, der es, ob nun Christ oder nicht, doch so gut meint und so gut handelt, dass man sich um sein ewiges Heil ohnehin keine Sorgen machen muss. Wozu da ein höheres, übernatürliches Leben?
Und was ist dazu zu sagen? Hier ist weniger unser Reden als unser Beten verlangt. Wir sollten darum bitten, dass der Herr vor allem die Herzen derer, die den Glauben zu verkünden haben, zu neuer Erkenntnis der Gabe Gottes erwecke; und dass er ihnen verleihe, von dieser Wahrheit Zeugnis zu geben wie Jesus selbst, der einer noch völlig unwissenden Frau mit Worten voller Vitalität und Anmut das Geheimnis der Übernatur eröffnete: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, wird in ihm zu einer Quelle von Wasser werden, hinübersprudelnd in das ewige Leben.“ (Joh 4,14)
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
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