P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Im Leben des Dr. Martin Luther spielte der Teufel keine geringe Rolle. Von Kindheit an, so berichtet er selbst, habe er die Belästigung böser Geister erfahren, die später noch stärker geworden sei. Besonders in der Einsamkeit der Wartburg, auf die sich Luther nach seiner Ächtung durch die Kirche im Jahr 1521 zurückgezogen hatte, sah er sich als Zielscheibe heftiger Angriffe vonseiten dämonischer Mächte. Er habe sich jedoch erfolgreich mit Gebet und fröhlichem Singen gegen sie zur Wehr setzen können.
Der Legende nach soll Luther einmal, als er sich in der Nacht arg bedrängt fühlte, mit einem Tintenfass nach dem Teufel geworfen und ihn dadurch vertrieben haben. Den berühmten Fleck an der Wand zeigt man den zumeist belustigten Besuchern der Wartburg noch heute; glaubwürdigen Informationen zufolge wurde und wird er aber immer wieder aufgefrischt...
Jedenfalls hielt Martin Luther, der Mann am Anfang der großen und folgenreichen Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts, die gefallenen Engel für durchaus reale Wesen mit erheblichem Einfluss auf das Leben der Menschen. Er nahm die Worte des heiligen Paulus ernst, der von einem Kampf spricht, der sich „nicht gegen Fleisch und Blut richtet, sondern gegen Mächte und Gewalten, gegen die Weltherrscher dieser Finsternisse, gegen die Geister der Bosheit in den Lüften.“ (Eph 6,12)
Vor diesem „Teufelsglauben“ Luthers stehen heutige Protestanten weitgehend verschämt da. Sie sehen sich genötigt, die Äußerungen ihres Gründervaters zu entschuldigen, und weisen darauf hin, der Reformator sei hier und da eben doch noch in der mittelalterlichen Glaubens- und Frömmigkeitswelt verhaftet gewesen. Heute freilich sehe man das anders.
Aber auch vor der katholischen Theologie hat eine solche Einstellung nicht Halt gemacht; man denke nur an das 1978 erschienene Buch des Alttestamentlers Herbert Haag mit dem programmatischen Titel „Abschied vom Teufel“.
Als Bibelwissenschaftler musste Haag freilich zugeben, dass die Heilige Schrift sehr viel vom Widersacher Gottes und Versucher der Menschen spricht. Er hatte sich mit den Teufelsaustreibungen im Wirken Jesu, mit dessen klaren Worten über den Feind des Menschengeschlechtes auseinanderzusetzen. Doch meinte der Professor, den Verständnisschlüssel gefunden zu haben: Immer, wenn in den Evangelien von dämonischer Besessenheit die Rede sei, könne man davon ausgehen, dass es sich nach heutigem Verständnis schlicht und ergreifend um Krankheiten handele, die man sich zur Zeit des Herrn eben gleichsam personifiziert vorgestellt habe. Demnach wären die Evangelisten, ja auch Jesus selbst einem Weltbild verhaftet gewesen, das inzwischen längst überwunden ist!
Allerdings bemerkt der aufmerksame Leser recht schnell die Schwierigkeiten einer Gleichsetzung von Dämonen und Krankheiten. Im einen oder anderen Fall teuflischen Wirkens im Neuen Testament mag man zwar mit dieser Erklärung auskommen. Doch welche Krankheit tritt denn wohl derart an einen Menschen heran wie nach den Evangelien der Versucher in der Wüste an Christus (vgl. Mt 4,1ff.; Lk 4,1ff.)? Sollte unser Herr Halluzinationen gehabt haben? Und wo wurde es je vernommen, dass eine Krankheit, die sich selbst „Legion“ nannte, auf Befehl den Patienten verlassen hätte und in eine Schweineherde gefahren wäre, die sich daraufhin, von wilder Panik erfasst, in einem Gewässer versenkte (vgl. Mk 5,1ff. u. par.)? Erstaunliche Krankheit!
Freilich sehen Autoren wie Herbert Haag in derlei Schriftstellen unhistorische Erzählungen. Doch gerade damit liefern sie denn auch den Beweis, dass sie ihre „Erkenntnisse“ über die angebliche Nichtexistenz Satans nicht aus der Heiligen Schrift gewonnen haben. Ihre Argumente sind – darauf hat bereits kurz nach Veröffentlichung des Buches „Abschied vom Teufel“ kein Geringerer als der heutige Papst hingewiesen – nicht biblischer Natur, sondern die typischen Vorurteile des modernen Unglaubens, der nichts annehmen will, was sich nicht in sein enges naturwissenschaftliches Weltbild einpasst.
Wer demgegenüber auch als Nichtchrist die Evangelien ohne Vorbehalte und ehrlichen Sinnes liest, der kommt nicht um die Feststellung herum, dass zumindest die Evangelisten selbst von der realen Existenz des Teufels ausgingen, folglich auch Jesus Christus, wie er uns von ihnen geschildert wird. Und dem gläubigen Christen zeigt sich die Wahrheit dieser Lehre, die übrigens auch zur verbindlichen Verkündigung der Kirche gehört (vgl. z.B. das Vierte Laterankonzil im Jahr 1215), ebenso aus dem Gesamtzusammenhang des Glaubensgutes wie in der Erfahrung unseres bedrängten Lebens.
Insofern steht Martin Luther dem treuen Katholiken der Gegenwart zumindest im Hinblick auf die Existenz des Teufels näher als viele Vertreter der Kirche. Freilich werden wir uns den legendären Kampf des sogenannten Reformators nicht zum Vorbild nehmen und in Bedrängnissen eher gläubigen Sinnes Weihwasser versprengen als ein Tintenfass werfen. Denn für Tinte gibt es im Rituale Romanum leider keine Segensformel, und das Beispiel Luthers zeigt deutlich, wie sehr sich der Feind des Menschengeschlechtes gerade der Schreibfeder und Tinte dieses Mannes bedient hat, um seine Werke zu vollbringen: Aufwiegelung gegen die Hierarchie, Spaltung im Glauben und Ströme von Tränen und Blut. Aber das ist ein anderes Thema.
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
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