Von P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Es ist ein „ökumenischer Dialog“ unter besten Voraussetzungen. Mein streng protestantischer Gesprächspartner, ein junger Lehrer, betont, nichts als die Wahrheit zu suchen. Modernen Aufweichungen des Bekenntnisses völlig abgeneigt, steht er festen Glaubens zur Gottheit und jungfräulichen Empfängnis Jesu, zu seinem Opfertod und seiner leiblichen Auferstehung.
Die Frontstellung Papst Benedikts XVI. gegen eine „Diktatur des Relativismus“ weiß er ebenso zu schätzen wie die Eindeutigkeit der katholischen Kirche in Fragen der Sexualmoral und des Lebensschutzes. Auch der lateinischen Messliturgie, die ich in seiner Gegenwart zelebrierte, kann er Positives abgewinnen: Im Gegensatz zu den allgemeinen Verflachungs- und Anbiederungstendenzen komme hier die Erhabenheit und Anbetungswürdigkeit Gottes zum Ausdruck.
Der wahrheitssuchende Lehrer gibt sogar zu, dass man im Protestantismus der Aussage des Magnificat zu wenig entspreche: „Siehe, von nun an werden mich seligpreisen alle Geschlechter.“ Er bemühe sich darum, die Mutter Jesu zu loben und zu ehren. Aber – und nun beginnen die Unterschiede schärfer hervorzutreten – für das, was über ein solches Seligpreisen hinausgehe und aus der Mutter des Herrn die Hauptperson des Christentums zu machen drohe, finde er in der Bibel keinen Anhaltspunkt.
Von mariologischen Fragen wandert die Unterredung auf andere Gebiete, zu Fragen der Heiligenverehrung, des Kirchenverständnisses, der Sakramente, um am Ende zur Mutter des Herrn zurückzukehren. Dabei lautet bohrende Frage immer: Wo steht das denn in der Bibel? Wie kann man die katholischen Lehren und Praktiken aus ihr begründen und rechtfertigen? Denn darauf komme es doch an.
Mit dieser Frage biegt auch das verheißungsvolle interkonfessionelle Gespräch in eine Sackgasse ein. Denn obwohl der katholische Christ für das, was er glaubt und wie er betet, viele Schriftzitate und größere biblische Zusammenhänge nennen kann, vermag er den Ansprüchen eines Christen, der sich dem protestantischen Sola Scriptura (Allein die Schrift!) verpflichtet weiß, kaum zu genügen.
Tatsächlich finden sich in der Bibel keine direkten Aussagen beispielsweise über die Unbefleckte Empfängnis Mariens und ihre Himmelfahrt, und die Stellen, welche die Lehrdokumente und die Liturgie der Kirche dazu anführen, erfordern ein Schriftverständnis, das eng mit der Auslegungstradition der Kirchenväter und der Theologie des Mittelalters verbunden ist. Von dieser Überlieferung aber wandten sich die Reformatoren des 16. Jahrhunderts entschieden ab.
Um das Gespräch weiterzubringen, formuliere ich nun eine grundsätzliche Frage. Sie liegt so nahe, dass sie sich jedem, der über das Sola Scriptura nachsinnt, früher oder später aufdrängt. Und sie ist derart einfach, dass man es nicht für möglich halten möchte, der evangelische Christ hätte auf sie nicht sogleich eine schlagende Antwort parat. Es ist die Frage nach der Begründung des Sola Scriptura selbst: Wo steht denn dieses in der Bibel? Und was ist überhaupt die Heilige Schrift?
Das Inhaltsverzeichnis des „Buches der Bücher“ stammt bekanntlich von keinem der biblischen Autoren, sondern vom Herausgeber. Der ursprüngliche Herausgeber aber heißt „Kirche“. In deren Schoß ist ja das Neue Testament entstanden, und erst nach Jahrhunderten wurde man sich endgültig darüber einig, welche Schriften aus der apostolischen Zeit gemeinsam mit dem Alten Testament die Bibel bilden sollten.
Die Kirche verfügte also über jenen Geist, mit dem sie geistinspirierte von menschlichen Büchern unterscheiden konnte. Wie aber sollte diese Kirche dann nicht auch insgesamt das wahre Verständnis der Bibel haben, die ja nur in jenem Geist interpretiert werden kann, unter dessen inspirierender Einwirkung sie niedergeschrieben wurde?
Mein sympathischer Gesprächspartner holt gerade zur Antwort auf das gewichtige Fragenbündel aus und sagt etwas von einem „innerprotestantischen Konsens“ über die Autorität der frühen Kirche, als man uns zu Tisch ruft und der ökumenische Dialog somit sein abruptes Ende findet.
„Konsens über die Autorität der frühen Kirche“? Wo steht denn davon etwas in der Bibel? Und weshalb nur die ersten Jahrhunderte…? – Ach, möge sich doch allen wahrheitssuchenden Menschen die Stimmigkeit des katholisch-kirchlichen Standpunktes zeigen!
So steht es in der Hl. Schrift:
2 Thess 2,15:
So steht denn fest, Brüder, und haltet euch an die Überlieferungen, die ihr mündlich oder schriftlich von uns empfangen habt.
Weiteres zum Thema:
Andreas Theurer: Sola scriptura oder Apostolizität? (02.09.2012)
Literaturempfehlung:
Andreas Theurer
Warum werden wir nicht katholisch?
Denkanstöße eines evangelisch-lutherischen Pfarrers
Augsburg 2012 (2. Aufl.)
96 Seiten, Paperback Dominus Verlag
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