Dem Petrus war in der jungen Christengemeinde das Amt des sichtbaren Stellvertreters Christi auf Erden anvertraut. Wenn man die Schriftstelle "Du bist Petrus..." (Mt 16,18) einmal daraufhin betrachtet, was für einen damaligen gläubigen Israeliten das Symbol des Felsens bedeutete, wird das sehr klar.
Leo Kardinal Scheffczyk schreibt in seiner Abhandlung über den Primat ("Das Unwandelbare im Petrusamt", Morus Verlag Berlin 1971):
Geht man auf eine solche symbolgeschichtliche Betrachtung des Felsenwortes ein ( die sich bei den Forschern wie J. Jeremias, O. Cullmann (1), J. Ringger findet), dann empfängt dieses Wort eine einzigartige Bedeutung, die allerdings so anspruchsvoll erscheint, daß man an ihm Anstoß nehmen könnte.
Mit der Bezeichnung des Petrus als "Felsengrund" der Gemeinde und des Gottesvolkes wurde das jüdische Symbol vom kosmischen Felsen auf Petrus übertragen (2). Das Wort erinnerte den Juden an den Fels in Jerusalem, der den Tempel und das Allerheiligste trug. Dieser Fels galt dem Israeliten als der Stuhl und der Thronsitz Gottes, als Zentrum und Grundstein der Welt, aber auch als Verschlußstein der Unterwelt, der das Emporkommen der Todesmächte unterband.
Mit diesem Wort wurde nach der jüdischen Symbolsprache dem Petrus also die Stellung des kosmischen Felsens zugesprochen, die nach einer anderen alttestamentlichen Überlieferung (Is 28) dem Messias selbst zukommt. Damit wurde ihm eine Aufgabe übertragen, die nichts Geringeres als eine Fortsetzung des Werkes des Messias selbst beinhaltete.
In dieser Symbolik fügt sich auch der Ausdruck von den "Pforten der Unterwelt" ein, deren Macht die Festgkeit des Felsens nicht brechen wird. Dabei ist vor allem an die Macht des Todes und der Vergänglichkeit gedacht, die sich nach israelitischem Verständnis mit der Vorstellung vom Totenreich verknüpfte.
So gesehen, wird das Petrusamt und mit ihm die Gemeinde der Gläubigen der Macht der Vergänglichkeit entzogen und die Gründung Christi als endgültig und bleibend erklärt.
Es schließt sich eine Erklärung über die Bedeutung des anderen Bildwortes an, in dem Jesus Petrus die "Schlüssel des Himmelreiches" übergibt.
"Die sogenannte Schlüsselgewalt macht Petrus sozusagen zum menschlichen Werkzeug der Auferstehung. Er soll das Gottesvolk in das Reich der Auferstehung führen. Ebenso liegt hier der Gedanke an die Mission und an die Verkündigung nahe, mit der Petrus den Menschen Zugang zum Himmelreich verschaffen wird", so Scheffczyks Folgerung. Dann folgt eine Betrachtung der Schriftstellen Lk 22.32 (Bestärkung der Brüder im Glauben) und Joh 21,15 über das "Weiden der Lämmer und Schafe".
Kard. Scheffczyk:
Im Lichte dieser Worte gewinnt die Primatsverheißung erst ihre eigentümliche Fülle. Sie wird nicht nur inhaltlich weiter differenziert, indem die Funktion des Petrus als verantwortungsvoller Dienst an den Brüden und an der ganzen Herde Christi gekennzeichnet wird. Sie wird vor allem in ihrem primatialen Charakter verstärkt. Das leistet besonders das feierliche Wort des johanneischen Christus an Petrus mit der Dreiheit des "Weide meine Lämmer".
"Der Akt, den Jesus mit diesen Worten vollzog, besaß eine enorme Tragweite. Jesus erfüllte damit seine früher gemachte und von Matthäus aufgezeichnete Verheißung (Mt16,17-19) und machte den Simon zum Kepha oder Fels der Kirche. Denn sind auch Bilder, Fels und Hirt, verschieden, so treffen sie sich doch ganz offensichtlich in ihrer Bedeutung als Prinzip des Bestandes und der Einheit.
Mit Joh 21,15-17 wurde dieser Apostel der stellvertretende Lenker der Gesamtkirche, indes Jesus selbst ihr unsichtbares Fundament blieb... diese Amtsübertragung war in höchstem Maße offiziell" (3).
Mit gutem Grund sieht P. Gächter in der feierlich-rechtlichen Form der Übertragung des Amtes, wie sie in dieser Szene geschildert wird, einen Hinweis darauf gegeben, "daß Jesus tatsächlich eine Kirche mit Rechtsnormen gestiftet hat, indem er ihr durch einen feierlichen Aktder Rechtsübertragung einen sichtbaren Stellvertreter gab" (4). (...)
Daß den Aposteln insgesamt einige dieser Funktionen auch zukommen, spricht nicht gegen den Sondercharakter der Berufung des Petrus. Im Lichte des ihn allein betreffenden "Felsenwortes" wird deutlich, daß ihm eine andere Weise der Verwirklichung der apostolischen Vollmacht zukommt: Er allein hat diese Vollmacht in der Weise der des letzten zusammenfassenden Prinzips inne.
Er steht als "Hausverwalter" in besonderer Weise in der Nachfolge des Messias, der freilich allein der "Hausherr" bleibt. Aber daß ihm ein besonderes messianisches Vikariat zukommt, ist nicht zu bezweifeln. So scheut sich auch der evangelische Theologe J. Ringger nicht, Petrus als "Stellvertreter des 'heiligen Berges' Christus" zu bezeichnen (5)...
(1) Allerdings fällt auf, daß Cullmann die symbolgeschichtliche Deutung des "Felsens" nur in seinem Artikel im ThWNT (VI) behandelt, sie aber im "Petrusbuch" nicht auswertet.
(2) Vgl. zum folgenden J. Ringger, Petrus der Fels: Begegnung der Christen, 279ff.
(3) P. Gächter, Petrus und seine Zeit, Innsbruck 1958, 22.
(4) Ebd., 30.
(5) J. Ringger, a.a.O., 282
Foto: Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem; idobi, wikimedia commons
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