P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad
Das Bekenntnis von Schuld kann Wunder wirken: Im Rahmen der sakramentalen Beichte folgt ihm die Vergebung aller Sünden und neuer Anteil am Leben Gottes. Weil die Sündenvergebung aber eine übernatürliche Tat Gottes ist, überragt sie unser Verstehen und Empfinden; sie kann weder mit irgendwelchen Instrumenten gemessen noch mit unseren fünf Sinnen, ja nicht einmal vom luzidesten Verstand erfasst werden. Das feine Gespür des Herzens kann allenfalls ihre Wirkungen, nie aber die Sündenvergebung selbst wahrnehmen. Sie gehört eben in den Bereich der Glaubensgeheimnisse und wird deshalb auch im Credo bekannt.
Sündenvergebung will also in erster Linie geglaubt, nicht „erfahren“ werden. Das wird häufig übersehen. Man ist auf der Suche nach „religiösen Erfahrungen“ und stuft recht voreilig seine religiösen Regungen und Bewegungen als höhere Phänomene ein, die dann auch sogleich anderen mitgeteilt werden – ein Verstoß gegen jene kluge Zurückhaltung, die gerade im geistlichen Bereich überaus ratsam ist!
Solche inneren Erlebnisse können zwar, müssen aber keinesfalls göttlichen Ursprungs sein. Und so sind auch im Zusammenhang mit der Beichte starke Gefühle der Freude kein Garant für Gottes Gnade. Mancher Meister raffinierter Selbsttäuschung bringt es ja nach einem unaufrichtigen, unvollständigen Sündenbekenntnis durchaus fertig, sich in eine gehobene „geistliche Stimmung“ zu versetzen. Vom Verwirrspiel des Teufels ganz zu schweigen.
Andererseits gilt: Wer nach einer ehrlichen Beichte nichts „Besonderes“ empfindet, braucht deshalb keineswegs an der Wirksamkeit des Sakramentes zu zweifeln. Das Geschenk der Sündenvergebung gehört eben nicht der kleinen und wechselhaften Innenwelt unseres Meinens und Fühlens an. Es entstammt einer höheren als der menschlichen Ordnung und entzieht sich daher jeder Vereinnahmung durch religiösen Erlebnis- und Erfahrungshunger. So ist es den wahrhaft übernatürlichen Gaben Gottes eigen.
Dennoch verbindet sich mit dem verborgenen meistens auch ein wahrnehmbarer Effekt. Darüber ist im Psalm 31 (32) zu lesen: „Selig, wem vergeben die Missetaten, wem zugedeckt die Sünden. Selig der Mann, dem der Herr die Sünde nicht anrechnet und in dessen Geist sich kein Trug findet.“ Dieser Schilderung der verborgenen Machttat Gottes schließt sich eine Beschreibung der wahrnehmbaren Seite von Schuld und Vergebung an. Zunächst der Schuld: „Solange ich schwieg, alterten meine Glieder, während ich stöhnte den ganzen Tag. Denn am Tage und in der Nacht lag schwer auf mir Deine Hand. In meinem Elend wendete ich mich, da der Stachel durchgetrieben war.“
Tiefe Vertrautheit mit dem Elend des von Schuld niedergedrückten Menschen spricht aus diesen Worten. Was die Psychosomatik heute wissenschaftlich zu ergründen versucht, kommt dem Psalmisten wie selbstverständlich über die betenden Lippen: Nicht nur das Innenleben des Menschen ist von der Verheerung durch die Sünde betroffen, auch auf den Leib strahlen ihre bösartigen Wucherungen aus, berauben ihn seiner Frische und lassen ihn frühzeitig welken. Durch peinliches Schweigen unter Verschluss gehalten, entwickelt sich das Unheil nur umso gefährlicher fort. Alle Bemühungen, sich davon abzulenken, können nicht verhindern, dass die kranke Seele beständig aufstöhnt, als wollte sie auf ihren ernsten Zustand hinweisen. In diesem Befinden liegt ein göttliches Gnadenangebot: Zum Besten des Menschen lässt Er Seine Hand schwer auf ihm lasten. Mühsal und Leid des Sünders sind der Stachel, der ihn zur Umkehr antreiben soll. Denn was wäre gewonnen, wenn es gelingen würde, die Schuldgefühle durch Medikamente oder Psychotherapien zum Schweigen zu bringen? Nichts. Man hätte die Symptome ausgeschaltet, die todbringende Ursache aber bliebe bestehen.
So ist die einzige Rettung das Sündenbekenntnis vor Gott: „Da habe ich meine Sünde vor Dir bekannt, und meine Schuld hielt ich nicht verborgen. Ich sprach: ‚Bekennen will ich wider mich meine Bosheit dem Herrn’ - und Du hast mir vergeben die Schuld meiner Sünde.“ Damit ist das doppelte Wunder eingetreten: Gott vergibt dem Sünder und erweckt ihn zu neuem Leben, das in wahrer Freude aufblüht. Nicht zufällig endet der 31.Psalm mit dem Ruf: „Freuet euch im Herrn, und jauchzet, ihr Gerechten, und jubelt, ihr alle von Herzen Geraden!“ Die empfangene Gnade ist auch dann, wenn sie vielleicht nicht spürbar erfahren wird, doch wahrhaft vorhanden. Sie umhüllt den gerechtfertigten Sünder wie ein Lichtgewand und leuchtet hinein in den Raum der Kirche und in die Welt.
Ob wohl die Kirche nicht auch deshalb an Ausstrahlung und Attraktivität verloren hat, weil viele ihrer Glieder das aufrichtige Sündenbekenntnis vernachlässigen? Dadurch verblasst jenes Leuchten, das aus der unsichtbaren Gnadenwirkung des Sakramentes hervorgeht und das unendlich viel mehr ist als eine „religiöse Erfahrung“ der Marke Eigenbau. Bei dem trüberen Licht aber wird es für die, welche zur Nachtzeit draußen herumirren, schwerer, die Stadt auf dem Berge (Mt 5,14) zu finden.
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
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