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Mittwoch, 9. Mai 2012

"Grillsaison" oder "Blut des neuen und ewigen Bundes?"

In einem Brief  hatte Papst Benedikt XVI. am 14. April 2012 die Bischöfe gebeten, möglichst bald mit Katechesen für Priester und Gläubige zu beginnen, damit diese besser verstehen, warum die Worte Jesu über den Abendmahls-Kelch "pro vobis et pro multis" nun wieder (wie es vor 1970 war) wörtlich mit "für euch und für viele" übersetzt werden und diese Übersetzung auch durchaus theologisch begründet und nachvollziehbar ist.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) Erzbischof Robert Zollitsch bestätigte denn auch, der Brief des Papstes biete "eine Klärung" und sei "der Abschluss einer Diskussion".

Dessen ungeachtet ging die Diskussion auch auf manchen Blogs weiter.
Pfr. Carsten Leinhäuser z. B. schreibt zwar, er könne die Entscheidung des Papstes mittragen, selbst, wenn er persönlich das “für Alle” eindeutig vorziehen würde. Dennoch veröffentlichte er auf seinem Blog "vaticarsten" folgende zwei Posts, mit denen er weiterhin die Übersetzung des lateinischen "pro multis" mit dem deutschen "für alle" zu rechtfertigen sucht:


Auf den zweiten Artikel (Grillsaison) erlaubte ich mir am frühen Morgen des 2. Mai folgende Erwiderung als Kommentar zu schreiben:

Sehr geehrter Pfr. Leinhäuser,

ich halte Ihren Beitrag nicht nur für überflüssig (da nun ja entschieden ist, dass „pro multis“ wörtlich und in Treue zum Herrenwort übersetzt werden soll), sondern auch für nicht zutreffend.

Sie unterscheiden noch nicht zwischen der innewohnenden „Kraft“ des Erlösungsopfers („für alle“) und dem tatsächlichen (leider nicht von allen in Anspruch genommenen) „Nutzen“ bzw. der „Frucht“ des Opfers, von der der Herr an dieser Stelle spricht. Wohlgemerkt sind diese beiden Mengen nicht gleich groß.

Deutlich führt das z. B. der „Römische Katechismus“ aus, der nach dem Beschluss des Konzils von Trient für die Pfarrer herausgegeben wurde:

“(…) jene Worte, die beigefügt sind: „für euch und für viele“ sind teils aus Matthäus, teils aus Lukas genommen, von der heiligen Kirche aber, welche vom Heiligen Geist belehrt ist, verbunden worden und dienen dazu, um die Frucht und den Nutzen des Leidens zu verdeutlichen. Denn wenn wir die Kraft desselben betrachten, so muss man sagen, dass der Heiland sein Blut für das Heil aller vergossen hat; wenn wir aber die Frucht, welche die Menschen daraus ziehen, im Auge haben, werden wir leicht einsehen, dass dessen Nutzen nicht allen, sondern nur vielen zuteil werde. Indem er also „für euch“ sagte, meinte er damit entweder die Anwesenden oder Auserkornen des Judenvolkes, wie die Jünger waren, mit Ausnahme des Judas, mit welchen er redete. Wenn er aber beifügte „für viele“, so wollte er darunter die übrigen Auserwählten aus den Juden und Heiden verstanden wissen. Es ist also Recht geschehen, dass nicht gesagt wurde „für alle“, da hier bloß von den Früchten des Leidens die Rede war, welches doch nur den Auserwählten die Frucht des Heiles gebracht hat.
Und hierauf beziehen sich jene Worte des Apostels: „Christus ist einmal geopfert worden, um die Sünden vieler wegzunehmen“ (Hebr 9,28), und was der Herr bei Johannes sagt: „ Ich bitte für sie, nicht für die Welt bitte ich, sondern für diese, welche du mir gegeben hast, weil sie Dein sind.“ (Joh 17,9)”

(Römischer Katechismus 2. Teil, 4,24).

Statt also weiterhin eine falsche, unzutreffende Übersetzung der Kelchworte rechtfertigen zu wollen, wäre es zielführender, entweder dem von Papst Benedikt XVI. in seinem Brief dargelegten Wunsch nach entsprechenden Katechesen zu entsprechen oder aber – wenn Sie in Ihrer abweichenden Haltung verharren – sich gar nicht zu äußern, um die Gläubigen nicht unnötig zu verwirren oder zu desinformieren. 
(...)


Dieser Kommentar  wurde von Pfr. Leinhäuser nicht bzw. nur rudimentär im Rahmen seiner Antwort vom 2. Mai 2012 veröffentlicht.

Ebenso wie Pfr. Leinhäuser bin ich daran interessiert - wie es auch "gute Tradition der Kirche" ist - sich über Glaubensthemen auszutauschen und sie intensiv zu erörtern und zu diskutieren.
Da es hier um einen, wie ich finde, nicht uninteressanten Austausch von Argumenten geht, der vielleicht auch noch andere Leser interessiert und es außerdem einer objektiven Darstellung dienlich ist, im Folgenden die Antwort von Pfr. Leinhäuser und meinen erneuten Kommentar darauf:


Antwort von "vaticarsten":
schwarz: Frischer Wind, blau und kursiv:  Pfr. Leinhäuser, vaticarsten

Sehr geehrter Pfr. Leinhäuser,

ich halte ihren Beitrag nicht nur für überflüssig (da nun ja entschieden ist, dass „pro multis“ wörtlich und in Treue zum Herrenwort übersetzt werden soll), sondern auch für nicht zutreffend.

(Die kursiv gesetzten Textstellen sind Kommentare vom Blogautor)
Sehr geehrter “Frischer Wind”,
für “überflüssige” Beiträge gibt es eine unkomplizierte Lösung: Einfach ignorieren. Glücklicherweise ist es eine gute Tradition der Kirche, dass man sich über Glaubensthemen austauscht und sie intensiv erörtert und diskutiert. Wäre es nicht so, gäbe es keine Theologie.

Sie unterscheiden noch nicht zwischen der innewohnenden „Kraft“ des Erlösungsopfers („für alle“) und dem tatsächlichen (leider nicht von allen in Anspruch genommenen) „Nutzen“ bzw. der „Frucht“ des Opfers, von der der Herr an dieser Stelle spricht. Wohlgemerkt sind diese beiden Mengen nicht gleich groß.

Ja, eine der wichtigsten Aussagen über Gott ist, dass er uns Menschen den freien Willen lässt. Das bedeutet logischerweise auch, dass jede/r Einzelne die Freiheit hat, das Geschenk der Liebe Gottes abzulehnen. Das ändert aber gleichzeitig nichts daran, dass Jesus am Kreuz für Alle gestorben ist (was die Kirche seit jeher glaubt und lehrt – und was Papst Benedikt in seinem Brief ausdrücklich betont).

Deutlich führt das z. B. der „Römische Katechismus“ aus, der nach dem Beschluss des Konzils von Trient für die Pfarrer herausgegeben wurde (…).

Wer sich ein klein Wenig in der Kirchengeschichte und in der Entwicklung der katholischen Theologie und Kirchenlehre auskennt, weiß, dass die Fundamente unseres Glaubens immer die gleichen waren und bleiben. Er weiß aber auch, dass sich der Focus mit der Zeit immer wieder verschiebt und ändert. Um nichts anderes geht es hier: Nach dem 2. Vatikanischen Konzil haben die Bischöfe vieler Länder sich entschieden, den Focus auf den Erlösertod Jesu für Alle zu legen. Das ist in völliger Einheit mit der Lehre der Kirche geschehen, was Papst Johannes Paul in seinem Schreiben am Gründonnerstag 2005 klar bestätigt.

Statt also weiterhin eine falsche, unzutreffende Übersetzung der Kelchworte rechtfertigen zu wollen, wäre es zielführender, entweder dem von Papst Benedikt XVI. in seinem Brief dargelegten Wunsch nach entsprechenden Katechesen zu entsprechen oder aber – wenn Sie in Ihrer abweichenden Haltung verharren – sich gar nicht zu äußern, um die Gläubigen nicht unnötig zu verwirren oder zu desinformieren.
(…)
Die Übersetzung “für Alle” ist weder falsch noch unzutreffend; sie wird sogar vom letzten und vom aktuellen Papst als absolut legitim bestätigt.

Wer den Brief des Papstes wirklich liest (und sich nicht nur das herauspickt, was ins eigene Kirchenbild passt), sieht darin seine Weite.
Wer wiederum meinen Artikel wirklich liest (und sich nicht nur …), wird erkennen, dass meine Haltung alles andere als abweichend ist. Er/sie wird auch gelesen habe, dass ich durchaus das “für Viele” verwenden werde, sobald es im deutschsprachigen Raum eingeführt wird.

Sehr geehrter “Frischer Wind”, der Brief des Papstes ist ein Lehrstück dafür, dass es einen theologischen Interpretationsspielraum geben darf und muss. Dem entsprechend nehme ich als Theologe und Priester das Recht war, meinen persönlichen Focus zu setzen und gleichzeitig darauf zu verweisen, dass auch ein anderer Focus wichtig und korrekt ist. Wenn ich mir Ihren Kommentar (und die Äußerungen manch anderer Mitchristen) ansehe, habe ich das ungute Gefühl in der Magengegend, dass Sie (wiederum im Gegensatz zu dem, was Papst Benedikt schreibt), sich auf die eine Interpretationsmöglichkeit festlegen und die andere als “ungültig und falsch” abstempeln.
Die Einschätzung darüber, welche der beiden Verhaltensweisen die “katholischere” ist, mag ich jetzt mal offen lassen.


Kommentar dazu von Frischer Wind vom Abend des 2. Mai 2012 (bis heute leider nicht  auf "vaticarsten" veröffentlicht):



Zitate: „Das ändert aber gleichzeitig nichts daran, dass Jesus am Kreuz für Alle gestorben ist (was die Kirche seit jeher glaubt und lehrt – und was Papst Benedikt in seinem Brief ausdrücklich betont).“

„Nach dem 2. Vatikanischen Konzil haben die Bischöfe vieler Länder sich entschieden, den Focus auf den Erlösertod Jesu für Alle zu legen.“

Sehr geehrter Pfr. Leinhäuser,
Sie werden bemerkt haben, dass ich diese Tatsache in meinem Kommentar mitnichten bestritten habe. Im Gegenteil. Allerdings tritt diese Wahrheit im Abendmahlssaal, wo Christus über den Kelch die Worte „…für euch und für viele vergossen…“ spricht, gewissermaßen in den Hintergrund. Christus spricht hier ganz konkret zu den Anwesenden, bzw. zu denen, die sich zu ihm bekennen, ihm folgen (vgl. Röm. Katechismus 2. Teil, 4,24). Das aber sind eben (leider) nicht „alle“ (nochmals: ungeachtet der Tatsache, dass Jesus am Kreuz für alle gestorben ist).

Ich darf nochmals den Römischen Katechismus zitieren: „Es ist also Recht geschehen, dass nicht gesagt wurde „für alle“, da hier bloß von den Früchten des Leidens die Rede war, welches doch nur den Auserwählten die Frucht des Heiles gebracht hat.
Und hierauf beziehen sich jene Worte des Apostels: „Christus ist einmal geopfert worden, um die Sünden vieler wegzunehmen“ (Hebr 9,28), und was der Herr bei Johannes sagt: „ Ich bitte für sie, nicht für die Welt bitte ich, sondern für diese, welche du mir gegeben hast, weil sie Dein sind.“ (Joh 17,9)”

(Römischer Katechismus 2. Teil, 4,24).

In den Neuen Bund Gottes mit den Menschen tritt der Mensch ein durch Taufe und Glauben. Die Heilige Messe ist der Vollzug dieses Bundes. Die Kirche ist die Gemeinschaft, die um dieses und aus diesem Bundesopfer entsteht (Ecclesia de Eucharistia vivit…) und die konkrete Zuwendung des Erlösungsopfers geschieht in der Heiligen Messe an die Kirche und ihre einzelnen Glieder, eben an viele…

Zitat: “Die Übersetzung “für Alle” ist weder falsch noch unzutreffend; sie wird sogar vom letzten und vom aktuellen Papst als absolut legitim bestätigt.”

Wir dürfen davon ausgehen, dass Jesus wusste, was er tat und wusste, was er sagte. Welches Recht also hätten wir, seine Worte zu verfälschen? Wörtlich heißt es „pro multis“, jeder Lateinschüler wird das mit „für viele“ übersetzen, wohingegen „für alle“ niemals mit „pro multis“ sondern mit „pro omnibus“ übersetzt werden müsste… Nochmals: „pro multis“ mit „für alle“ zu übersetzen ist ganz objektiv falsch. Das bestätigt auch Papst Benedikt, wenn er sagt, dass „an die Stelle der interpretativen Auslegung „für alle“ (…) die einfache Übertragung „für viele“ treten“ müsse.


 

 

4 Kommentare:

  1. Der Pfarrer sagt:
    "Wer den Brief des Papstes wirklich liest (und sich nicht nur das herauspickt, was ins eigene Kirchenbild passt), sieht darin seine Weite."

    In eben dieser Weite hat der Hl. Vater die völlig korrekte Rückkehr zur korrekten "pro multis" - Übersetzung stringent begründet, ohne die seit gut 50 Jahre das "für alle" gewohnten Gläubigen, die die deutsche und nicht die lateinische Messe besuchen, zu brüskieren.

    Es ist dann schon etwas befremdlich, wenn Pfarrer parallel zum medial - memorandumstheologischen reflexhaften Papstbashing, nun das Diskutieren darüber selbst anzufachen (ich will hiermit dem Pfarrer selbst keine Nähe zu diesen Kreisen unterstellen).
    Wenn selbst EB Zollitsch einmal eine Diskussion für beendet erklärt, muß doch nicht gerade jetzt nicht eine neue begonnen werden, eben zumal der Papst in aller theologischen Differenzierung die völlig berechtigte Rückkehr der Weltkirche verständlich dargelegt, und nicht um aufkochen alter Debatten sondern um katechetische Untersützung gebeten hat.

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    1. L.A., vielen Dank für Deinen Kommentar.
      So sehe ich das auch - und hoffe, dass meine Anmerkungen, ebenso wie die vielen Veröffentlichungen zu diesem Thema, die in der angeführten (keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden) Link-Liste zum Thema genannt werden, manchen Impuls geben können im Sinne eben dieser von Benedikt XVI. erbetenen katechetischen Unterstützung...

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  2. @Frischer Wind

    Ich finde die Links dafür äußerst hilfreich!

    Interpretation ist das Stichwort. Während die Neuübertragung in "für alle" der nachkonziliären Liturgiereform eben eine solche war, und der Hl.Stuhl die Wandlungsworte nun wieder davon befreit hat, wird nun leider vielen Gläubigen suggeriert, daß es sich genau umgekehrt verhielte.
    Einzelne Theologen z.T. in Professoren- oder sogar Dekansrang, entblödeteten sich nicht, dem Hl. Vater hierin ein rein strategisches Signal "an die Traditionalisten" zu unterstellen.
    Einschlägige Zeitungskommentatoren sprachen - in frappierender Unkenntnis oder aus ignoranter Böswilligkeit -gar von ein einer "Neu - Übersetzung" (!) (als ob es nicht immer "pro multis" geheißen hätte- und unterstellten, die Erösungsgnade des Kreuzes solle damit "exklusiviert" werden.
    Gegen Verwirrung durch soviel Viertelsbildung oder ideologische Verblendung helfen nur fundierte Katechesen, in diesem Punkt, wie in vielen anderen.

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    1. Es wird wie bei so vielen anderen Problematiken auch sein: Die Gutwilligen werden es verstehen, andere werden es nicht verstehen WOLLEN...

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